Mein liebes Kindle – ist das der Durchbruch?

Seit einiger Zeit werden Journalisten mit Fragen bedrängt, über die wir uns vorher nie Gedanken gemacht haben, und von denen wir sogar behauptet hätten, es würde uns und unserem Journalismus schaden, wenn wir sie uns stellen müssten. Die wichtigste davon ist: „Wo ist das Geschäftsmodell?“

Ich weiß nicht, ob es dem Journalismus schadet, dass wir uns den Kopf darüber zerbrechen – ich halte es für möglich. Sicher ist aber, dass es sehr viel Zeit frisst. Insofern freue ich mich, wann immer wieder jemand etwas gefunden hat, von dem behauptet wird, es wäre jetzt endlich das Neue Große Ding – der Durchbruch.

Der Kindle, das elektronische Lesegerät von Amazon, ist wieder so ein Ding, und als mehr oder weniger süchtiger Techie habe ich mir die internationale Edition bestellt, als sie letzte Woche auf den Markt kam.

Es ist ein wunderschönes Gerät, elegant und flach und – ich kenne kein deutsches Wort dafür – sleek. Und man kann damit – einige Jahrhunderte nach Erfindung des Buchdrucks – fast genau so gut Bücher lesen wie in einem Buch. Allerdings kann man sehr, sehr einfach (und zu einem guten Preis) sehr viele (nicht alle) Bücher kaufen und gleichzeitig mit sich herumtragen. Für mich ist das ein gigantisches Argument, weil ich sehr viel lese, ohne sehr viel Zeit zu habe. Immer ein Buch dabei zu haben für die paar Minuten, die ich mir irgendwo nehmen kann, ist für mich eine Offenbarung (im Moment gibt es praktisch nur englische Bücher im Kindle-Store, auch das muss man mögen. Ich mag es).

Aber, wie bei so vielem, macht der Kindle und der Hype, der um ihn herum gemacht wird, etwas ganz anderes deutlich: Unser Verlangen nach Durchbrüchen – nach plötzlicher, rapider Veränderung, die alles zum Guten wendet. „Mein liebes Kindle – ist das der Durchbruch?“ weiterlesen

Das Leistungsschutzrecht – oder: Wie bastle ich mir ein Gesetz

Die Schwatzgelben planen nun offenbar ein Leistungsschutzrecht (LSR) für Verlage, vermeldet die (großartige und recht verlagsferne) Online-Publikation Carta, die offenbar an einen Entwurf des entsprechenden Teil des Koalitionsvertrages gelangt ist – und wenn dieser Entwurf in Gesetzen münden würde, wäre der Carta-Text von dem geplanten Leistungsschutzrecht möglicherweise nicht geschützt, weil Carta als selbsterklärter „Autoren-Blog“ wahrscheinlich gar nicht als „Presseverlag“ anerkannt wäre. Und für die soll das Leistungsschutzrecht ja gelten. Diese Welt ist schon manchmal lustig.

Ganz kurz für alle, die das LSR bisher nicht genug interessiert hat, um nachzulesen, was das soll: Es würde bedeuten, dass Presseverlage wie z. B. Musikverlage eine Gesellschaft gründen könnten, die für jede öffentliche „Aufführung“ eines von einem Verlag produzierten Inhaltes Geld einsammeln und an den Verlag auszahlen könnte. Bei Musik macht das die GEMA, die von jedem Radiosender, Clubbetreiber und Konzertveranstalter Gebühren für die gespielte Musik erhebt und an die Rechteinhaber verteilt.

