Wir machen es (uns zu) einfach

Für mich ist Heribert Prantl der klügste Journalist des Landes, und das in einer Größenordnung, die es mir schwer macht, seine Leitartikel zu lesen, wenn ich zum Thema schon eine Meinung habe. Denn wäre er anderer Meinung als ich, dann müsste ich meine ändern.

Insofern habe ich leicht verängstigt seinen Text „Sind Zeitungen systemrelevant?“ gelesen.Vor allem nach dem ersten Satz: „Ja, Zeitungen sind systemrelevant, und ich kann es beweisen.“ Denn ich bin völlig anderer Meinung. Aber Prantl zum Glück auch, zumindest anderer Meinung als ich es nach diesem ersten Satz verstanden hatte. Systemrelevant für ihn sind unabhängige Redaktionen mit klugen Journalisten, nicht das bedruckte Papier. Es ist ein großartiger Text, und Prantl ist wie immer intelligent, scharf und genau.

Und er schneidet ein Thema an, dass mir schon eine ganze Weile auf der Seele brennt, und von dem ich nicht weiß, wie ich es angehen soll. Er schreibt unter anderem und ohne direkten Zusammenhang: „Die deutschen Zeitungen brauchen kein Staatsgeld. Sie brauchen aber Journalisten und Verleger, die ihre Arbeit ordentlich machen. Sie brauchen Journalisten, die neugierig, unbequem, urteilskräftig, selbstkritisch und integer sind“ und „Vielleicht sollten wir in Deutschland einfach nicht mehr so viel von Pressefreiheit reden, sondern sie einfach praktizieren.“

Beide Sätze sind großartig, weil sie keinerlei Bedingung haben. Unabhängig von allem Krisengerede, allem Meckern über sparende Verlage und über den Tod des bedruckten Papiers können wir jederzeit „neugierig, unbequem, urteilskräftig, selbstkritisch und integer“ sein. Und wir können uns die Freiheiten nehmen, die wir brauchen.

Ich bin jetzt seit gut zehn Jahren dabei, und gemeckert worden ist immer, aber ich habe noch nie so viel Gejammere gehört wie in der letzten Zeit: Was alles nicht mehr geht, wie schlimm die Verlage sind und so weiter. Und nicht selten von Leuten, die immer noch die selbe Stelle haben wie vor einem, zwei oder auch acht Jahren. Und jetzt ist plötzlich alles anstrengender als früher, schwieriger oder sogar unmöglich. Als hätten wir nicht den privilegiertesten Job, den jeder von uns Mittelstandskindern sich je vorstellen konnte.

Und jetzt sind wir gefordert. Bei allem Gerede darüber, was alles schwieriger geworden ist: Wir sind nicht auf Kuba. Kein Staat, kein Verleger und keine materielle Not hindern uns daran, geilen Journalismus zu machen. Und wenn ich als Freier mir angucke, wie früh manche festangestellte Redakteure nach Hause gehen, dann fehlt uns nicht einmal die Zeit. Pressefreiheit ist eine Voraussetzung. Aber sie wird nicht nur vom Staat ausgehöhlt, sondern auch von Journalisten, die sie nicht benutzen.

Wir haben mehr Leser als je zuvor, aber wir müssen doch einmal feststellen, dass weite Teile des Journalismus am Leser vorbei gehen. Und damit meine ich hier nicht den totgesagten Printjournalismus, obwohl es auch da viele Beispiele gibt: Online werden immer noch Informationen möglichst weit vom Leser versteckt, damit er auf dem Weg viele Klicks hinterlässt. Und Ansätze von echtem, onlinespezifischen Qualitätsjournalismus sind auf deutschen Seiten praktisch nicht zu entdecken. Wenn man die Seiten der deutschen und der amerikanischen National Geographic vergleicht (was sicher auch nicht ganz fair ist), können einem schon ein paar Tränen kommen.

