Täglich Brot

In seinem überwältigenden, großartigen Buch Schulden – Die ersten 5000 Jahredemonstriert der Anthropologe David Graeber in einem winzigen Abschnitt die bizarre Absurdität der aktuellen Situation, in der Staaten ihre Bürger durch Schulden bei von denselben Bürgern geretteten Banken in den Hunger treiben: Er zitiert das wahrscheinlich meist gesprochene Nachtgebet der westlichen Welt – „und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ (und er beweist im Rest des Buches, dass damit sehr wohl auch Geldschulden gemeint sind).

Davon sind wir weit entfernt. Aber leider sind auch ganz andere, noch viel weniger missverständliche Sätze in diesem Gebet nicht mehr selbstverständlich metaphorisch gemeint: „Unser täglich Brot gib uns heute“ ist eine Bitte, die viele Griechen im Moment tatsächlich nur noch an den lieben Gott stelle können. Sie sind auf Hilfe angewiesen.

Achilles Kamberis ist es gewohnt, Menschen zu versorgen. Er betreibt im nordhessischen Wolfhagen das Restaurant „Kreta“ – und hat eine Aktion ins Leben gerufen, mit der griechische Gastronomen eine Suppenküche im Athener Stadtteil Kipseli unterstützen.

Seine Rechnung ist einfach: Es gibt 10.000 griechische Lokale in Deutschland, wenn nur 1000 mitmachen und 100 Euro geben, wären das 100.000 Euro.

Und auch hier zeigt sich wie an anderen Stellen in dieser Krise, dass die Kirchen eine große Rolle bei der Verteilung von Geld und Gütern spielen können: Weil es etablierte Hilfswege nicht gibt (wer hätte das alles vor zwei Jahren erwartet?), müssen die einspringen, die da sind – und das sind eben die Kirchen. Die Suppenküche von Kipseli, die täglich 150 Essen ausgibt, wird betrieben von Pater Emanuel Nirakis. Die Spendengelder aus Deutschland überbringt ihm der Dekan des Kirchenkreises Wolfhagen, Gernot Gerlach.

Die Aktion hat den als URL sperrigen Namen „Hilfe gegen den Hunger in Griechenland“. Ich bin dankbar für die wohlwollende Beachtung. Sie erinnert einmal mehr daran, dass das die Grundlage unserer Gesellschaft ist: Wer Not sieht und helfen kann, der muss es auch tun.

Täglich Brot.

Piratenbeobachtung: Ich sehe da Inhalte. Ich weiß nur nicht, ob die Piraten sie auch sehen

Es wirkt ein bisschen wie ein Hobby, ich weiß das, und ich sollte vielleicht damit aufhören, aber ich guck mir gerne von Ferne die Piratenpartei an. Und das wirklich wohlwollend. Ein bisschen ist das noch wie im Zoo – man stellt sich vor, was sie wohl auf freier Wildbahn für Möglichkeiten hätten. Aber das tollste ist: Es passiert immer was. Selbstzerfleischung zum Beispiel, warum sollte das anders sein als bei allen anderen. Kleiderfragen. Irgendwas ist immer.

Zu den lachhaftesten Übungen in diesem Internet gehört für mich aber, wenn erstens irgendein gern schon leicht verkalkter Journalisten-Kollege von mir irgendwo behauptet, die Piratenpartei hätte keine Inhalte, und zweitens daraufhin mit Sicherheit irgendwelche übermotivierten Smartphone-Besitzer mit Twitter-Account und Loose Ties zur Landtagsfraktion der Piraten im Saarland darauf verweist, die Piraten in NRW hätten aber doch in einem Beschluss den permanenten Euro-Rettungsschirm abgelehnt. Aus meiner Sicht ist genau das kein Inhalt, weil es vollkommen irrelevant ist. Wer tatsächlich über den Euro-Rettungsschirm mitentscheiden will, der wird bei den Piraten noch für einige Zeit in der falschen Partei sein. Allerdings wollen sie, so wie ich das sehe, das komplette politische System ändern. Und wer behauptet, das wäre kein politischer Inhalt, der glaubt möglicherweise tatsächlich, im Internet gäbe es keinen Journalismus.

Allerdings verfestigt sich bei mir der Eindruck, die überragend dumme Einrichtung, dass Piraten sich oftmals erst wirklich zu einem Thema zu sprechen trauen, wenn ein Parteibeschluss vorliegt, fliegt der Partei in der Kommunikation gerade um die Ohren. Es bedeutet, dass sie die kommunikative Hoheit über ihre eigenen Inhalte verlieren – und Menschen wie mir überlassen, die dann hier mit dem Blick des interessierten Außenstehenden darüber reden können wie Bela Rethy über Fußball.

Aber weil ich immer noch auf die Formulierung dessen warte, was die Piraten tatsächlich ändern wollen (über den Popanz „Transparenz“ hinaus. Transparenz bedeutet doch in Wahrheit, Dinge öffentlich zu machen, damit irgendjemand sie überwacht und potenziell ändert. Das ist wichtig, aber keine politische Forderung einer Partei, sondern einer Bürgerinitiative, die nicht konkret werden muss), formuliere ich ins Vakuum hinein einmal, was ich mir an Forderung wünschen würde. Denn ich glaube, dass die Kommunikation, die politische Form, tatsächlich dringend einer revolutionären Erneuerung Bedarf.

