Kein Kommentar geht nicht

Auf der Website Guardian steht ein Jubelartikel über das deutsche Internet-Manifest. Geschrieben von Mercedes Bunz. Einer der Autorinnen des Manifests. So funktioniert das also mit dem neuen Journalismus. Wie beknackt kann man denn eigentlich sein?

PS. Stefan Niggemeier hat sein Mitwirken an dem „Manifest“ (schreibt er jetzt in Tüddelchen) in seinem Blog noch einmal ausführlich erklärt. Und das ist aus meiner Sicht der bedeutend bessere Text. Kann ich nicht lieber den unterschreiben?

Die Geister, die er rieplt

Jetzt tue ich etwas, dass ich immer vermeiden wollte, um mir selbst nicht den Spaß zu verderben: Ich wollte nie über das so genannte Riepl’sche Gesetz schreiben („Die Medienentwicklung verläuft kumulativ, Neues verdrängt Altes nie vollständig“), weil es erstens ein Feld ist, in dem mehr Schwachsinn geschrieben wird als über Sex, und zweitens macht es Spaß, sich anzugucken, wie Verlags-Visionisten und Web-Wichtel sich mit bizarren Argumenten bewerfen. Es sieht aus wie eine Schlacht, in der die eine Seite Tomaten wirft und die andere Seite Eier – und beide denken sie hätten Granaten. Hinterher sind sie sehr erstaunt, dass der Gegner immer noch lebt.

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Wie begeistert man Print-Journalisten für “Online”?

Vor gut zehn Jahren war der junge Fußballer Lars Ricken ungefähr zehnmal das, was Mesut Özil gerne werden würde. Er hatte mit dem spielentscheidenden Tor für Borussia Dortmund im Champions-League-Finale das Tor des Jahres 1997 geschossen und hatte eine gigantische Zukunft vor sich. Zu dieser Zeit drehte er einen Werbespot für seinen Ausrüster Nike, in dem es um die alten Helden im Fußball ging, um die Großen, die Ricken nun im Voice-Over herausforderte. Ich habe den Spot online nicht gefunden, deshalb zitiere ich den zentralen Satz aus dem Kopf. Ricken sagte etwas wie: „Voller Respekt sage ich: Kommt nicht zwischen mich und den Ball!“

Er konnte nie an seine ersten großen Erfolge anknüpfen und galt bald als ewiges Talent. Aber der große Sieg und das unfassbare Tor bleiben.

Mich erinnert die Situation um das Internet-Manifest ein bisschen an Rickens Nike-Spot: Eine Gruppe der vielleicht besten deutschen Onliner stellt sich mit breiter Brust (und aus meiner Sicht ungefragt) aufs Spielfeld und sagt „kommt nicht zwischen uns und den Ball.“ Sie glauben erklärterweise, wie das Spiel gespielt werden muss, und der Tonfall des Dokumentes strahlt nicht nur zwischen den Zeilen, sondern geradezu zwischen allen Zeichen aus, dass sie überzeugt davon sind, dass sie es selbst können. Ich habe schon deutlich gemacht, dass mir das unangenehm ist, und das es mir ungleich leichter gefallen wäre, diesen Text zu akzeptieren, wenn die Verfasser selbst schon spielentscheidende Tore geschossen hätten. Auch aus diesem Grund halte ich das Manifest für missraten, aber es ist zu einfach, Dinge einfach schlecht zu machen. Deshalb will ich versuchen zu erklären, was meiner Meinung nach heute sinnvoller gewesen wäre als der Text. Und während ich das sage, muss ich auch gleich auf einen echten Fehler in meiner Argumentation gegen das Manifest hinweisen: Diejenigen Kollegen, die tatsächlich schon spielentscheidende Tore geschossen haben, haben sich bisher nicht aufgerafft, eine Meinung zu den Möglichkeiten des Journalismus im Internet zu formulieren. Und das wird von vielen Kollegen offensichtlich als Lücke empfunden. Mir ging es nicht so, deshalb habe ich den Gedanken erst von (Manifest-Mitverfasser) Wolfgang Michal übernommen. Da hätte ich selbst drauf kommen können und sollen.