Mein Lieblingsbeispiel dafür, wie Online-Journalismus sein könnte, bietet der gelernte Fotograf Brian Storm mit seinem Konzept grandioser Audio-Slideshows.  Und mit dieser Meinung bin ich nicht alleine: Gruner & Jahr hatte Storm vor mehr als einem Jahr im Verlag zu Gast. Ich war nicht eingeladen und weiß nicht, was er gesagt hat, aber ich sehe nirgendwo bei Gruner & Jahr irgendwelche Ergebnisse des Besuchs. Nicht bei GEO, nicht beim Stern, nirgendwo (bitte sagt mir, wenn ich blind bin und mich irre).

Es gibt also eine bekannte, wunderschöne, onlinespezifische Erzählform, die jedem zur Verfügung steht, aber nicht angewendet wird (bei anderen Verlagen natürlich noch weniger als bei G&J, die waren ja mit der Einladung an Storm noch Vorreiter). Die Frage ist: warum nicht?

Die Antwort ist einerseits sehr kompliziert und andererseits sehr einfach. Für eine Slideshow braucht man mehr Bilder als für eine Galerie (ein Bild pro drei bis fünf Sekunden), also müssen die Bildrechte bezahlt sein. Dann braucht man Ton, am besten O-Ton, und dann muss es jemand schneiden.  Das Argument, dass Slideshows im Gegensatz zu Galerien nur einen Klick bringen, sollte sich erledigt haben: Visits werden immer wichtiger und Videos bringen auch nur einen Klick, trotzdem produziert der Stern zum Beispiel sein „Café Einstein“, eine Art Mini-Polittalk aus Berlin. Und weil wir beim Stern sind: Wenn ein Reporter mit einem Fotografen unterwegs ist, was beim Stern im Gegensatz zu vielen anderen Blättern ja noch vorkommt, dann bringen die beiden eine Menge Bilder und O-Töne mit, vielleicht bisher die Töne eher im Block als auf Band, aber das kann nicht das Problem sein. Es wäre alles da, was man braucht, um eine Storm-mäßige Slideshow zu bauen.

Also: Warum macht es keiner?

Jeder einzelne Journalist, egal ob Schreiber oder Bildredakteur, jeder Fotograf, Grafiker, Art Director, jeder Print- und Onlinekollege dem ich Storms Seite gezeigt habe war begeistert. Hans-Jürgen Jakobs, der Chef von sueddeutsche.de, hat gesagt, er würde gerne in ästhetisch hochwertige Audio-Slideshows investieren – vor einem Jahr. Wir wissen, was daraus geworden ist. Nix. (Jetzt kommen Hinweise, was ich alles übersehen habe. Zum Beispiel das: Die tolle Slideshow Gerda des Fotografen Bernhard Hagemann auf sueddeutsche.de).

Weil niemand investiert hat? Ganz genau. Oder besser: Weil wir nichts investiert haben. Denn alles, was es dazu braucht, ist Zeit. Und wir haben gelernt, Zeit erst zu investieren, wenn uns jemand dafür bezahlt (einige merkwürdige Berliner Magazine ausgenommen).

Was muss denn investiert werden? Wir haben den zusätzlichen Aufwand des O-Ton-Interviews und die Zeit beim schneiden. Und natürlich brauchen Meisterwerke wie bei Storm viel Zeit und möglichst einen professionellen Cutter, aber meiner Meinung nach ist die Erzählform, die er propagiert, selbst in ihrer schlechtesten Ausführung noch besser, journalistischer, bewegender, schöner und hochwertiger als diese ganzen scheiß Handyvideos, die ich überall zu sehen kriege.

Ein Beispiel: Ich war mit einer Gruppe von vier Jugendlichen und dem Fotografen Bernhard Hube
r
für die Bravo auf Grönland, um die Folgen des Klimawandels zu sehen. Die Jugendlichen haben einen ehemaligen Fischer und Jäger interviewt, der zum Touristenführer umschulen musste, weil es wegen des ausbleibenden Eises auf den Fjorden immer weniger Stellen zum Eisfischen und Jagen gibt.Wir hatten also Bilder und O-Töne, und haben natürlich vor Ort gebloggt, Galerien online gestellt aber eben auch eine Slideshow gemacht (zu sehen hier (unter Tag 5)). Natürlich hat sie nicht das Niveau von Storms Meisterwerken, aber ich finde sie gut und bewegender als eine Galerie (und natürlich ist sie für ein junges Publikum und sollte auf einer positiven Note enden, aus dem Zusammenhang wirkt sie ein bisschen cheesy).