In seinem ziemlich spannenden und einleuchtenden Buch Trial and Error: Warum nur Niederlagen zum Erfolg führen „>“Trial and Error – Warum nur Niederlagen zum Erfolg führen“ weist der englische Wirtschaftsjournalist Tim Harford nach, was wir alle heimlich immer schon geahnt haben: Hinterher ist man immer schlauer. Der klügste Weg ist also der, der einem die Möglichkeit gibt, an Erfahrungen zu wachsen.

Im modernen Management bedeutet das, man setzt nicht alle Ressourcen auf eine Lösung, sondern beginnt mit vielen und sortiert nach und nach die Wege aus, die nicht funktionieren. Denn in Wahrheit findet fast niemand auf fast kein Problem die Lösung allein im stillen Kämmerlein im Voraus. Was normalerweise nicht einmal verwerflich ist. Nur ein Spinner würde behaupten, er kenne die Antwort auf alles vorher. Oder jemand, der einer Ideologie anhängt. Also praktisch jeder Spitzenpolitiker. Denn wir haben es geschafft, unser politisches System in einer Art und Weise auszugestalten, bei der wir nur in einem einzigen Punkt sicher sein können: Lösungen für Probleme sind mit ihm praktisch unmöglich zu erreichen.

Denn Politiker – Ideologen – müssen per Definition im Voraus auf eine Lösung für ein bestimmtes Problem setzen. Demokratische Politik ist im Prinzip ein Wettstreit der Ideen. In der Theorie sollte dabei der jeweils beste Teil jeder Idee sich durchsetzen, oder zumindest für jede Klientel der wichtigste Teil. Der Kompromiss ist – im Gegensatz zur manchmal veröffentlichten Meinung –nicht das Abfallprodukt sondern das noble Ziel der demokratischen Auseinandersetzung. Theoretisch. In der Praxis sind Kompromisse in manchen modernen Demokratien kaum mehr möglich (Beispiel USA) oder das System ist pervertiert dahin, dass per Absprache jede an der Macht beteiligte Splittergruppierung ihren Unsinn durchbringen darf – und letztlich muss, wenn sie sich profilieren will. So enden wir damit, dass die übergroße Mehrheit des Landes sowohl die Mövenpick-Steuererleichterung für Hoteliers ablehnt als auch die Herdprämie, wir beides aber als Ergebnis von Kompromissen als Gesetze vorgesetzt bekommen. Der Irrsinn hat sich das System unterworfen.

Fehler zuzugeben, also einmal getroffene Entscheidungen als Probelauf zu verstehen und gegebenenfalls zu revidieren gehört zu den Übungen, die Politiker und ihre Wähler am schlechtesten können. Bis heute bringt es die CDU nicht fertig einfach zuzugeben, dass die Grünen in Bezug auf die Atomkraft schon immer recht hatten. Das gibt das System nicht her, das wir installiert haben, um unser Land zu regieren. Es dürfte schwer sein, eine Kindergarten zu finden, in dem sich albernere Strukturen manifestieren als rund um die höchste Macht in unserer Republik.

Man könnte argumentieren, im Ergebnis sei es ja noch immer gut gegangen. Die Bundesrepublik Deutschland ist mit diesem System seit Gründung gut gefahren. Bei allen systematischen Schwächen scheint sich der Wahnsinn dann doch immer irgendwie auszugleichen. Aber das ist kurz gedacht (wenn es denn stimmt, was zumindest ein Teil der Bevölkerung wahrscheinlich bestreiten könnte).

Denn die Zeiten haben sich geändert, sie sind „schneller“ geworden. Durch den rasant schnelleren Fluss von Informationen passieren Dinge in kürzerer Abfolge, und es ist keineswegs garantiert, dass unsere merkwürdige Art, zu Kompromissen zu kommen, darauf noch angemessen reagieren kann. Nehmen wir die Euro-Krise: Die Bundesregierung hat nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht einmal den Bundestag angemessen unterrichtet, von einer angemessenen Unterrichtung des deutschen Volkes samt einer notwendigen Willensbildung brauchen wir da nicht einmal zu träumen wagen – und trotzdem sind die Beschlusswege Europas noch zu langsam, um angemessen auf die Entwicklungen zu reagieren.

Als Beispiel: Die Krise ist längst in Deutschland angekommen. Die Produktion ist im Mai um mehr als zwei Prozent gesunken, Steffen Bogs von dem brillanten Wirtschaftsblog „Querschüsse“ hat gerade die Entdeckung öffentlich gemacht, dass die Rohstahlproduktion sogar um fast 10 Prozent zum Vorjahresmonat gesunken ist und entgegen dem globalen Trend überall in der EU sinkt (in Griechenland sinkt sie natürlich nicht, da kollabiert sie einfach). Aus Stahl, den wir diesen Monat nicht produzieren, bauen wir im nächsten Monat keine Autos und Maschinen, so dass man diese Zahlen als Ausblick verstehen darf auf die Größenordnung dessen, was da kommt. Sehr schnell kommt. Eigentlich ist es schon da. Haben wir aber den Eindruck, unsere Regierung hätte das bemerkt?

