Don’t call us. We won’t call you. Ihre Lufthansa

Ich habe mich an dieser Stelle vielfach darüber ausgelassen, dass ich glaube, Journalisten sollten für ihre Leser erreichbar sein, im übertragenen wie im wörtlichen Sinne. Aber wir sind nicht die einzigen, und deshalb benutze ich diesen Blog an dieser Stelle ausnahmsweise für eine persönliche Geschichte – ganz einfach, weil es die einzige Stelle ist, wo ich sie loswerde. Ich ärgere mich über die Lufthansa. Ich ärgere mich wirklich sehr. Allerdings ist der einzige Weg, das der Lufthansa mitzuteilen der, einen Brief oder ein Fax zu schicken. Das haben wir getan, nur genützt hat es nichts. Jetzt stehe ich da mit meinem Ärger wie ein Leserbriefschreiber, dem nicht geantwortet wird, und weil es bei der Lufthansa keine weitere Stelle gibt, um meinem Ärger Luft zu machen, mache ich es eben hier.

 

Die kurze Version geht so: Wir haben bei der Lufthansa für unsere Verhältnisse recht viel Geld bezahlt, um sicher und angenehm in den Urlaub zu fliegen. Tatsächlich hat eine Reihe von Fehlern dazu geführt, dass wir nicht nur einen Teil umsonst ausgegeben haben, sondern dafür auch noch unsicher geflogen sind. Aus meiner Sicht hat die Lufthansa meine Familie in Gefahr gebracht. Und das ist tatsächlich die beste Art, mich sehr schnell sehr wütend zu machen.

 

Die längere Variante: Meine Frau hat Flugangst, nur beim Start und bei der Landung, aber ziemlich heftig. Aus irgendeinem Grund, der tief in ihrer deutschen Kindheit verwurzelt sein muss, am wenigsten bei der Lufthansa. Genau genommen kriege ich sie in Flugzeuge anderer Linien praktisch nicht hinein. Gleichzeitig verfolgt sie sehr genau die Berichte, nach denen der so genannte Loop-Belt, mit dem Kleinkinder auf dem Schoß ihrer Eltern fixiert werden, im Falle eines Falles echte Todesfallen sein können (sie werden bald verboten werden, das EU-Parlament hat gestern wieder darüber beraten). Und wir haben eine unter zweijährige Tochter. Aber, was für ein Glück, seit jüngerer Zeit bietet auch die Lufthansa die Möglichkeit an, das Kleinkind auf einem dafür zugelassenen Sitz auf einem eigenen Platz zu befestigen – natürlich nur, wenn man den Platz bezahlt. Das ist, zitierte meine Frau triumphierend eine Lufthansa-Information, also letztlich auch eine „Frage des Preises und des Komforts“. Als nächstes rief sie bei der Lufthansa an und fragte, ob unser Auto-Sitz-Modell für Flugzeuge zugelassen ist. Man sagte uns, das wäre er. Also haben wir für unsere Kleinste einen eigenen Sitz gebucht. Normalerweise zahlen Kleinstkinder (die auf dem Schoß reisen) praktisch nur Steuern und Gebühren, aber wir haben 450 Euro für den Platz bezahlt. Und ohne Jammern zu wollen: Wir sind eine junge Familie, für uns ist das echtes Geld. Aber die Aussicht, dass die Frau beruhigter fliegt, das Kind vielleicht tatsächlich im Flugzeug schläft und im Falle eines Falles die Kleine so sicher wäre wie eben möglich war uns das wert.

 

Und tatsächlich: Auf beiden Flügen (wir mussten umsteigen) schlief sie selig auf ihrem Platz am Gang, Frau Pantelouris war entspannt und wir waren glücklich und zufrieden. In diesem Moment hatte ich noch nicht den Hauch einer Ahnung, was bis hierhin bereits alles schief gegangen war. Aber dann kam der Rückflug.

