Helden.

Kaiserwetter. Ein Tag, um Helden zu zeugen, und gleichzeitig der Tag, der bestimmt ist von dem Schatten der Trauer um die beiden in Misurata getöteten Fotografen Tim Hetherington und Chris Hondros.
Ich habe nun den ganzen Tag über immer wieder über die beiden gelesen oder Nachrichten im Radio gehört, und ich muss sagen, ihre Geschichte macht mich doppelt traurig. Ich könnte keinen größeren Respekt haben als vor Kollegen, die unter gefährlichen Umständen der nobelsten Aufgabe unseres Berufes nachgehen: Der Welt zu zeigen, wie es wirklich ist.

Und ich finde, es muss Journalisten auch erlaubt sein, als Gruppe besonders um die eigenen Kollegen zu trauern und mit ihren Familien zu fühlen. Mir geht es genau so.

Aber ich finde, wer das Eine tut, muss das andere nicht lassen: Die ausführliche, respektvolle und wichtige Berichterstattung über den Tod der beiden Kollegen zeigt aus meiner Sicht einmal mehr auf, wie wenig wir eigentlich über diejenigen berichten, die in unserem Auftrag den wohl noch gefährlicheren Dienst tun, irgendwo am Ende der Welt.

Ich war und bin gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, aber gerade deshalb finde ich es wichtig, es immer wieder zu sagen: Als Bürger dieses Landes, als Nachbar, als Freund, gelten meine Gedanken, meine Solidarität und mein Respekt nicht nur den Kollegen, die über kriegerische Auseinandersetzungen überall auf der Welt berichten, sondern auch den Frauen und Männern in Uniform, die nicht mit ihren Familien Ostern feiern können, weil wir sie in solche Auseinandersetzungen schicken. Ich hoffe, sie kommen bald nach Hause. Aber wichtiger noch als bald: Ich hoffe, sie kommen gesund und sicher nach Hause.

Ich weiß, ich neige zum Pathos. Aber manchmal muss man Dinge einfach sagen. Frohe Ostern!

Standard der Reichen

Die Rating-Agentur Standard & Poor’s hat den USA gerade eine makellose Kreditwürdigkeit bescheinigt (AAA), dabei aber angedeutet, es könnte in der Zukunft einmal so etwas wie ein Hauch eines Zweifels an der Zahlungsfähigkeit des Landes aufkommen. Mit anderen Worten: amerikanische Staatsanleihen sind heute nach Meinung von S&P todsicher, werden aber möglicherweise einmal nur noch sehr sicher sein. Klingt langweilig? Schon, aber nur, wenn man sich für Wirtschaft interessiert. Wenn man stattdessen hauptberuflich darüber schreibt, dann kann man sich davon zu einer Menge spannender Zeilen inspirieren lassen.

Spiegel-Online schreibt von einer „Rating-Schmach“, die Frankfurter Rundschau kommt in einer so genannten Analyse zu dem Schluss, die „Weltschuldenmacht“ habe nur noch eine „letzte Chance“, alles überragend weiß aber vor allem die FAZ, was Barack Obama jetzt tun muss: Unter der irreführenden Headline „Herabgesetzt“ fordert Patrick Welter, Obama müsse jetzt mal ganz schnell damit aufhören, dauernd Dinge für die Armen zu tun.

Während andere Länder einen mittelfristigen Defizitabbau beschlossen und mit der Umsetzung begannen, musste in Amerika die Sanierung des Staatshaushaltes hinter großen Sozialprojekten wie der Gesundheitsreform zurückstehen. […] Die Quittung für diese Sorglosigkeit hat Obama jetzt erhalten.

Obama setze auf „wundersame Einsparungen in den Sozialversicherungen“ während die Republikaner „sich im Interesse des Wachstums jeglicher Steuererhöhung“ verweigerten. Die Argumentation ist so derart simpel, dass es fast wehtut: Jeder Sozialstaat ist schlecht, Steuersenkungen sorgen für wirtschaftlichen Aufschwung.

Das allein wäre noch nicht unbedingt verwunderlich, denn natürlich ist all das schon tausendfach widerlegt, aber da jede Art von Prognose sich auf die Zukunft bezieht, mag meinetwegen jeder seine Meinung haben und mit einer Art Argumentationssimulation tarnen. Mein Problem ist ein ganz anderes: Die Empfänger der Botschaft vom schlechten Sozialstaat und der Mär von der erdrückenden Schuldenlast sitzen nämlich ganz eindeutig nicht in den USA. Wie nichtig die Nachricht über die unverändert perfekte Bewertung der USA tatsächlich ist, lässt sich nämlich sehr einfach an der Reaktion der Menschen ablesen, die tatsächlich etwas von der Materie verstehen: Gäbe es auch nur den Hauch eines Zweifels an der Kreditwürdigkeit der USA hätten die Zinsen für US-Staatsanleihen am Montag steigen müssen. Tatsächlich sind zum Beispiel die für 10-jährige Bonds gefallen. Und am Dienstag wieder. Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman nennt die S&P-Bewertung auf seinem Blog einen „Non-Event“.