Noch immer fordert die deutsche Bundesregierung mit der (schwindenden) Unterstützung einiger weniger nordeuropäischer Staaten extreme „Strukturanpassungen“ in Südeuropa und setzt sie mit der „Troika“ aus EU, IWF und EZB auch durch. Die Maßnahmen erreichen erkennbar das Gegenteil dessen, das sie erreichen sollen. Die Schulden der Länder steigen, anstatt zu sinken – und das schlägt nun auch auf andere Länder wie Deutschland durch. In seinen eigenen Untersuchungen erkennt der IWF, dass pro Prozentpunkt Defizitreduktion in den Sparländern im Durchschnitt der Konsum um 0,75 und das BIP um 0,62 Prozent nachlässt. Einfach gesagt: Der Stahl, den Deutschland gerade weniger braucht, wäre bei besserer Konjunktur in Form eines Autos oder einer Maschine nach Südeuropa gegangen. So, wie es ist, schneiden wir nach einer Menge fremdem Fleisches längst auch in unser eigenes. Die Daten sind eindeutig. Aber es gibt offensichtlich in der Politik keine Möglichkeit, Daten, die der eigenen Ideologie widersprechen, so zu verarbeiten, dass sie zu verändertem Verhalten führen. Wenn Tim Harford in seinem Buch sagt, wir lernen nur durch Niederlagen, bedeutet das für unser System, ein Politiker ist nicht mehr lernfähig, sobald er einmal an der Macht ist (übrigens erklärt Wolfgang Münchau hier gewohnt gut, warum die Politiker nicht von selbst auf die vernünftige gesamteuropäische Lösung gekommen sind, sondern weiter in kleinen Ländereinheiten denken).

Ich weiß, seit Jahrzehnten träumt jede Organisation davon, eine lernfähige Organisation zu sein – und schafft es nicht. Aber Politik ist keine Organisation im Sinne eines Unternehmens. Politik ist ein Marktplatz, auf dem sich verschiedene Organisationen treffen. Wir wissen, dass die Lernfähigen unter ihnen erfolgreicher sind (Beispiel: Merkels Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Atomausstieg). Aber erstens definieren wir Erfolg in letzter Konsequenz immer noch als Wahlerfolg, als das Erreichen der Macht, und nicht als das durch die Macht erreichte – das wie wir ja gelernt haben nur durch Fehler, durch Lernen, durch regelmäßige Anpassung wirklich erreicht werden kann. Wir haben das ultimative Peter-Prinzip-System geschaffen: Wer hier an die Macht kommt, muss per Definition überfordert sein, weil er nicht mehr lernen darf.

Das ist das Feld, auf dem Politik sich reformieren muss, und zwar nicht nur in der Sphäre der Berufspolitiker, sondern genauso bei Berichterstattern, Ehrenamtlichen und Wählern: Im täglichen Geschäft gilt es, lernfähig zu werden und Lernkurven zuzugestehen. Die besten und erfolgreichsten unter den Staatsmännern waren es ohnehin immer, und auch von Angela Merkel sagt man ja, dass sie Entscheidungen erst trifft, wenn sie sich sicher ist, dass sie richtig sind. Aber unter den Bedingungen der der Gegenwart hat sie dazu eben nicht mehr die Zeit. Ihr Management der Euro-Krise ist so verheerend, weil selbst ihre richtigen Entscheidungen zu spät und damit meist automatisch auch zu schwach erfolgen (das zu recht kritisierte „zu spät zu wenig“). Ein neues System muss her, in dem Antworten ständig und sofort probiert, evaluiert und im Zweifel verworfen werden können, ohne dass es automatisch als Scheitern verstanden wird (das klingt natürlich gerade heute utopisch, wo mit dem Fiskalpakt ein verfassungsändernder Vertrag vereinbart wurde, der nicht nur zum Scheitern verurteilt sondern auch unumkehrbar ist, also das Gegenteil dessen, was ich hier gerade als vernünftigen Weg skizziere. Life is a bitch).

Diese Art neuer Kultur und demokratischer Verfahren, angepasst an die Geschwindigkeit der heutigen Prozesse, die Möglichkeiten der Kommunikation (es braucht hoffentlich immer weniger die eine, einfache „Bild, BamS und Glotze“-Wahrheit) und die entsprechende Offenheit des Verfahrens ruft nach einer Partei, die diese Demokratietechnik zu ihrem Inhalt macht, und so verstehe ich die Piraten von weitem, wohl wissend, dass ich die Piraten von Ferne immer noch zur Projektion von so ungefähr allem benutzen kann, weil sie selbst sich da noch nicht so festgelegt haben. Aber genau da sind wir wieder bei dem Thema: Sich festzulegen, auf welchem Weg genau die Änderungen erfolgreich zu vollziehen sind, wäre doch auch dämlich. Niemand kann es vorhersagen. Es geht darum, Wege zu finden, alle viel versprechenden Optionen auszuprobieren und auszusieben, welche funktionieren. Die Weisheit der Masse ist letztlich immer nur die Masse der unterschiedlichen Erfahrungen, und Erfahrungen muss man machen – manche sogar selbst.