 

Beim Boarding in Athen machte ich den Sitz wieder auf dem Gangplatz fest, als eine sehr nette Stewardess kam und mir erklärte, dass man den Kindersitz sowieso unter gar keinen Umständen auf dem Gangplatz befestigen darf, weil die  die Passagiere auf Mittel- und Fensterplatz  bei einer Evakuierung nicht aus der Sitzreihe kommen. Eigentlich logisch. Ich kam mir vor wie ein Idiot, weil ich da nicht selbst drauf gekommen bin, aber gleichzeitig fiel mir natürlich auf, dass nicht nur eine sondern gleich zwei Lufthansa-Crews auf dem Hinflug keine Einwände dagegen hatten, dass ich meine Frau und meine ältere Tochter so in eine Sitzreihe sperre, dass sie sie bei einem Notfall nicht mehr verlassen können. Zwei komplette Kabinen-Crews auf insgesamt fast vier Stunden Flug. Und es waren keine kleinen Flugzeuge. Ich bin also an sechs oder acht Stewards und Stewardessen geraten, die nicht einmal die grundlegendste Schulung in Bezug auf den Umgang mit Kindersitzen noch nicht gemacht hatten (und ihren gesunden Menschenverstand offenbar ausgeschaltet hatten). Aber, wie gesagt, das sind nur Basics, über die Details müssen wir gesondert reden: Unser Sitz war überhaupt nicht für den Gebrauch im Flugzeug zugelassen.

 

Nicht nur hätte uns der Mann am Telefon aufgrund der Modellbezeichnung sagen müssen, sondern beide Besatzungen der Hinflüge hätten kontrollieren müssen, ob der Sitz den entsprechenden Aufkleber hat (unser Sitz ist nicht unsicher, er hat nur den Aufkleber nicht. Es ist irgendein Maxi-Cosi).  Und nun waren wir an die erste kompetente Stewardess geraten, leider im komplett falschen Moment. Und da stand ich: Meine Frau, die ein durchsetzungsfähiger Mensch mit orientalischem Temperament ist Auge in Auge mit einer sehr fähigen Stewardess, die absolut nichts tun würde, das ihren Flug gefährden könnte. Nun ist es so, dass natürlich auch die Stewardessen wissen, dass ein Kindersitz im Gegensatz zu dem Loop-Belt ungefähr dem Unterschied entspricht zwischen Fort Knox und einem Fahrradschloss. Aber die Vorschriften sind anders. Und im Prinzip sehe ich ein, dass es für die Fliegerei insgesamt richtig und wichtig ist, dass sich alle an die Vorschriften halten. Wir standen da und hatten die Option, dass Flugzeug zu verlassen oder das Kind auf den Schoß zu nehmen. Oder, um die Worte der Lufthansa zu gebrauchen, wir konnten auf Komfort und Sicherheit verzichten dafür, dass wir wenigstens mitkamen. Und zu Hause drückten die Termine. Wir sind geflogen.

 

Es war natürlich ein Scheißflug: Die Kleine schrie die ganze Zeit (bizarrerweise durften wir sie immer dann, wenn die „Anschnallzeichen erloschen“ waren, auf ihrem Kindersitz (am Fenster) festschnallen. Also nur dann nicht, wenn es wichtig gewesen wäre).  Die Mutter war schweißgebadet vor Angst, bei einer Turbulenz oder einer plötzlichen Verzögerung während einer Landung ihr Kind zu zerdrücken und es war in etwa genau das, was man zum Abschluss eines Urlaubes nicht will. So viel Erholung kann man nicht tanken, dass man die Anstrengung, die Angst und den Ärger eines solchen Fluges einfach wegsteckt. Frau Pantelouris war natürlich unfassbar sauer.