Aber, wie gesagt, meine Gedanken gehen in eine andere Richtung: Wenn das Internet so viele Möglichkeiten bietet und so toll ist, wie ich glaube, warum gelingt es uns nur so mühsam, Kollegen davon zu überzeugen? Das muss etwas bedeuten, aber was?

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Für wen machen wir das eigentlich?

Im Stern steht heute eine ausführliche, schöne Titelgeschichte von Felix Hutt darüber, wie Soziale Netzwerke unser Leben verändern, und es ist schon geschrieben worden (habe nur vergessen wo), das wäre wohl die Geschichte, die der Spiegel eigentlich gern gehabt hätte statt des manchmal kruden zeugs in ihrer „Rechtsfreier-Raum-Geschichte“ vor ein paar Stern 37 09Wochen. Tatsache ist in jedem Fall: Hutt hat einmal groß, sauber und gut aufgeschrieben, was das alles eigentlich ist und wie es funktioniert. Ein bisschen sogar, was das alles soll, obwohl die Frage nach dem „Warum“ im Internet heute eigentlich keine Rolle mehr spielt, weil sie niemand mehr beantworten kann. Aber dazu kommen wir noch.


 Ich finde die Aufmachung ein bisschen seltsam: Es werden Menschen in schönen, großzügigen Schwarzweißbildern gezeigt. Sonst nix. Was ich einerseits verstehe, immerhin geht es in Netzwerken um nichts als Menschen, aber nach meinem Gefühl zeigt es eben zu viele Dinge nicht: Weder die Verbindung zwischen Menschen, noch die Geschwindigkeit, die Globalität oder auch nur den Exhibitionismus von Menschen, die an der großen Konversation teilnehmen. Die Bilder zeigen eigentlich sogar exakt das Gegenteil davon, was ja cool sein kann, aber wenn das hier cool ist kommt die Coolness bei mir nicht an. Auf mich wirkt das wie eine Art-Direktoren-Idee, an der man vielleicht besser noch ein, zwei Tage lang weitergedacht hätt. Aber das war es auch schon mit Kritik von meiner Seite. Was ich nämlich am interessantesten finde an dieser Geschichte, ist ein Paradebeispiel für eine Frage, die wir uns nicht oft genug stellen können: Für wen machen wir das alles eigentlich?

 

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Don’t call us. We won’t call you. Ihre Lufthansa

Ich habe mich an dieser Stelle vielfach darüber ausgelassen, dass ich glaube, Journalisten sollten für ihre Leser erreichbar sein, im übertragenen wie im wörtlichen Sinne. Aber wir sind nicht die einzigen, und deshalb benutze ich diesen Blog an dieser Stelle ausnahmsweise für eine persönliche Geschichte – ganz einfach, weil es die einzige Stelle ist, wo ich sie loswerde. Ich ärgere mich über die Lufthansa. Ich ärgere mich wirklich sehr. Allerdings ist der einzige Weg, das der Lufthansa mitzuteilen der, einen Brief oder ein Fax zu schicken. Das haben wir getan, nur genützt hat es nichts. Jetzt stehe ich da mit meinem Ärger wie ein Leserbriefschreiber, dem nicht geantwortet wird, und weil es bei der Lufthansa keine weitere Stelle gibt, um meinem Ärger Luft zu machen, mache ich es eben hier.

 

Die kurze Version geht so: Wir haben bei der Lufthansa für unsere Verhältnisse recht viel Geld bezahlt, um sicher und angenehm in den Urlaub zu fliegen. Tatsächlich hat eine Reihe von Fehlern dazu geführt, dass wir nicht nur einen Teil umsonst ausgegeben haben, sondern dafür auch noch unsicher geflogen sind. Aus meiner Sicht hat die Lufthansa meine Familie in Gefahr gebracht. Und das ist tatsächlich die beste Art, mich sehr schnell sehr wütend zu machen. „Don’t call us. We won’t call you. Ihre Lufthansa“ weiterlesen

Kontrollverlust – oder: Wie unsere Arroganz uns daran hindert, erfolgreich zu sein

Es scheint einen neuen Konsens darüber zu geben, dass die Welt verflacht, wir alle verdummen und dass das Fernsehen im Besonderen und die Medien im Allgemeinen daran Schuld tragen. Und als selbst erklärter Verfechter des so genannten Qualitätsjournalismus steht man dann achselzuckend davor und sagt sich: „Gegen den Scheiß, den die Leute offenbar sehen wollen, kann man ja mit Qualität nicht anstinken, denn auf Qualität muss man sich einlassen wollen.“ Wir haben uns ein Naturgesetz gebastelt, nachdem Qualität nicht so aufregend sein kann wie Trash. Deshalb gewinnt der Trash. Und wir haben keine Schuld.