Wie also würde ein lernfähiges System auf die Euro-Krise reagieren? Zum einen würde ein lernfähiges „System Politik“ ständig auf Realitäten reagieren. Bisher geht beispielsweise jedes Troika-Programm davon aus, dass man im Haushalt eines Landes sparen kann, ohne dass das BIP betroffen ist, obwohl die eigenen Untersuchungen das widerlegen. So gingen „Sparziele“ für Griechenland ursprünglich davon aus, dass im Jahr 2012 bereits ganz leichtes Wachstum einsetzen würde, während in der Realität die Wirtschaft (wie von jedem vernünftigen, nicht ideologisch völlig verblendeten Ökonomen vorhergesagt) katastrophal schrumpft. Ein wahrhaft lernfähiges System könnte das in Echtzeit begreifen und sein Verhalten entsprechend ändern. Es könnte vielleicht gleich mehrere Wege gleichzeitig probieren. Dazu gehört aber auch – Transparenz – die Erkenntnisse der eigenen Bevölkerung zu vermitteln. Auch das verlangt eine Abkehr von der der Ideologie, weil es nach der schändlich missbrauchten Logik der „schwäbischen Hausfrau“ eben nicht intuitiv verständlich ist, dass man spart und hinterher nur noch mehr Schulden hat. Und drittens gehört dazu natürlich, als eindeutig falsch erkanntes Verhalten abzustellen. Wie Atomkraftwerke. Und es dann auch zuzugeben.

Das sind Inhalte. Ich finde, sogar ganz gute. Und sie haben nichts mit File-Sharing und dem Urheberrecht zu tun und nur sehr mittelbar etwas mit dem Internet, dafür aber viel mit der Gegenwart. Die ist überhaupt so ein Thema, das sich auch für andere Parteien durchaus mal lohnen könnte.

Wir werden von Idioten regiert. Das verlangt das Gesetz

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat gerade auf SpOn erklärt, warum ein Student, der das Spar-Programm der Troika als Antwort auf die Herausforderungen der Wirtschaft in Südeuropa (einem fiktiven G-Land, was immer das sein kann …) ankreuzt, bereits in einer Einführungsveranstaltung für Makroökonomie „in allen Universitäten der Welt“ mit „falsch“ bewertet würde.

Nun ist unsere Regierung gemeinsam mit der offenbar sedierten Opposition aus SPD und Grünen dabei, einen europäischen Fiskalpakt in Verfassungsrang zu heben, der erstens dieselben Typen, deren Programme schon von Erstsemestern als falsch erkannt werden müssen zu den Oberwächtern unseres Haushaltes macht, ihnen zweitens die Macht gibt, Strafen bis zu 0,1 Prozent unseres BIP zu verhängen, wenn ihnen die Art nicht gefällt, wie wir unser drittens zu hohes Defizit abbauen (aus Gründen, die irgendetwas mit Würfeln oder einer Runde Darts mit verbundenen Augen in einer Kneipe auf Beteigeuze zu tun haben müssen gilt ja eine Grenze von 60 Prozent im Verhältnis zum BIP, die wir sehr locker um mehr als 30 Prozent überbieten).

Zu zweitens: In Deutschland beträgt das BIP etwa 2 800 000 000 000 Euro (2,8 Billionen), ein Tausendstel davon sind immerhin 2,8 Milliarden Euro. Das ist schon auch Geld.

Selbstverständlich kann Deutschland aus diesem Vertrag jederzeit aussteigen, indem es mit verfassungsändernder Mehrheit aus der EU austritt. Da das Volk vorher nicht befragt wurde, wird also zumindest hinterher eine besonders aufregende Form der demokratischen Beteiligung angeboten: Ich nenne sie „Bürgerkrieg“. Ich glaube, das ist auch der offizielle Name.

Wir lassen also nicht nur zu, dass die EU offensichtlich in Theorie und Praxis nicht funktionierende Programme anwendet, die immer nur Sozialabbau bedeuten und den betroffenen Ländern nicht helfen, sondern sie im Gegenteil ins Elend stürzen: Wir machen es zum Gesetz, dass es so sein muss.

Griechenland: „Weiter so“ heißt jetzt „Stabilität“

Fehlverhalten darf nicht belohnt werden. Wenn man denn eine Linie finden wollte in der Argumentation der Bundesregierung in der europäischen Schuldenkrise, dann wäre es dieser Satz. Er rechtfertigt ungeheure Einschnitte anderswo. Die da unten sind schließlich selbst schuld.

