Achtung: Sie nutzen nur 10 Prozent Ihres inneren Journalisten!

Ich habe einmal ein gutes Erlebnis mit Lesern gehabt: Am Hauptbahnhof in München las ein Typ, der quasi Rücken an Rücken mit mir auf einer der Bänke auf dem Bahnsteig saß, seiner Freundin aus einer Geschichte von mir vor und lachte sich an den richtigen Stellen schlapp. Wie gesagt: ein Mal. Das war lange der einzige wahrhaftige Kontakt, den ich je mit meiner eingebildeten Leserschaft hatte. Ansonsten war ich den größten Teil meiner beruflichen Laufbahn umgeben von dem Kokon Redaktion – mit Türen, Empfangsdamen, Telefonzentralen und im Zweifel Anwälten zwischen mir und denjenigen, für die ich angeblich arbeite.
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Von Dr. House lernen heißt ‘wöchentlich’ lernen

House

Es mag daran liegen, dass ich einfach gestrickt bin. Ich halte die Sopranos für großartiger als die gesammelten Werke von Thomas Mann und wenn ich mich zwischen Curb Your Enthusiasm und Oscar Wilde entscheiden müsste, dann hätte Oscar zum ersten Mal einen schweren Stand bei mir. Vielleicht bin ich nicht schlau genug. Aber vielleicht erklärt mir einmal jemand das Phänomen, warum so viele wöchentliche Illustrierte, beim Stern angefangen und bei Bunte noch nicht aufgehört, die einfachste Lektion nicht befolgen: Der wöchentliche Rhythmus braucht die Seifenoper.
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Die letzten unserer Art?


Ich habe an anderer Stelle schon ausgeführt, warum ich nicht glaube, dass „der Journalismus“ aussterben wird. Aber ich glaube, dass viele Spezies innerhalb des Systems Journalismus bedroht sind (oder bereits ausgestorben. RIP, Schriftsetzer). Als ehemaligem Waldorfschüler und erklärtem Neo-Öko wird es nicht überraschend sein, dass ich jedes System als Ökosystem begreife, das nach den Gesetzen der Ökologie funktioniert. Und ich kann mich nicht erinnern (allerdings war es auch knapp vor meiner Zeit), dass um die Setzer, Fotolaboranten und ähnliche Opfer des technischen Fortschritts so viel Aufhebens gemacht wurde wie heute um diejenigen, die den so genannten „Qualitätsjournalismus“ bieten. Veränderung nach technischen Fortschritten scheint uns unvermeidlich. Inhaltliche Veränderung dagegen bekämpfen wir geradezu instinktiv.
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Hallo? Hört mich hier jemand?

Downtown Kangerlussuaq

Der Ort heißt Kangerlussuaq, was reichen würde, aber er wird auch noch ganz anders ausgesprochen. Ich sitze hier fest wegen eines Fehlers von Air Greenland. 500 weitere Menschen sitzen hier fest, weil sie hier leben. Sie halten den internationalen Flughafen geöffnet, der an diesem Ort aufgemacht wurde, weil das Wetter immer stabil ist. Ansonsten gibt es hier nichts. Kangerlussuaq liegt am Inlandeis von Grönland. Was soll hier sonst sein?
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Der hat nur Glück gehabt

In der Berliner Zeitung war ein sehr freundlicher Artikel über die Zeitschrift  Monocle, den ich nur gefunden habe, weil der Stern-Onlineredakteur Dirk Liedtke in in seinem Twitter-Feed erwähnt hat, den ich eigentlich verlinken wollte, aber Twitter ist gerade down (ich korrigiere das so schnell es geht, aber ich bin jetzt eine Woche in Grönland. Geil, oder? Alles darüber auf bravo.de). Das heißt, eigentlich bin ich zuerst durch eine an Dirk Liedtke gerichtete Nachricht eines anderen MonocleJournalisten darauf gestoßen, deren
Wortlaut ich natürlich auch gerade nicht auf Twitter finden kann, aber deren Inhalt ungefähr so war: „Die haben keine 60 Angestellten und profitabel sind sie auch nicht.“ So schreiben und reden Journalisten über journalistische Produkte.Wer selbst jemals versucht hat, mit Herzblut oder aus Überzeugung ein neues Heft zu machen (oder ein altes anders), der hat es erlebt: Häme, Missgunst, Besserwisserei.

