Mein dir deine Bildung!

Das neueste Werk des jungen deutschen Autoren Paul Ronzheimer,

GEHEIMBERICHT ENTHÜLLT
So hat uns Zypern betrogen!
So schlimm ist es mit der Geldwäsche wirklich

ist sein bis heute vielleicht vielschichtigstes, stilistisch wie auch inhaltlich. Schon formal sprengt er bisher für unverrückbar gehaltene Konventionen. Nehmen wir den schon früh im Text auftauchenden Dreiklang aus Behauptung, Tempowechsel und etwas, das Ronzheimer (offenbar in Anspielung auf das Konzept „Realität“) „Fakten“ nennt:

Experten prüften im Auftrag des Europarats im März den zyprischen Bankensektor, fassten in einem Report (liegt BILD vor) ihre Ergebnisse zusammen. Sie analysierten Daten von insgesamt 390 Topkunden mit mehr als zwei Milliarden Euro Einlagen bei sechs zyprischen Banken.

Schon die schiere Größe könnte einem Angst machen, wenn man bedenkt, dass jeder dieser 390 Topkunden offenbar mehr als zwölf Milliarden Euro über sechs Banken verteilt hat. Insgesamt reden wir hier also über mindestens 390 mal zwölf Milliarden, das sind 4,68 Billionen Euro! Oder um insgesamt doch nur zwei Milliarden, das wird hier nicht ganz klar, aber weg von diesen … Dings hin zu den „Fakten“.

Die erschreckenden Fakten:

• Von 14 000 Firmen sind allein 12 000 Briefkastenfirmen.
• Laut Register soll es auf Zypern insgesamt „nur“ 270 000 Firmen geben. Allerdings wurden allein seit 2010 mehr als 56 000 gegründet.

Diese 390 Topkunden haben also 14 000 Firmen, von denen … nein, Moment: Es gibt auf Zypern „nur“ 270 000 Firmen, von denen die 390 Topkunden … nein. Also die 14 000 … aber davon 56 000 neu … Sie bemerken den virtuosen Umgang des Autors mit verschiedenen Ebenen von sogenannten „Fakten“.

Großartig ist aber auch der Einsatz einer einzigartigen Form von „Realität“.

• Eine Überprüfung in Datenbanken zeigte, dass von 390 Kunden alleine rund 10 Prozent politisch exponierte Personen sind, aber von den Banken nicht als solche gekennzeichnet werden.

Ich weiß nicht, wie viele Versuche man brauchte, um in irgendeinem Land der Welt bei den größten Banken zu suchen, bis man eine findet, die unter den „Topkunden“ nicht zehn Prozent „politisch exponierte“ hätte – aber was das ist und wie man sie kennzeichnet hätte der Autor nach meinem Geschmack auch gerne noch imaginieren können.

• Die Prüfer deckten auch kriminelle Geldwäsche auf. So geht aus einigen Dokumenten etwa hervor, dass einer der Kunden der „Bank of Cyprus“ ein verurteilter russischer Betrüger ist. Er soll fünf zyprische Banken genutzt haben, um Gelder in Höhe von 31 Millionen Dollar zu waschen.

Die zyprische Regierung hatte während der Krise im März immer wieder beteuert, dass das Land kein Schwarzgeld-Problem habe und die Vorwürfe gelogen seien.

Das ist ein ziemlich gewagter Sprung von einem (!) (irgendwo?) verurteilten Russen zum „Schwarzgeldproblem“ eines ganzen (nichtrussischen) Landes, das dann offenbar dazu führt, dass

„der Bundestag die Hilfen für die Pleite-Insel (insgesamt 10 Milliarden Euro) nie hätte freigeben dürfen!“

Ich werde kurz mal nicht darauf eingehen, dass es sich bei den „Hilfen“ wie immer um Kredite handelt, denn ich sehe ein, dass Ronzheimer sich offenbar in der Verantwortung sieht, die Faschos in der Kommentarspalte zu füttern.

Offensichtlich hat sich Paul Ronzheimer bei seinem unermüdlichen Versuch BILD-Leser gegen Südeuropäer aufzuhetzen inzwischen davon verabschiedet, auch nur den Anschein erwecken zu wollen, so etwas wie Argumente, Fakten oder Logik zu verwenden. Er tippt einfach irgendetwas und schreibt seine Schlussfolgerung ohne Zusammenhang dazu. Und die ist, wie man aus der Diskussion um die Reparationszahlungen für Griechenland weiß (obwohl er selbstverständlich Anfragen zu dem Thema von mir nicht beantwortet, aber immerhin andere) ja nur „seine Meinung“ – was für ihn bedeutet, dass man sie nicht weiter begründen muss. Er hat sie einfach.

Als eine unlustige Form des Dadaismus ist Ronzheimers Text möglicherweise stilbildend. Meinem Verständnis nach bildet sie sogar eine neue Gattung, die ich gerne „Ödöismus“ nennen würde. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie (besonders aber nicht ausschließlich in Bezug auf ihre Gesamtaussage) in sich unschlüssig, schlecht geschrieben und mindestens ein bisschen schmierig ist.

Mannmannmann, muss das unangenehm sein, so zu sein.