Das klingt im ersten Moment logisch, aber das ist es nicht, und mein Magen zieht sich immer stärker zusammen, je länger ich versuche, dieses System zu durchdenken. Denn es geht hier ja nicht darum, dass ein Autor oder ein Fotograf die Rechte an seinen Werken behält, auch nicht darum, dass Verlage für eine unerlaubte Nutzung wesentlicher, originärer Teile einer Arbeit entschädigt werden. Das ist längst geregelt, und zwar im Urheberrecht. Das Leistungsschutzrecht geht darüber hinaus – in einem Wort zusammengefasst geht es natürlich um Google: Der Suchmaschinenbetreiber soll für jedes Mal, bei dem er die Headline und die ein, zwei oder drei Zeilen, die er im Suchergebnis ausgibt, bezahlen. Denn schließlich steht neben dem Suchergebnis potenziell eine Anzeige, mit der Google Geld verdient. Die großen Medienkonzerne des Landes und mit ihnen die Neu-Koalitionäre sind der Ansicht, Google müsste für diese Möglichkeit, Geld zu verdienen, eine Art Zugangsgebühr bezahlen. Ich bin völlig anderer Ansicht. Und die komplette Konstruktion dieses Schutzrechtes ist so obskur, dass in der Argumentation seiner Verfechter nur noch der Satz fehlt „der Pantelouris hat recht“ um klarzustellen, dass ich recht habe. Alles andere ist gesagt.

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Wer feiern kann, kann auch Gala Men lesen

Prolog: Sie werden nachher gebeten werden, Ihren Penis auf ein Blatt Papier zu legen. Ich sag das nur vorweg, damit dann keine Klagen kommen.

Und ab dafür:

Diese Welt ist eine rätselhafte, und das ist insgesamt nur verstärkt worden dadurch, dass es seit heute Gala Men gibt – selbst wenn es, wie ich vermuten würde, bei diesem

einen Mal bleibt. Dabei ist Gala Men anders, als ich sie erwartet hatte: Niemand konnte ernsthaft davon ausgehen, dass dieses Heft tatsächlich so etwas wie ein Beitrag zum Kanon dessen hätte werden können, was Männer heute sind – das gibt zum einen die Marke gar nicht her (die einzige assoziative Verbindung zwischen einer Gala und einem Mann, die mir einfällt, ist eine Ausgehuniform) und zum anderen war schon nach den ersten Ankündigungen klar, dass hier der Versuch nicht einmal unternommen werden sollte.

So stand Anfang September bei Kress: „Zielgruppe sind gut betuchte Familienväter mit Interesse an Mode und Beauty, die gleichzeitig bodenständig und aufgeklärt sind. Statt nackter Frauen gibt es auf dem Cover die Crew vom Männer-Versteher-Film „Männerherzen“, der im Herbst anläuft. Nackte gibt es auch im Heft nur mit „Vogue“-Anspruch, so Lewandowski. Im Erstling ist das eine kunstvoll fotografierte Bilderstrecke mit der halbnackten Kate Moss.“ Und weil ich selbst vielleicht kein gut betuchter aber immerhin meistens ordentlich verdienender Familienvater mit so etwas wie einem verkümmernden Interesse an Mode (wenn doch die Kinderkotze nicht wäre…) bin – das Interesse an „Beauty“ lassen wir mal außen vor, das hat überhaupt kein Mann, das steht da nur für Anzeigenkunden – und außerdem bodenständig (wenn auch nicht ständig) und sowas von aufgeklärt, bin ich praktisch mitten in der Zielgruppe – vielleicht mehr als je zuvor bei irgendetwas in meinem Leben. Gala Men müsste perfekt für mich gemacht sein. Allerdings gebe ich auch zu, dass ich nicht auf ein perfekt auf mich zugeschnittenes Heft von Gala gewartet habe. Ich habe vorher eher gedacht, ich bräuchte das nicht. Und nun, wo ich eines besitze, bin ich einigermaßen verwirrt. Vielleicht liegt es an mir, aber ich habe das Gefühl, das ganze ist eine Art sehr komplizierter Scherz auf meine Kosten. Ich werde mal versuchen zu erklären, warum.

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Verkappte Werbung. Für mich selbst.

Nur noch ein Tag, bis Gruner & Jahr eine Art Herbstoffensive starten und mit drei neuen Männerheften an den Markt gehen (BusinessPunk, Beef und Gala Men), und ich werde eine Meinung dazu haben, aber vorher lade ich anderer Leute Meinungen ein – zu mir selbst: Ihre, eure, deine. Denn es sind ein paar erstaunliche Dinge passiert, seitdem ich vor einem halben Jahr angefangen habe, Meinungen, die ich sowieso habe, in diesen Blog zu schreiben und öffentlich zu machen.