Ich nehme mich da nicht aus. Ich habe schon gehässiges doofes Zeug über die Arbeit von Kollegen geredet, da waren die Journalistikstudenten, die heute über jedes neue Heft herfallen, noch nichts als das Flackern in den Augen zweier Fremder auf einem PUR-Konzert. Es hat sich bei mir ein bisschen gelegt, nachdem ich selber meine Breitseiten abbekommen habe, und feststellen musste, dass nur sehr, sehr wenige Kollegen kritisieren um zu verbessern. Selbst wenn ich doppelt so oft mit meiner Kritik recht hatte wie alle anderen, wäre die Quote sinnvoller Kritik immer noch im niedrigen einstelligen Promillebereich gewesen. Im Regelfall ist es doch so: Wer etwas tut kriegt dafür prophylaktisch eine rein. Und sollte er, Gott bewahre, trotzdem Erfolg haben mit seiner Arbeit, dann wird eben ein bisschen neu justiert und wenigstens noch auf die Füße geschossen. Der Grund ist einfach und immer der gleiche: Neid.

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Wie Bernd Buchholz zur Legende wird

Wenn Kai-Hinrich „Die Medienwühlmaus“ Renner recht hat, und das hat er ja irgendwie immer, dann muss Dr. Bernd Buchholz am 31. August mit 50 Millionen Euro Gewinn (EBIT) ein irre schlechtes Ergebnis für das erste Halbjahr von Gruner & Jahr verkünden. Ich bin richtig schlecht, wenn es um Zahlen geht, aber so wie KHR das schreibt, klingt das alles Bernd Buchholznicht so gut. Aber ich bin mir sicher, dass für Dr. Buchholz alles gut ausgeht, weil ich heute Morgen, während ich einen sehr guten griechischen Mokka getrunken habe, eine Vision hatte. Ich glaube ich weiß, was Dr. Buchholz tun wird. Er hat nämlich eine grandios gute Idee, für die ich ihn immer bewundern werde.

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Warum Verlage “das Internet” nicht verstehen

Die meisten von uns stehlen nicht. Wir geben das Zuviel an Wechselgeld zurück, sagen dem Nachbarn, wenn wir uns ein Feierabendbier aus der Kiste auf seiner Terrasse nehmen (nebenbei: Sorry, Ole, ich habe …) und neulich kam ein Mann Zerknüllte Zeitung
hinter mir hergelaufen, weil ich zwar meine EC-Karte vom Geldautomaten wieder mitgenommen habe, aber nicht die 400 Euro im Geldschlitz. Wir stehlen selbst dann nicht, wenn ir uns sicher sein können, dass wir nicht erwischt werden. Es kann also nicht daran liegen, dass wir uns vor Strafe fürchten. Wir tun es nicht, weil wir gelernt haben: Das tut man nicht. Es ist unsere Kultur.

Gesetze, so viel wenigstens habe ich als wahrscheinlich schlechtester Jurastudent in der Geschichte der Universität Hamburg gelernt, greifen erst, wenn die Kultur versagt hat. Sie sind keine Regeln, an die Menschen sich halten, sondern solche, die das Prozedere bestimmen, wenn schon alles kaputt ist. Juristen brauchen wir, wenn die Kultur versagt hat. Und jetzt ist es so weit: Die Verleger unter Anführung ihres Verbandspräsidenten Dr. Hubert Burda rufen nach neuen Regeln. Sie möchten an den Erlösen von Google beteiligt werden und die Befreiung von der Mehrwertsteuer.  Ich persönlich halte beides für nicht argumentierbar (eher sollte Google Geld dafür nehmen, die Seiten der Verlage überhaupt zu listen und Preseerzeugnisse sind bereits mit der niedrigen Mehrwertsteuer für lebenswichtige Güter gesegnet), aber darum geht es hier nicht einmal. Es geht darum, wie die Verlagskultur versagt hat, bis es dazu kommen konnte, dass wir glauben, neue Gesetze fordern zu müssen. „Warum Verlage “das Internet” nicht verstehen“ weiterlesen