Griechenland hat gewählt, und auch die deutsche Bundesregierung hat alle ihr zur Verfügung stehenden Druckmittel eingesetzt, um die nächste griechische Regierung von einem Mann bilden zu lassen, der wie kein Zweiter auf den Wahllisten für Fehlleistungen der Vergangenheit steht. Nachdem der letzte demokratisch gewählte – und wie man inzwischen weiß: tendenziell auch mutige – Ministerpräsident Papandreou zurücktreten musste, weil er ein Referendum über die Sparpakete und damit letztlich den Verbleib des Landes im Euro durchführen wollte, haben Kräfte außerhalb Griechenlands die Parlamentswahl zum Referendum über die Sparpakete und den Verbleib des Landes im Euro umdeklariert. Nachdem nun das Ergebnis zwar „Weiter so“ bedeutet, aber einfach „Stabilität“ genannt wird, steigen die Bankaktien weltweit – in Griechenland in den letzten Tagen, in denen das Wahlergebnis vorhergesagt war, um rund zwanzig Prozent.

Diejenigen, die das Land in die Situation gebracht haben, in der die Bevölkerung stärker als jede andere in Europa unter der Schuldenkrise leidet, sind belohnt worden. Banken, die durch verantwortungslose Kreditvergabe – „billiges Geld“ – diese Krise mitverursacht und ausgelöst haben bekommen ihre Gewinne weiter durch Steuerzahler garantiert, zunächst griechische und spanische, im Zweifel demnächst aber auch deutsche und andere.

Schon das allein zeigt, dass von Angela Merkels „marktkonformer Demokratie“ am Ende nichts übrig bleibt. Sie ist keine Demokratie und auch kein freier Markt. Die Griechen hatten bei offener Betrachtung bei dieser Wahl vielleicht ohnehin nur untaugliche Mittel zur Verfügung, den Kreislauf zu brechen, aber sie haben sich letztlich dem Druck gebeugt und konnten offenbar nicht diejenigen sein, die es zumindest versuchen. Diese Aufgabe fällt nun Spanien zu. Denn der Kreislauf ist bisher immer derselbe: „Hilfe“ erfahren Länder immer nur in Form höherer Schulden, während ihnen gleichzeitig die Werkzeuge genommen werden, sie bezahlen zu können.

Im New Yorker schreibt John Lanchester, eine merkwürdige Eigenschaft („peculiar feature“) der Euro-Krise sei, dass ihre Lösung wirtschaftlich so offensichtlich sein: gemeinsame Schulden. Das setzt natürlich eine stärkere europäische Integration voraus. Einfach Vereinigte Schulden von Europa einzuführen, ohne gemeinsame Wirtschafts-, Sozial- und Fiskalpolitik, ist aus meiner Sicht keine nachhaltige Lösung. Eine stärkere politische Integration setzt aber demokratische Legitimation voraus. Die Menschen müssen es wählen. Europa braucht mehr Demokratie. Tatsächlich aber wird die Demokratie jeden Tag schwächer: Immer mehr Regierungen sind nicht gewählt. Die Wahl in Griechenland ist in bisher ungekannter Intensität durch Angst- und Droh-Propaganda von außen beeinflusst und immer mehr lebensbestimmende Entscheidungen werden in Kommissionen von Beamten getroffen, die nie ein Bürger gewählt hat.

Die belgische Zeitung De Standaard kommentiert den Wahlausgang so (zitiert nach SpOn)

Das ist es, was die Euro-Krise mit Ländern und Völkern macht: sie haben nur noch die Wahl zwischen Unterwerfung oder finanziellem Untergang. Der Schaden ist größer als die verbrannten Milliarden. Die Idee der Einigung Europas ist fatal untergraben.

Das ist richtig, so lange der größte Trick der Verursacher dieser Krise weiter Bestand hat: Dass die Grenzen hier zwischen den Völkern verlaufen. In Wahrheit verlaufen sie zwischen denen, die für die Krise bezahlen, und denen, die daran verdienen. Das Geld ist ja nicht weg. Es ist nur woanders.

Die richtige Antwort auf diese Krise heißt im doppelten Sinne mehr Demokratie: Eine stärkere Legitimation Europas mit gewählten Funktionsträgern – und die Wiederherstellung des Primates der Politik über die Märkte. Das „Weiter so“, wie es in Griechenland heute so hoch gelobt wird, ist in Wahrheit gar keine Antwort, sondern im besten Fall ein gewonnener Tag. Morgen brauchen wir dann aber wirklichen Mut.

Strukturreformen: Gibt es das auch als App?

Als die Firma Apple die neueste Version ihres Film-Schnitt-Programms „Final Cut“ vorstellte, gab es Kritik vor allem aus der professionellen Nutzerschaft. Offenbar war vielen derjenigen, die Jahre mit dem Erlernen aller Feinheiten des Programms verbracht hatten, die Nutzung jetzt eigentlich zu einfach. So wie die Generation derjenigen, die einmal DOS-Eingabebefehle oder gar Programmiersprachen gelernt hatten, mit denen man die Quersumme beliebiger und im Prinzip unsinniger Zahlenreihen errechnen konnte, fanden sie sich von einem Moment auf den anderen mit einer Menge obsolet gewordenen Wissens beladen. Es gibt Dinge, die muss man einfach nicht mehr wissen oder können, denn es gibt jetzt eine App dafür. Wirklich wissen, wie Dinge funktionieren, müssen heute nur noch diejenigen, die solche Apps programmieren. Und vielleicht noch jemand als Kontrollinstanz.