Zum einen lesen diesen oder dieses Blog sehr viel mehr Menschen, als ich erwarten konnte, vor allem als einer, der nicht einmal weiß ob es der oder das Blog heißt (ich selbst sage der Blog und finde ihn männlich, aber es ist mir auch irgendwie egal). Das macht mir einen irren Spaß und ich freu mich drüber, vor allem weil es nicht einmal im Ansatz geplant war, was man schon daran sehen kann, dass überhaupt nichts mit diesem Blog geplant war oder ist.

Ich kann die echten Klickzahlen mit meiner Billigvariante von Bloghosting nicht sehen, weil ich an den Quellcode der Seite nicht herankomme und alle anderen Trackingtools, die ich teilweise parallel ausprobiert habe, unglaublich unterschiedliche Ergebnisse auf jeder Ebene ausspucken. Irgendwann mache ich das alles schön hier, aber erstmal muss ich auch sagen: Was solls. Ich will ja keine Werbung verkaufen. Bizarrerweise habe ich mit dem (!) Blog aber inzwischen zumindest mittelbar trotzdem Geld verdient, denn er hat mir zwei Aufträge eingebracht: Ich habe hier vor Monaten die erste Ausgabe von Nido besprochen und teilweise kritisiert, und später auch den Playboy im Allgemeinen besprochen und heftig kritisiert. In beiden Fällen haben sich kurz danach die Chefredakteure gemeldet mit dem Hinweis, ich dürfte herzlich gerne dabei helfen, es besser zu machen. Deshalb sind in der nächsten Ausgabe von Nido zwei und in der nächsten Ausgabe vom Playboy eine Geschichte von mir. Was bedeutet, ich kann die Hefte jetzt schlecht kritisieren. Aber jeder andere kann. Ich freu mich über Feedback. Und es wäre doch echt ein gutes Gefühl, den Playboy wirklich mal wegen eines Artikels zu kaufen, oder?

Some Girls are bigger than others (and some are in Paris)

ACHTUNG: Dieser Text ist eine Art Meditation über dicke und dünne Frauen, recht lang, leicht philosophisch und echt langsam. Wer das hier nur liest, weil sie es lustig fanden, dass ich gestern so hart und aus der Hüfte auf Berliner Verleger eingehauen habe, der wird enttäuscht sein. Das sag ich nur vorweg, damit hinterher keine Klagen kommen. Aber jetzt geht’s los.

Die Brigitte will ab nächstem Jahr keine professionellen Models mehr für Modeproduktionen einsetzen, sondern „echte Frauen“, was nach meinem Verständnis jeder, der es hört, versteht als „nicht ganz so dünne Frauen“, was schnell zu „dickere Frauen“ wird und – in der Kurzform, in der man sich bei uns im Büro unterhält – also mit „in der Brigitte sind jetzt dicke Frauen“ umschrieben wird. Und ich finde: hoffentlich stimmt das.

Für mich ist die neue Regel am Ende vor allem ein Zeichen dafür, dass ein Medium sich noch näher an seine Leser heranrückt, was für mich der Kern aller Bemühungen in den „Neuen Medien“ sein muss. Leserinnen als Models sind ja auch User Generated Content, irgendwie. Und aus Sicht der Leser(innen)-Blatt-Bindung ist das unfassbar schlau. Ich bin also dafür. Und ich finde die Idee nicht nur gut, ich finde sie auch neu und mutig (warum genau erkläre ich nachher). „Some Girls are bigger than others (and some are in Paris)“ weiterlesen

Nochmal aktualisiert: Boykottiert Quality!