News to use

Ich war zumindest in einem Segment bei der Selbstabwertung der Zeitschriften dabei und habe sie miterlebt: Bei den Männermagazinen.
Ich war Teil der Gründungsredaktion der deutschen Ausgabe von FHM und bin immer noch stolz YPS Extradarauf, weil wir damals einige Dinge gemacht haben, die in Deutschland vollkommen neu, aufregend und erfolgreich waren. Ein halbes Jahr später kam Maxim mit auf den Markt, ein nur halb entschlossenes Me-Too (und inzwischen eingestellt offenbar wieder belebt), und kurz darauf begann die Aufrüstung mit Extras. Ich erinnere mich an eine Maxim-Ausgabe in einer Tüte, in der außerdem (meiner Erinnerung nach, aber der Umfang stimmt ungefähr) ein Schokoriegel, eine Baseball-Mütze, ein Kondom und ein Duschgel untergebracht waren. Es war wie in der Real-Supermarkt-Werbung: Alles drin. „News to use“ weiterlesen

Was unterscheidet eigentlich Journalisten von Amateuren?

Als ich noch Jura studiert habe, waren Menschen in genau zwei Kategorien eingeteilt: Juristen und Laien. Laien hatten eine Art Anrecht darauf, Dinge so zu sehen, wie sie waren, und nicht wie sie in den juristischen Kommentaren auftauchten (hin und wieder  wagte es ein Richter, ein Urteil tatsächlich so zu fällen, wie es auch für Laien selbstverständlich gerecht war. So ein Urteil nennen Juristen dann „lebensnah“).

 

Journalists War ZoneFür uns Angehörige der Vierten Macht im Staat ist die Abgrenzung zu den Laien schwieriger als für Juristen, weil sich jeder Journalist nennen darf, so will es die innere Pressefreiheit. Wenn wir nun aber von der simplen Verbreitung von Nachrichten befreit sind, weil sie sich plötzlich durch jeden
Hans und Franz und damit quasi von selbst verbreiten, dann sollten wir uns in Zukunft wahrscheinlich verstärkt auf das konzentrieren, was wir (und nur wir) können. „Was unterscheidet eigentlich Journalisten von Amateuren?“ weiterlesen

Braucht mich noch einer?

Ich sitze in einem kleinen Haus auf einer griechischen Insel, relativ abgeschottet von der Welt der deutschen Printmedien (in der nächsten Stadt gibt es täglich eine Süddeutsche, eine Bild und wöchentlich drei Spiegel undHängematte zweimal die Zeit), aber Breitband-Internet hat Einzug gehalten, und wenn ich sporadisch meinen RSS-Reader ansehe, dann lese ich die Klagen von Menschen, die sich über „Content-Klau“ im Internet aufregen. Ich nehme an, vielen geht es wie mir wenn ich sage: Langsam wird es langweilig. Das Schlimme sind für mich gar nicht Dinge wie die unsauber gedachte Hamburger Erklärung der Verlage und Verbände, in denen sie im Prinzip ja nur verlangen, man möge sie bitte mit Geld
bewerfen. Ich finde, das ist eine Forderung, die jeder stellen können sollte. Das wird sich von selbst erledigen, wenn niemand wirft. Mein Problem ist nicht, dass die Verlagshäuser (und damit die bisher wichtigen „Content-Produzenten“) das Internet nicht verstanden haben (einige haben das ja), sondern dass mit ihrem kopflosen Aktionismus offenbaren, dass sie ihre eigenen Medien entweder nicht verstehen oder ihnen nicht mehr vertrauen. „Braucht mich noch einer?“ weiterlesen