Journalisten, diese merkwürdigen Zwitter-, Tritter- und Quatter-Wesen (Twitter-Wesen hoffentlich auch) müssen in manchen Fällen Kontrollinstanz sein. Ihre eigentliche Aufgabe besteht aber letztlich darin, in den relevanten Fragen ihren Lesern und Zuschauern die Möglichkeit zu geben, selbst zu kontrollieren, sich ein Meinung zu bilden und vernünftige Entscheidungen zu treffen.

Zwischenfrage: Wenn wir von Strukturreformen reden, wovon reden wir dann?

Meiner Erfahrung nach gehört die Phrase von den „notwendigen Strukturreformen“ in allen möglichen Ländern der europäischen Peripherie zu den am häufigsten gebrauchten Sätzen, bei denen der Sprechende überhaupt keine Ahnung hat, was er da eigentlich gerade meint. „Strukturreform“ wird gebraucht als „Irgendetwas Schlaues, das macht, dass alles wieder besser wird.“ Wenn alles schlecht ist, dann muss es im Umkehrschluss daran liegen, dass es keine Strukturreformen gegeben hat.

Zwischenfrage: Wie viele Strukturreformen hat Angela Merkel als deutsche Bundeskanzlerin durchgeführt?

Genau. Keine einzige. Nicht, weil es nicht nötig wäre. Die OECD mahnt seit Jahren Reformen im Bereich der „Services“ an, auch um den erwarteten Abschwung im Export auszugleichen. Aber das Deutschland seit Jahren vom Ausland das Gegenteil von dem fordert, was es selbst tut, ist ja längst ein prägendes Element dieser Bundesregierung (überboten höchstens noch von der lustigen Angewohnheit, immer genau das Gegenteil von dem zu tun, was man angekündigt hatte). Deutschland fordert also vor allem in Südeuropa Strukturreformen, verteilt absolut willkürlich Lob und Tadel ob der Umsetzung und deutsche Journalisten beten den Text bei jeder Gelegenheit nach. Der Begriff „Strukturreform“ ist eine Art Journalismus-App: Man drückt drauf, klingt klug und muss sich weiter keine Gedanken darüber machen, was im Hintergrund genau abläuft.

Der Grund ist einfach: Journalisten, die eine Frage stellen, tun das in der Regel nicht, um eine Antwort darauf zu erhalten im Sinne von: Lernen, was ist. Sie stellen Fragen, um Soundbytes zu erhalten, die auf möglichst spektakuläre Art den Soundbytes eines anderen widersprechen. Beide Soundbytes gemeinsam ergeben dann eine „ausgewogene Geschichte“. Spektakuläre Soundbytes allein reichen manchmal schon (so erhält eine Geschichte, in der die IWF-Chefin in dämlichster Art und Weise das Scheitern ihres Programms an moralischen Defekten „der Griechen“ festmacht Aufmacherstatus, ihre Entschuldigung praktisch keine Erwähnung, die Geschichte über den griechischen Ober-Steuerfahnder, der das Scheitern seines eigenen Hauses wiederum natürlich nicht selbst verantworten will sondern mithilfe der bereits zurückgenommenen Aussagen der Frau wieder auf andere schiebt ist erneut ein Aufmacher. Das ist die „Logik“ der Medien). Wenn das Ziel dahinter sein sollte, dass sich Leser aus den verschiedenen geäußerten Meinung ungestört vom Journalisten ihr eigenes Bild machen, scheitert es schon daran, dass so letztlich nur noch die spektakulären Meinungen gehört werden. Und überprüfen können die meisten Journalisten das ohnehin nicht mehr.