Meiner Meinung nach ist das falsch, und das gleich auf mehreren Ebenen. Wir haben es seit Jahrzehnten in der Hand, Qualität aufregend zu machen. Wir tun es nur nicht. Und ich möchte versuchen darzulegen, warum das so ist. Oder zumindest, warum ich glaube, dass es so ist.
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Wir machen es (uns zu) einfach

Für mich ist Heribert Prantl der klügste Journalist des Landes, und das in einer Größenordnung, die es mir schwer macht, seine Leitartikel zu lesen, wenn ich zum Thema schon eine Meinung habe. Denn wäre er anderer Meinung als ich, dann müsste ich meine ändern.

Insofern habe ich leicht verängstigt seinen Text „Sind Zeitungen systemrelevant?“ gelesen.Vor allem nach dem ersten Satz: „Ja, Zeitungen sind systemrelevant, und ich kann es beweisen.“ Denn ich bin völlig anderer Meinung. Aber Prantl zum Glück auch, zumindest anderer Meinung als ich es nach diesem ersten Satz verstanden hatte. Systemrelevant für ihn sind unabhängige Redaktionen mit klugen Journalisten, nicht das bedruckte Papier. Es ist ein großartiger Text, und Prantl ist wie immer intelligent, scharf und genau.

Und er schneidet ein Thema an, dass mir schon eine ganze Weile auf der Seele brennt, und von dem ich nicht weiß, wie ich es angehen soll. „Wir machen es (uns zu) einfach“ weiterlesen

Im Falle keines Phallus

Ich bin ein Mann, ein Fan von Magazinen und habe lange Zeit für Männermagazine gearbeitet. Natürlich ist für mich der Playboy die großartigste Magazinmarke der Welt. Als Marke. Das Magazin ist es schon lange nicht mehr, weder in der deutschen, der amerikanischen noch irgendeiner anderen Ausgabe. Und mit dieser Ansicht bin ich nicht alleine, bei Burda Playboymuss man ähnlicher Ansicht gewesen sein, als man sich im Mai von Chefredakteur Stefan Schmortte getrennt hat. Die Zahlen sind dabei gar nicht so unterirdisch wie die mancher (vor allem der inzwischen eingegangenen) Mitbewerber es waren – der deutsche Playboy verkauft immer noch ausgewiesene 95.000 Hefte am Kiosk und über 43.000 an Abonnenten (und etwa 74.000 als Sonderverkäufe). Aber natürlich geht der Trend in zweistelligen Prozentschritten nach unten, und es war auch nicht der Hauch eines Konzeptes in Sicht, wie das aufzuhalten sein könnte. Dann kam die Reißleine – und Florian Boitin als neuer Chefredakteur.

Und nun also das erste Heft unter seiner Herrschaft. Grund genug, sich das einmal genau anzusehen.
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Das ist der GAU: Nicht so schlimm

Während ich gestern darüber geschrieben habe, dass Journalisten heute durch die Plattform Internet anfassbarer, nahbarer und stärker verantwortlich für ihre Texte sind als noch vor wenigen Jahren, hat der Kollege Hajo Schumacher in Berlin gesessen und eine Polemik über Horst Schlämmer geschrieben. Die Polemik, die heute in der Welt und der Berliner Morgenpost gedruckt wurde (was praktisch das Gleiche ist, weil sich beide eine Redaktion teilen), war richtig schlecht – nicht sauber gedacht, in der Formulierung überzogen und insgesamt nicht besonders spannend. Und das steht heute in vielen Blogs, unter anderem bei Stefan Niggemeier, was Hajo Schumacher besonders weh tun muss, weil Niggemeiers Blog wahrscheinlich mehr Menschen lesen als Polemiken in Welt und BM.

 

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