 

Nett war allerdings: Während des Fluges kam die Purserin (Purserette? Oder auch nur Purser?) zu uns und erzählte uns, diese Art Probleme gäbe es leider öfter. Sie würde uns einen Brief mitgeben, indem sie empfehlen würde, uns wenigstens für den Flug zu entschädigen. Und tatsächlich: Als wir ausstiegen, hatte sie auf einer ganzen Seite handschriftlich unseren Fall geschildert und eine Entschädigung empfohlen. Wir waren fast so etwas wie versöhnt, auch wenn ich immer noch sauer war, dass die Crews auf dem Hinflug mir erlaubt hatten, meiner Frau und meiner Tochter eine Todesfalle in der Sitzreihe zu bauen. Aber gut, es war ja nichts passiert.

 

Zurück zuhause haben wir festgestellt, dass man bei der Lufthansa in einem Fall wie unserem niemanden anrufen kann. Man kann auch keine Email schreiben. Man kann nur ein Fax schicken oder – old school – einen Brief. Wir schrieben ein Fax. Und ein paar Tage später kam die Antwort: Die Lufthansa entschuldigte sich bei uns in einem Formbrief, man würde uns versprechen, dass die Crews in Zukunft besser geschult würden. Das war’s. Keine Geste der Wiedergutmachung. Natürlich sowieso keine Entschädigung. Nicht einmal die Rede davon. Und niemand, den man anrufen kann, um noch einmal nachzufragen.

 

Ich weiß nicht genau, was ich daraus machen soll. Ich liebe die Lufthansa. Ich fliege sehr viel, und es gibt Wochen, da sitze ich praktisch jeden Tag in einem Flugzeug. Für mich ist die Lufthansa dann oft schon eine Verlängerung von Heimat, wenn ich die Beine lang mache, mir Kopfhörer aufsetze und ein Feierabendbier nehme. Aber so etwas geht nicht.

 

Wir sind eine junge Familie, vielleicht sind wir übervorsichtig. Aber hier haben sich Fehler an Fehler gereiht, und jeder einzelne hat dazu geführt, dass eins von meinen Mädchen bedeutend weniger sicher war, als sie hätte sein können. Das macht mich rasend. Und es macht mich erst recht rasend, wenn ich das Gefühl habe, dass meine Beschwerde bei der Firma nicht durchkommt. Ich hätte eine Geste erwartet, die ein bisschen Verständnis ausgedrückt hätte. Wir haben, aus unserer Sicht, viel Geld dafür bezahlt, damit unsere Reise sicherer (und komfortabler natürlich!) wird, stattdessen wurde sie unsicherer und ärgerlich. Und das wäre alles vergessen gewesen, wenn sie einen Teddy für die Kleine geschickt hätten oder was auch immer. Aber sie haben nicht nur unsere Kritik ignoriert, sondern auch die Empfehlung ihres eigenen Personals. Und das sind die, die den Ärger abkriegen. Meinen wahrscheinlich in Zukunft auch.

8 Antworten auf „Don’t call us. We won’t call you. Ihre Lufthansa“

  1. So ein Verhalten seitens LH, wie sie mit dem Fall umgehen, ist bei denen Bestandteil der Unternehmenskultur in Sachen Kommunikation. Unabhängig davon, ob Euer Fall brisant ist oder nur Querulatentum: LH gibt nie etwas zu, es gibt kein überheblicheres Unternehmen in D in Sachen PR oder Kundenbeziehung. Häng’s an die ganz große Glocke (Angst vor schlechter PR haben sie) oder gib’s auf.

  2. Interessanter Beitrag-ich mag die Detailfuelle und das es nicht einfach ein ‚abwatschen‘ einer Airline ist. Ich fliege auch recht regelmaessig und, das schicke ich mal voran, finde Sicherheit im Flugzeug ziemlichen Bloedsinn. Flugzeuge stuerzen ab und/oder explodieren in der Luft-und das letzte was ich brauche ist ein Roehrchen an der Schwimmweste um Luft zuzugeben. Aber die Flugangst der Frau ist das sicherlich ein relevanter Einwand.