Sprechen wir über Strukturreformen. In Griechenland sind einschneidende Reformen zum Beispiel die Liberalisierung der Unzahl an „geschlossenen Berufen“. Allein 107 wurden mit dem letzten Sparpaket abgeschafft. Aber einige werden sehr, sehr hart werden, als aus meiner Sicht besonders schwieriges Beispiel nehme ich einmal die „Lastwagenfahrer“ – also kleine Transportunternehmer. Wer in Griechenland einen Lastwagen betreiben will, braucht eine Lizenz, und weil die Zahl der Lizenzen seit den Siebzigern nicht erhöht wurde sind die Lizenzen bis zu 300.000 Euro teuer. Sie sind also Betriebsvermögen und Alterssicherung des Unternehmers.
Die Logistik ist im Prinzip einer der hoffnungsvollen Bereiche der griechischen Wirtschaft. Das Land ist Weltspitze in der Handelsschifffahrt und mit seinen Häfen natürliches Logistik-Hub für ganz Südosteuropa. Der durch die Begrenzung der Lizenzen unnatürlich teure Transport auf der Straße ist ein gewaltiges, ernstes Hindernis, zusätzlich bedeutender wegen des schlechten Schienennetzes. Eine Liberalisierung ist unbedingt geboten. Da sie auf der anderen Seite aber mit der de-facto-Enteignung vieler Unternehmer einhergeht, wird sie entweder sehr teuer oder sehr lange dauern. Man kann nicht einfach tausenden ihr Vermögen wegnehmen, ihre komplette Alterssicherung, alles. Es braucht also Zeit oder Geld, beides Dinge, die Griechenland nicht hat.
Gleichzeitig ist es eine Reform, die so schnell überhaupt keine positiven Auswirkungen hat: Nicht die Liberalisierung macht den Transport billiger, sondern die Konkurrenz, wenn immer mehr Menschen LKW kaufen und betreiben. Heute, wo Griechen keine Kredite bekommen und ausländische Investoren Griechenland fernbleiben ist das illusorisch. Im Gegenteil, die höheren Steuern (u.a. auf Kraftstoffe) machen den Transport teurer und erschweren so gesunden Unternehmen das Wirtschaften. Das ist ein Beispiel für die Strukturreformen, von denen die deutsche Bundesregierung so gerne redet. Sie sind unbedingt notwendig. Aber so isoliert, wie sie durchgeführt werden, führen sie garantiert nicht zu einem vernünftigen Ziel. Es ist ein bisschen wie mit jemandem, der aus gesundheitlichen Gründen abnehmen muss. Er könnte aufhören zu Essen und den ganzen Tag joggen. So ungefähr am dritten Tag wäre er dann tot. Gesund ist anders. Wirtschaftlich vernünftig auch: Eine tote griechische Wirtschaft wird keine Kredite zurückzahlen können. Es ist in niemandes Interesse, Dinge durchzusetzen, die genau dazu führen müssen.

Am Sonntag wird in Griechenland gewählt, und die deutschen Medien machen daraus eine Wahl um „Spar-Gegner“ und sogar „Euro-Gegner“ in Griechenland. Das ist Unfug in einer Größenordnung, dass es mir schon schwer fällt, mich noch ernsthaft drüber aufzuregen. Die überragend dämliche Moderation von Maybritt Illner im Heute-Journal einmal stellvertretend: Sie schafft es, einen Beitrag, in dem es heißt „niemand in Europa hat so viel gespart wie Griechenland“ und die extremen negativen Auswirkungen der Reformen zeigt anzumoderieren mit „Athen hat beim Sparen und Reformen nicht viel vorzuweisen“. Doch, hat es. Die aufgezwungenen Programme funktionieren nur nicht – was sie offensichtlich mit dem Verstand mancher Moderatoren gemeinsam haben, die Stichworte nur noch wie Apps benutzen.

Euro-Krise 2012. Nächster Gegner: die stolzen Spanier

Spanien hat einige Probleme, seine durch die Bankenrettungen gestiegenen Staatsschulden am Markt zu refinanzieren. Das ist im Prinzip die Situation, für die Euro-Rettungsschirme überhaupt erst eingerichtet wurden. Leider haben diese Rettungsschirme einen eingebauten Fehler: Die Gelder sind mit Bedingungen verknüpft, die gleichzeitig die Wirtschaft, der sie helfen sollen, abwürgen. Deshalb will der spanische Staat kein Geld direkt annehmen, sondern nur indirekt über seinen Bankenrettungsfond – denn dieser Bankenrettungsfond kann keine neuen Sparprogramme zusagen. Das ist die einfache Geschichte, die Spiegel Online vielleicht einen Tick kompliziert aufschreibt.

Wie würde man diese Geschichte überschreiben?

Bei SpOn entscheidet man sich so

Euro-Retter wollen Spaniens Banken helfen

Spaniens finanzielle Lage wird immer dramatischer. Nun gibt es Anzeichen für einen Kompromiss mit den Euro-Partnern. Einem Zeitungsbericht zufolge könnten Hilfsgelder an den spanischen Bankenrettungsfonds fließen. Der Vorteil: Beide Seiten würden ihr Gesicht wahren.

Das ist absurd. Hier klingt es, als wären auf der einen Seite wieder einmal die dummen Südeuropäer, die ihr „Gesicht wahren“ wollen, und auf der anderen Seite die „Retter“, die die uneinsichtigen Spanier erst zu ihrem Glück zwingen müssen.

In der Financial Times Deutschland wird – allerdings in einem Meinungsartikel – die wirtschaftspolitische Entscheidung des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, die bizarren Sparprogramme nicht weiter mitzumachen als rein taktisches, eher noch naives Wahlversprechen verkauft, das heute zu verbockten Fehlentscheidungen führt. Die Headline ist dementsprechend

Rettungsschirm oder nicht?
Spanien ist von falschem Stolz geblendet

Bebildert ist die Geschichte online mit einem Matador, der wohl für den übersteigerten spanischen Stolz stehen soll. Man kennt die ja, die Spanier.

Die Realität sieht so aus: Spanien hat mitten in der Krise sein Defizit von 117 Milliarden Euro in 2009 auf 91 Milliarden in 2011 gesenkt (das Defizit ist nach der Lehman-Krise explodiert, was nicht die Schuld des spanischen Staates war, der bis dahin ein Euro-Musterknabe war. Nicht dass das eine Rolle spielt, aber es soll mal gesagt sein). Der Gesamtschuldenstand beträgt heute noch niedrige 68 Prozent im Verhältnis zum BIP (gegenüber mehr als 83 Prozent z.B. in Deutschland). Es braucht niemand irgendwo auf der Welt so zu tun, als müsste er den Spaniern erklären, wie man einen ordentlichen Haushalt aufstellt. Dass die spanischen Schulden trotz des schrumpfenden Defizits rasant weiter wachsen liegt daran, dass die Wirtschaft zusammenbricht.