Niemand hatte von uns verlangt, dass wir das tun. Es hat drei oder vier Stunden Arbeit gekostet, die niemand bezahlt hat. Aber wir wollten es machen, weil wir die Form mögen (und, nur nebenbei, Bernhard hatte das Aufnahmegerät mit. Fotografen sind da oft einfach weiter, weil sie schon viel länger mit der Veränderung leben).

Ich bin bei weitem kein Profi in dieser Form, was ich über Slideshows weiß, habe ich weitestgehend aus kostenlosen Online-Seminaren. Man könnte das sicher auch schneller und schöner machen. Aber diese Slideshow war vier Stunden nach dem Interview online. Sie ist geschnitten auf kostenloser Software und mit GEMA-freier Musik unterlegt. Wo ist die Investition?

Natürlich würde niemand dafür bezahlen. Bisher gibt es keinenWeg, das abzurechnen. So what? Sie steht online beim Bauerverlag, der sicher nicht bekannt ist für riesige Investitionen in Online-Strategien. Aber natürlich lehnt kein Redaktionsleiter guten Content ab.

Was ich sagen will: Der gute Content muss von uns kommen. Und wenn wir darauf warten, bis es Bezahlsysteme für alles  gibt, wird es einfach nicht passieren. Natürlich können das nicht die Freien leisten (und schon gar nicht kann es eine zusätzliche Gratisleistung der Fotografen sein, O-Töne einzuholen), aber ich frage mich doch, wo denn der Beitrag vieler festangesteller Redakteure zum geforderten (Online-) Qualitätsjournalismus ist. Natürlich ist das mehr Arbeit. Vielleicht ist es sogar viel mehr Arbeit. Aber sollen wir es deshalb lassen?

Dieses Format ist nur eines unter theoretisch unendlich vielen, die wir uns ausdenken können. Niemand wird guten Inhalt ablehnen. Er wird ihn vielleicht nicht bezahlen können oder wollen, aber ablehnen wird er ihn nicht. Insofern: Wo ist der Input, wo ist das großartige Zeug von den vielen, die immer noch fest in Lohn und Brot sind und die – ich war lange genug selbst einer – nicht das Tempo gehen, das Freie gehen müssen um ihre Familien zu ernähren?

Ich glaube, wir machen es uns zu einfach. Ich glaube, wir nehmen unsere Privilegien und unsere Pflichten nicht gleich ernst. Wir nutzen die (Presse-)Freiheit, die wir haben, nicht voll aus. Und das ist Faulheit.

Das ist die einfache Antwort.

Ich sage nicht, dass Audio-Slideshows die Antwort auf irgendetwas sind. Ich glaube, dass Journalisten, die gute Geschichten gut erzählen wollen die Antwort sind, und das wir die Formate, in denen wir sie erzählen, ständig überdenken und verbessern müssen.

Im Moment ist es tatsächlich so, dass wir darum kämpfen müssen. Nicht wie ein Dissident in China oder auf Kuba, aber kämpfen. Also tun wir es. Was denn sonst?

 

PS. Weil so viele schöne Links kommen, stelle ich hier welche hin:

– unbedingt angucken: Rufposten.de von Matthias Eberl, und da besonders das hier.

9 Antworten auf „Wir machen es (uns zu) einfach“

  1. Da spricht du mir aus der Seele.
    Ich bin selber im Online-Marketing bei einem Verlag tätig.

    An Ideen mangelt es nicht. Trägt man diese allerdings bei Leuten vor, die schon seit 30 Jahre gleich arbeiten und für die online nur eine lästige neue Erscheinung ist, bekommt man immer die gleichen Antworten.

    Wann sollen wir das denn auch noch machen?
    Für online ist kein Budget da.
    Bevor man damit kein Geld verdienen kann machen wir das nicht.