    Der eigentliche Punkt ist, dass anscheinend auch grosse Airlines beim Service sparen-und dem Kunden deutlich machen, wie wenig sie interessiert sind an ihm und seinem ‚Erlebnis‘ Flug. Am Ende des Tages/der Beschwerde steckt doch ein bisschen RyanAir in jeder Fluglinie…im Kurzstrecken-/Europa-Bereich gehen die Standards deutlich nach unten. Ich halte der LH den handschriftlichen Brief zu Gute, denn bei den sogenannten ‚Billigfliegern‘ bin ich ja schon froh, wenn ich mich mit dem Kabinenpersonal in einer gemeinsamen Sprache unterhalten kann (klingt politisch unkorrekt, ist aber Realitaet). Aber kein Telefon und keine E-Mail? Das sind doch echt peanuts-aber offenbar zu viel, denn Dein Abwandern zu anderen Anbietern nimmt man offenbar gerne in Kauf. Das sind die ‚Billigflieger‘ ehricher: Schlechter Service kostet eben auch wenig ;)!

  3. @ teekay: Danke für den Kommentar.

    Es ist offenbar so, dass kleine Kinder auf dem Schoß eines Elternteils schon bei starken Turbulenzen (die ja für das Flugzeug weiter keine Gefahr sind) nicht sicher sitzen, wenn sie mit dem Loop-Belt angeschnallt sind (weiß wahrscheinlich jeder, aber: Das ist ein kleiner Gurt, der vorne in den Elterngurt eingehängt wird), weil der Erwachsene das Kind erdrücken kann, wenn er nach vorne fällt. In einem Kindersitz wäre das kind davor absolut sicher. Und Turbulenzen sind nicht so wahnsinnig selten. Es muss also gar kein Absturz sein.

  4. Wenn es der Deutschen Bahn schon gelingt, kleinkinderfreundliche Abteile einzurichten, warum dann nicht den Airlines? Ich bin oft mit zwei kleinen Kindern unterwegs, und was soll ich sagen, wenn ich bei Chech Air Babynahrung bestelle, dann bekomme ich Schokoriegel … Wenn ich bei Malev einen Kinderwagen mitnehme, hat der beim Ausstieg keine Luft mehr auf den Reifen. Wenn sich eines meiner Kinder übergibt, dann gucken die Stewardessen von LOT weg und tun so als gäbe es weder Wasser noch Handtücher. Ganz ehrlich: Der Text ist toll und gehört abgedruckt, damit die LH begreift und zum Vorreiter einer ganzen Kampagne wird: Familienfreundliche Airline.

  5. Kristin, danke!

    Wir hoffen jetzt, dass keiner der so genannten Alpha-Blogger sich daran stört, dass du „abgedruckt“ sagst, aber vielleicht sollten wir einfach eine Seite aufmachen, die Erlebnisse mit Kindern im Flugzeug sammelt? Vielleciht bewegen sich die Überflieger dann?

    Liebe Grüße und allzeit guten Flug!

  6. Na prima, daß macht Mut für unseren USA Flug mit der Lufthansa im April, Ich Oma, Meine Mutter (Uroma 79 Jahre), Mama 32, Enkelin 4 und Enkelin 4 Monate) Haben für das 4monatige Baby € 499,– bezahlt, damit wir sie nicht 10 Stunden auf dem Arm haben. Haben im Reisebüro nach einem Babykörbchen gefragt (dann hätte der Flug für das Kind € 99,– gekostet) und uns wurde gesagt, ein Babykörbchen kann man nicht verbindlich bestellen. Also Ticket kaufen. Nach Auskunft der Servicehotline Lufthansa (im übrigen sehr nett und sehr hilfsbereit) hätten wir das natürlich doch tun können und hätten somit € 400,– gespart. Bis jetzt schon einmal prima gelaufen, ha, ha.
    Hoffen auf Kinderfreundlichkeit in der Maschine.

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