Aber: Spanien hat eine galoppierende Arbeitslosigkeit. Mehr als jeder Fünfte ist ohne Job, jeder zweite unter 25 Jahren. Hier immer nur weiter zu sparen, wie es die Troika aus EU, IWF und EZB ja schon in anderen Ländern erfolglos vorführt, treibt das Land nur immer tiefer in die Schuldenspirale – bei gleichzeitiger Verelendung der Bevölkerung.

Es gibt möglicherweise neoliberale Theoretiker, die ehrlich glauben, dass prozyklische Wirtschaftspolitik funktioniert. Gerade in Deutschland, wo wir die Krise mit zwei schuldenfinanzierten Konjunkturpaketen, der Abwrackprämie und dem Kurzarbeitergeld bekämpft haben ist das zwar schwierig zu erklären, aber es mag irgendwo solche Leute geben. Aber selbst für jemanden, der entgegen der historischen Evidenz und gut argumentierter Wissenschaft glauben mag wäre es infam, es mit ethnischer Prädisposition zu falschem Stolz zu erklären.

Nachdem die Griechen zu faul zum arbeiten sind, sind die Spanier jetzt also zu stolz, um zu tun, was richtig ist. Ich nehme an, zu den Portugiesen, den Italienern und den Iren fallen uns auch noch rechtzeitig rassistische Erklärungen dafür ein, warum sie einfach nicht so funktionieren, wie die Welt nunmal funktionieren muss, weil wir sie hier so sehen.

Ich erlebe seit Jahren, wie sich ein völlig realitätsfremdes Bild „der Griechen“ heute bis zur gefühlten Wahrheit durchgesetzt hat. In Deutschland halten die Menschen die Griechen inzwischen für zu doof zum wählen, und das ist einem völligen Versagen von Medien – also Journalisten – geschuldet.

Das einzig Gute an der Situation bisher war, dass zu viele Journalisten zu beschäftigt damit waren rassistische Klischees über Griechen zu verbreiten, dass zumindest Spanier, Portugiesen und Iren einigermaßen unbeschadet geblieben sind.

Entgegen dem, was ich oben geschrieben habe, glaube ich in Wahrheit eigentlich nicht, dass irgendjemand mit einem Hauch von Verstand glauben kann, dass die Programme der Troika in dem Sinne funktionieren, dass sie einem Land in der Krise helfen. Ich glaube nicht, dass es diese Theoretiker gibt – aber ich weiß, dass es eine starke Lobby derjenigen gibt, die an dieser Krise verdienen, so lange die verschuldeten Länder zugunsten ihrer Gläubiger ausgequetscht werden.

Was dann noch von den Ländern übrig bleibt, könnte nach dem Willen der Bundesregierung dann ja zum Beispiel als „Sonderwirtschaftszone“ genutzt werden, also als Region, in der Unternehmen ohne störende Arbeitnehmerrechte und Umweltauflagen zu niedrigen Steuern produzieren können. Eine eigene Dritte Welt in Europa! Das sind doch mal Programme.

Ich glaube, dass Journalisten, die in dieser Situation versuchen, die Krise mit ethnischen Stereotypen zu erklären, nicht nur falsch liegen, sondern unendlich ahnungslos sein müssen oder böse. Die Grenzen in dieser Krise verlaufen nicht zwischen Völkern, sondern zwischen denen, die an dieser Krise verdienen, und uns anderen, die wir dafür bezahlen. Es ist eine ekelhafte, neonationalistische Suppe, die da gerade angesetzt wird, und ich kann nur jeden Kollegen davor warnen, sich eines billigen, schlecht durchdachten Scherzes wegen dafür herzugeben.

Ich bin sicher, wir werden in den nächsten Tagen und Wochen eine Menge symbolischer Matador-Bilder zu sehen bekommen. Und jedem einzelnen, der nationale Töne in diese Diskussion einzuspeisen versucht möchte ich sagen:

Wir sind alle Griechen. Wir sind alle Spanier. Wir sind alle Iren. Wir sind alle Deutsche.

Und ihr seid alle Arschlöcher.

Der Grieche

Ich habe noch nie erlebt, dass er nicht der klügste Mensch in einem Raum war. Gleichzeitig war er immer derjenige, der am wenigsten gesagt hat.

Thomas Schmid hat in der Berliner Zeitung eine Geschichte über den Mann geschrieben, dessen Idealismus, sture Zähigkeit und die Überzeugung, dass man den Höhen und Tiefen des Lebens mit innerer und äußerer Eleganz zu begegnen hat, mich mehr beeindruckt haben als irgendjemand sonst.

Ich bin sehr stolz, Ihnen und euch Pantelis M. Pantelouris vorstellen zu dürfen, meinen Vater.