    Gleichzeitig jammern alle wie ungerecht doch die Internet Welt ist.

    Manchmal frage ich mich ob diese Arroganz gegenüber dem Internet eine Schutzhaltung oder wirklich mangelndes Wissen ist.

    Frustrierte Grüße

  2. vielen dank für den anregenden artikel.

    micropayment, das funktioniert und bezahlbar ist, könnte natürlich sehr weiterhelfen. ich habe auch schon von recht und schlecht erfolgreichen spendenkonzepten gehört, vom paypal-button mit erfolgsanzeige bis hin zu tim pritloves spendenaufruf für eine bahncard100, die er damit locker finanzieren konnte.

    das sind natürlich keine tragfähigen konzepte für eine mehrköpfige redaktion. breite forschung darüber würde sich aber meiner meinung nach sehr lohnen. die besten konzepte sind vermutlich noch nicht erfunden.

    (der erste satz im artikel ist krumm).

    .~.

  3. @fisch82:
    Unglücklicherweise ist diese Arroganz gegenüber dem Internet eine (ganz üble) Mischung aus Beidem. Und wird es leider noch so lange bleiben, bis die nächste Generation endlich nachrücken kann….

  4. Zunächst mal Kompliment für diesen nachdenklichen und gleichzeitig ermutigenden Text. Die Sache mit den Slideshows ist eine sehr inspirierende Idee. Seit geraumer Zeit schon überlege ich mir (und da bin ich sicher nicht der einzige), was wohl eine angemessene Darstellungsform für den Online-Journalismus sein könnte, die gleichzeitig die großartigen Möglichkeiten, die dieses Medium bietet, nutzt, und dennoch auch wertvolle(re) Inhalte transportiert. Bei den Slideshows gefällt mir der (dynamische) Einsatz von (stillen) Bildern, der deutlich mehr zu transportieren in der Lage scheint als die oft sehr oberflächlich und zudem noch technisch schlecht gemachten Video-Clips.

    Derzeit verfolge ich mit einigem Unmut, dass der Online-Journalismus auf breiter Front den Weg des Fernsehens geht und hinter einer zunächst schillernd scheinenden Fassade zum großen Teil doch nur Plattitüden liefert. Wenn ich mir die Online-Auftritte der meisten Zeitungen und Magazine anschaue, dann kommt mir das Internet vor wie ein Tier, dass permanent gefüttert werden muss. Womit scheint dabei zweitrangig. Dem Fluch, ständig etwas neues bringen zu müssen, ist auch das Fernsehen schon erlegen. Ein Medium mit großartigen Möglichkeiten, dass journalistisch – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – komplett versagt hat.

    Als Print-Journalist (mit einer hohen Internetaffinität) ärgern mich die fortwährenden Diskussionen, in denen versucht wird, die beiden Medien gegeneinander auszuspielen. Wenn der Online-Journalismus seine eigene Sprache finden würde, würden dieses Diskussionen vielleicht weniger polemisch geführt. Als problematisch empfinde ich (nach meiner Beobachtung), dass derzeit quasi zwei journalistische Kulturen aufeinanderprallen. Da sind die „Jungen“, die oft auf die Print-Dinosaurier herabschauen, die die technischen Bedingungen des Netzes verstehen, denen aber oft die journalistische Erfahrung und Sorgfalt (und auch die Geduld) fehlt. Und da sind die „Alten“ (oft sind es auch die, die in den Verlagen die Entscheidungen zu treffen haben), denen jegliches Verständnis für Technik und Kultur des Internets abgeht, die es innerlich womöglich sogar ablehnen, die aber wissen (oder meinen), dass man auf diesen Zug irgendwie aufspringen muss.