Am Donnerstag erscheint die zweite Ausgabe von Constantin Rothenburgs Magazin Quality, und ich nehme das zum Anlass, meinen längst überspannten Kragen platzen zu lassen. Die erste Ausgabe erschien im Mai, und ich rufe dazu auf, die zweite Ausgabe nicht zu kaufen, bis nicht wenigstens alle Rechnungen der freien Mitarbeiter der ersten Ausgabe bezahlt sind – denn das sind sie nicht.*

Es ärgert mich doppelt und dreifach, dass es ausgerechnet solch große Labertaschen sind, die den ersten und einfachsten Schritt professioneller Arbeit nicht beachten. Denn natürlich muss man in diesem Zusammenhang eigentlich Markus Peichl an erster Stelle nennen, der uns nicht nur jedes Jahr erklärt, wie Magazine sein müssten, sondern auch noch einen sehr enspannten Lifestyle pflegt, während seine Mitarbeiter so lange auf ihr Geld warten müssen, dass sie nicht wissen, wovon sie leben sollen (wenn sie es überhaupt jemals kriegen). Wenn Schlussredakteure bis vor Gericht ziehen müssen, um ihr Geld zu bekommen, während der Herr Herausgeber Geld genug hat, seine Potsdamer Villa zu restaurieren, dann finde ich das ekelhaft. „Nochmal aktualisiert: Boykottiert Quality!“ weiterlesen

Hamburger Verklärung

In Ermangelung einer echten nächsten Runde versuchen versuchen die deutschen Verleger nun offenbar noch einmal, Google an das Bein, das man ihnen nicht stellen konnte, wenigstens zu pinkeln: Nach einem Bericht des Branchendienstes Horizont prüfen die Verleger eine Klage wegen Verstößen gegen das Kartellrecht. Viel versprechend wird die Prüfung nicht ausfallen: Dass Google in seinen Suchergebnissen eigene Seiten bevorzugt wird nicht zu beweisen sein, vor allem, weil es wahrscheinlich nicht so ist. Und an welcher Stelle Google sonst seine marktbeherrschende Stellung zum Schaden anderer ausnutzt, wird auch für bessere Juristen als mich schwer zu argumentieren sein, vor allem von den Verlagen, die einen großen Teil ihres Traffics von Google beziehen. Nach der Hamburger Erklärung ist es einfach noch ein Anlauf, es echt total unfair zu finden, wenn ein anderer gewinnt.

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Manufakturen?

Wenn man von Dresden aus vierzig Kilometer nach Südosten fährt, durch windige, herbstbunte Täler ohne Handyempfang, der landet in Glashütte, der Heimat der Zeit. Hier werden seit 160 Jahren Uhren gebaut, seit der Wende wieder einige der besten der Welt. Zehn Firmen stellen inzwischen in Glashütte Uhren her, drei von ihnen in so genannten Manufakturen. Und nachdem Bernd Buchholz meint, dass Magazine bei Gruner & Jahr einige Dinge zwingend selbst machen müssten, sich andere Bauteile ihrer Hefte aber auch einfach aus den „vielen Manufakturen im Haus“ dazuholen könnten, um Kosten zu sparen, lohnt es sich vielleicht, sich ein paar Eigenheiten jener legendären deutschen Manufakturen in einer ganz anderen Branche einmal anzusehen. Denn ich glaube, dabei sind ein paar Dinge zu erkennen, die man richtig und falsch machen kann.

Das Geschäft mit Uhren ist ein merkwürdiges: Eigentlich braucht heute ohnehin kaum noch jemand eine Armbanduhr,weil jeder ein Handy hat, dass ihm die Zeit anzeigt, so sind Armbanduhren inzwischen eher ein Schmuck als ein Instrument, was ein bisschen unserer Zeit enspricht, in der Funktionen sowieso eher Ausdruck von Träumen sind als eine Notwendigkeit (ich habe einmal gelesen, nur zwei Prozent der Vierrad-getriebenen Autos in Deutschland verlassen jemals geteerte Straßen). Aber die Uhrenindustrie hat noch eine Eigenheit, die so skurril ist, dass sie jemandem, der sich für Uhren gar nicht begeistern kann, eigentlich nicht mehr vermittelbar ist: Die teuren Uhren sind in ihrer Funktion im Prinzip schlechter als die billigen. Konkret: Eine Zwanzigtausend-Euro-Uhr aus einer Manufaktur in Glashütte zeigt die Zeit nicht genauer an als eine Hundert-Euro-Digitaluhr aus einer Fabrik in Japan – im Gegenteil: Mit hoher Wahrscheinlichkeit geht der Japanwecker genauer.

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