Das zum Anlass zu nehmen, derart abenteuerlich die Tatsache anzugreifen, dass zigmillionen US-Amerikaner zum ersten Mal eine Krankenversicherung haben, hat offenbar ein anderes Ziel. Nachdem die Hetze auf Hartz-IV-Empfänger ja von der Bild schon wieder eröffnet wurde, bin ich gespannt, wann wir uns angeblich deren Krankenversicherung nicht mehr leisten können.

Der beste Text der Welt

Im Zeit-Magazin berichten gerade Journalisten-Kollegen selbstkritisch über Fehler, die sie gemacht haben, und es ist bizarr für mich, das zu lesen, weil ich ganz eindeutig selbst in meinem allerbesten Text mehr Dinge geschrieben habe, für die ich mich schäme, als der normale Zeit-Magazin-Redakteur in seinem schlechtesten. Ehrlich gesagt: Das, was sie beschreiben, sind aus meiner Sicht nicht einmal Fehler. Puh.

Ich werde hier jetzt mal von einem Fehler erzählen, der echt einer war, aber es war bei weitem nicht mein schlimmster. Es ist auch mehr so ein Grundfehler, der sich bei passenden Gelegenheiten einen Weg nach außen bahnt: Ich bin kompliziert. Ich bin zu kompliziert, auch und vor allem in dem Sinne, dass ich alles auf der Welt für kompliziert halte. Wann immer ich jemanden lese oder höre, der behauptet, irgendetwas wäre eigentlich ganz einfach, glaube ich kein Wort mehr. Und dann kam mein Freund Oliver Wurm und meinte, Die Bibel wäre eigentlich ein guter Text, aber typografisch praktisch unlesbar. Das müsste man ändern und ein Magazin draus machen. Ich habe ihm gesagt, das wäre von all seinen Ideen die allerschlechteste aller Zeiten. Und Oli hat so ungefähr alle 37 Sekunden eine Idee.

Das war eine ziemliche Diskussion, und sie war doppelt fies, weil es meine Bibel war, über die er geredet hat. Ich lese ziemlich gerne in der Bibel, vor allem auf Reisen, deshalb habe ich eine sehr schöne, in Leder gebundene Reisebibel – klein und auf dünnen Papier gedruckt. Es würde jetzt zu weit führen, mein eher eigenes Verhältnis zur Religion zu erklären, das ist natürlich auch nicht einfach einfach, aber im Nachhinein muss ich feststellen, dass mir wahrscheinlich das Lesen in der Bibel auch deswegen so viel gibt, weil es kompliziert ist. So viele Bedeutungen, Auslegungen, Interpretationen – ich verstehe eigentlich kaum einen Satz in der Bibel so, wie er da steht. Ich käme gar nicht auf die Idee, einen Vers als Beschreibung irgendeiner historischen Realität zu verstehen, nicht einmal, weil ich es nicht für möglich hielte, sondern vor allem deshalb, weil ich eben so nicht lese.

Es ist … kompliziert?

Die Bibel lesbar machen, vielleicht sogar schön, vielleicht sogar – es fällt mir schon schwer, das überhaupt so aufzuschreiben – so zu gestalten, dass es nicht mehr wie harte Arbeit wirkt, sie zu lesen … schwingt dabei nicht auch so etwas mit wie die Aussicht darauf, sie tatsächlich zu verstehen? Das fühlt sich für mich ein wenig an, als würde ich nach Jahrzehnten aus einem Gefängnis entlassen: Natürlich war es immer mein Wunsch, aber wenn es so nah ist, macht es auch ein bisschen Angst. Ist das Tolle an der Bibel nicht gerade, dass sie keiner versteht? Und deshalb eben jeder so, wie er will?

Es ist kompliziert.

Und es ist ganz einfach: Oli hat in unendlicher Kleinarbeit zusammen mit dem Art Direktor Andreas Volleritsch das Neue Testament als Magazin gestaltet. Und es ist wunderschön geworden. Sie sind sogar noch weiter gegangen, als ich auch nur hätte denken können, und haben einige Fotos aus den Oberammergauer Passionsspielen (oder wie auch immer die genau heißen) mit „ins Heft“ genommen, und das ganze Paket hat eine Wucht, zu der mir kein Vergleich einfällt.

Das Lustige daran ist: Bei all den komplizierten, teilweise deprimierten und genervten Gedanken über Medien, den Journalismus und das Große Ganze, die ich mir manchmal mache, fällt mir kein einziges Produkt ein, das so klar und eindeutig die Vorzüge journalistischer Darstellung aufzeigt wie Die Bibel als Magazin. Ein großartiger, ewig langer Text – aber so präsentiert, dass er keine Angst macht, sondern Lust darauf, ihn zu lesen.

Ist doch gar nicht so schwer.

Das Neue Testament als Magazin gibt es am Kiosk oder unter bibelalsmagazin.de für 9,20 Euro