    Über allem schwebt das Damoklesschwert der ungesicherten Finanzierung. Da bin ich selbst sehr gespannt, welche Antworten, da die Zukunft bringen wird. Ich kann die Verleger in ihren Sorgen ein Stück weit verstehen, muss Ihnen, Herr Pantelouris, aber auch an diesem Punkt völlig recht geben. Vielleicht sollten wir Journalisten uns erstmal Gedanken über ordentliche Inhalte machen, vielleicht klärt sich die Frage der Bezahlbarkeit dann (irgendwann) ganz von alleine …

  5. Ein großes Problem wird bei aller Diskussion um die Printkrise vergessen. Sie ist keine Krise, bei der ein Ende absehbar ist, sondern sie wird kein Ende finden. Es gibt mehrere große Probleme, die man nicht schönreden kann.

    Zum Einen lassen sich Online-Flächen schlecht vermarkten. Werbung auf Internetseiten wird, wenn sie nicht störend penetrant ist, schlechter wahrgenommen als Print-Werbung. Die TKPs von 10-30 Euro, die viele große Portale verlangen, sind meiner Meinung nach nicht zeitgemäß. Wenn ich weniger internetaffine Surfer, die sich nicht wie ich für Online Marketing interessieren und jeden Werbebanner aus Interesse inspizieren, frage, was auf den letzten Seiten für Werbung zu sehen war – sie wissen es nicht. Natürlich kann es sein, dass sie die Werbung unterbewusst wahrnimmt. Aber bewusste Wahrnehmung ist für die Werbekunden deutlich besser. Und letztlich kann man ohne die Werbekunden guten Journalismus niemals finanzieren.

    „Micro-Payment“ für gute Inhalte im Netz ist zum Scheitern verurteilt. Wer auf solch eine Zahlungsaufforderung stößt, klickt sich weiter zu Google und findet die gewünschten Infos im Nu kostenlos. Vielleicht nicht in genauso guter Qualität, aber meistens zufriedenstellend. Nur sehr wenige Publikationen können damit Erfolg haben. Zum Beispiel die Stiftung Warentest. Hier bezahlt man Geld, weil man einen unabhängigen und neutralen Testbericht sucht – der für die persönliche Kaufentscheidung mehr Wert ist, als er kostet und anderswo in der gleichen Qualität womöglich schwer zu finden wäre. Aber wenn ich mich über die Neuigkeiten aus Wirtschaft und Politik informieren will, habe ich viele andere Möglichkeiten.

    Das dritte und letzte Problem ist das schwindende Interesse an Politik, um die es bei gutem Journalismus ja häufig geht. Ich bin selbst 19 Jahre alt, aber ich habe viele Mitschüler, die überhaupt nichts von der Welt mitkriegen. Wenn zuhause keine Tageszeitung abonniert ist und man so automatisch täglich damit „konfrontiert“ wird, sind viele sogar zu faul oder zu desinteressiert, mal auf spiegel.de ein paar Nachrichten zu lesen. Und das sind teils auch richtig gute Schüler mit Einser-Abitur. Dass selbst die einfach kein Interesse haben, finde ich schon bedrohlich. Denn da kann der Journalismus noch so gut sein, sie werden nichts davon mitbekommen.

  6. Ich würde nicht sagen dass Micropayments grundsätzlich nicht funktionieren, es gibt nur verschiedene Bedingungen die erfüllt sein müssen (kein Anspruch auf Vollständigkeit):
    1. Die Qualität muss stimmen. Sie muss dem Leser einen wahren Mehrwert bieten, den er auch nicht ohne weiteres woanders bekommt. Sei es durch den unverwechselbaren Schreibstil, das Thema oder auch eine besondere Sorgfalt und Zuverlässigkeit. Dies kann auch bedeuten, dass es mehr Artikel für kleinere Zielgruppen geben muss, die dafür ein größeres Interesse und somit auch mehr Zahlungsbereitschaft bieten. Allgemeine Agenturmeldungen werden niemals durch Micropayments bezahlt werden, da diese woanders zu bekommen sind und ausserdem kaum genug Interesse hervorrufen um die Leute zum Zahlen zu bewegen.
    2. Die Qualität muss ausreichend „angeteasert“ werden. Nicht der ganze Artikel darf hinter der Bezahlmauer verschwinden. Das bedeutet allerdings, dass man sich über den Teaser deutlich mehr Gedanken machen muss als es manche Redaktionen bisher tun.
    3.Die Bezahlung muss dem Leser möglichst einfach gemacht werden. Es darf nicht mehr als eine Anmeldung und dann maximal 2 Klicks erfordern um einen Artikel zu kaufen. Hier sind auch die Verlage gefordert, ein gemeinsames Zahlsystem zu entwickeln, sodass der Leser für alle Onlinezeitungen etc sich nur einmal anmelden muss.
    4.. Das „Micro“ in Micropayments muss sehr viel ernster genommen werden. Wie viel genau ein Artikel kosten darf hängt wohl stark von Artikel und Zielgruppe ab, aber viel mehr als 1 oder 2 Cent sollten selbst für große Artikel nicht erreichbar sein.

    Ich persönlich glaube, dass gerade Reportagen (deren Niedergang ja in einem anderen Blogbeitrag lesenswert beklagt wurde) und andere Ausnahmeartikel durchaus das Potenzial bieten, Geld durch Micropayments zu verdienen. Dies setzt aber eine gewisse Qualität des Beitrags und technische Vorbereitung durch die Verlage voraus.

  7. Einen kleinen Gedanken möchte ich noch beisteuern (habe ich eigentlich schon gesagt, wie begeistert ich von den Gedanken in den Kommentaren bin? Nein? Also jetzt: Ich bin begeistert!): Ich bin auch der Ansicht, dass das Ende der Krise nicht abzusehen ist, wenn wir die Krise definieren als eine Krise der Anzeigenerlöse. Journalismus wird ja fast immer irgendwie quer finanziert: Mal bezahlt der Emir von Katar einen Fernsehsender und dann wieder eine Anzeige für einen Fernseher einen Reporter, der aus einem Bürgerkriegsgebiet berichtet – oder ein angeschlossener Affiliate-Shop ermöglicht einen Bericht über eine Landtagswahl im Saarland. Ich glaube, Journalismus ist kein grades Geschäft, war es nie und wird es vielleicht nie sein. Mir ist das recht, so lange ein Grundsatz gewahrt bleibt: Das Geschäft eines Verlegers ist es, das zu machen, was nötig ist, damit Journalismus möglich ist. Es ist nicht das Geschäft des Journalisten, Verlage möglich zu machen. Aber ich glaube, dass diese Krise eine Sache deutlich gemacht hat: Wir haben viel zu lange viel zu viel so genannten Journalismus gemacht, der kein anderes Ziel hatte, als Anzeigenkunden zu befriedigen. Das rächt sich nun: Die Anzeigenkunden bleiben weg – und wir haben keine Leser mehr, weil sie den Quatsch, den wir für die Anzeigenkunden verzapft und als Journalismus verkauft haben, nicht brauchen, wollen oder ernst nehmen können. Mehr als jede Krise macht uns zu schaffen, dass wir unser Gewerbe erniedrigt haben. Verleger oder Verlagsmanager sein bedeutet aus meiner Sicht eben auch, neben dem kaufmännischen Geschick eine publizistische Verantwortung wahrzunehmen. Ich glaube, die Krise basiert zu einem guten Teil darauf, dass kaum ein Verlag diese Verantwortung auch nur annähernd so ernst genommen hat wie die Zahlen unter dem Strich. Aber das muss nicht so bleiben. Wir haben es in der Hand, das zu ändern – und die Leser werden es sowohl merken als auch belohnen, wenn wir es ernst meinen. Das wird dauern und kostet Geld, aber daran sind wir selbst schuld. Insofern: Die Anzeigenkrise wird nicht enden. Die schicken Doppelseiten kommen nicht in dem Maße zurück, wie sie jetzt verschwunden sind. Und das Verlagsgeschäft wird weiterhin nicht grade sein. Aber wenn ein Verleger den brennenden Wunsch hat, publizistische Visionen umzusetzen, wird er einen Weg finden (übrigens lebt der Bauerverlag gut praktisch ohne Anzeigen). Wir sind dann allerdings in der Pflicht, das beste draus zu machen und unsere Pressefreiheit zu nutzen. Besser als bisher.

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