Wie klingt Hubert Burda eigentlich, wenn er optimistisch ist?

„Medien und damit auch Zeitschriften stellen allen Unkenrufen zum Trotz noch immer ein Grundnahrungsmittel in unserer Gesellschaft dar. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“

Das sagte Verbandspräsident Dr. Hubert Burda zu Beginn der – Vorsicht! – Zeitschriftentage des Verbandes der Zeitschriftenverleger 2008.

Und das sagte er heute zum gleichen Anlass:

„Bei mir ist die Gewissheit da, dass die Zeitschriften und das gedruckte Buch überleben werden.“

Aber auch das:

„Ich war letztes Jahr viel pessimistischer, als ich es heute bin.“

Was mich zu der Frage bringt: Wenn er sowieso jedes Jahr das gleiche sagt, unabhängig davon, was er wirklich denkt – wieso sagt er dann überhaupt etwas?

Wenn Qualitätsmedien nichts sagen

Über die Schweinegrippe will ich gar nicht reden, und das ganze Chaos drum herum, und es haben ja auch nicht die Medien dran schuld. Ich habe ein noch viel deprimierenderes Stichwort, das mit Sicherheit keiner mehr hören kann und will, aber ich warte nun seit Wochen und Monaten, dass irgendwann mal jemand sagt, was Sache ist, und es passiert nicht. Also nun ich: Es ist aus meiner Sicht eine Schande, was in diesem Land im Namen des Volkes mit John Demjanjuk passiert. Unter unser aller Augen, obwohl wir alle Fakten haben, die zur Bewertung des Falles auch aus medialer Sicht nötig sind. Offenbar will sich keiner an dem Nazi-Dreck die Finger verbrennen, und deshalb sagt niemand etwas. Das ist feige und falsch, und ich verbrenne mich jetzt. „Wenn Qualitätsmedien nichts sagen“ weiterlesen

Mein liebes Kindle – ist das der Durchbruch?

Seit einiger Zeit werden Journalisten mit Fragen bedrängt, über die wir uns vorher nie Gedanken gemacht haben, und von denen wir sogar behauptet hätten, es würde uns und unserem Journalismus schaden, wenn wir sie uns stellen müssten. Die wichtigste davon ist: „Wo ist das Geschäftsmodell?“

Ich weiß nicht, ob es dem Journalismus schadet, dass wir uns den Kopf darüber zerbrechen – ich halte es für möglich. Sicher ist aber, dass es sehr viel Zeit frisst. Insofern freue ich mich, wann immer wieder jemand etwas gefunden hat, von dem behauptet wird, es wäre jetzt endlich das Neue Große Ding – der Durchbruch.

Der Kindle, das elektronische Lesegerät von Amazon, ist wieder so ein Ding, und als mehr oder weniger süchtiger Techie habe ich mir die internationale Edition bestellt, als sie letzte Woche auf den Markt kam.

Es ist ein wunderschönes Gerät, elegant und flach und – ich kenne kein deutsches Wort dafür – sleek. Und man kann damit – einige Jahrhunderte nach Erfindung des Buchdrucks – fast genau so gut Bücher lesen wie in einem Buch. Allerdings kann man sehr, sehr einfach (und zu einem guten Preis) sehr viele (nicht alle) Bücher kaufen und gleichzeitig mit sich herumtragen. Für mich ist das ein gigantisches Argument, weil ich sehr viel lese, ohne sehr viel Zeit zu habe. Immer ein Buch dabei zu haben für die paar Minuten, die ich mir irgendwo nehmen kann, ist für mich eine Offenbarung (im Moment gibt es praktisch nur englische Bücher im Kindle-Store, auch das muss man mögen. Ich mag es).

Aber, wie bei so vielem, macht der Kindle und der Hype, der um ihn herum gemacht wird, etwas ganz anderes deutlich: Unser Verlangen nach Durchbrüchen – nach plötzlicher, rapider Veränderung, die alles zum Guten wendet. „Mein liebes Kindle – ist das der Durchbruch?“ weiterlesen

Manufakturen?

Wenn man von Dresden aus vierzig Kilometer nach Südosten fährt, durch windige, herbstbunte Täler ohne Handyempfang, der landet in Glashütte, der Heimat der Zeit. Hier werden seit 160 Jahren Uhren gebaut, seit der Wende wieder einige der besten der Welt. Zehn Firmen stellen inzwischen in Glashütte Uhren her, drei von ihnen in so genannten Manufakturen. Und nachdem Bernd Buchholz meint, dass Magazine bei Gruner & Jahr einige Dinge zwingend selbst machen müssten, sich andere Bauteile ihrer Hefte aber auch einfach aus den „vielen Manufakturen im Haus“ dazuholen könnten, um Kosten zu sparen, lohnt es sich vielleicht, sich ein paar Eigenheiten jener legendären deutschen Manufakturen in einer ganz anderen Branche einmal anzusehen. Denn ich glaube, dabei sind ein paar Dinge zu erkennen, die man richtig und falsch machen kann.

Das Geschäft mit Uhren ist ein merkwürdiges: Eigentlich braucht heute ohnehin kaum noch jemand eine Armbanduhr,weil jeder ein Handy hat, dass ihm die Zeit anzeigt, so sind Armbanduhren inzwischen eher ein Schmuck als ein Instrument, was ein bisschen unserer Zeit enspricht, in der Funktionen sowieso eher Ausdruck von Träumen sind als eine Notwendigkeit (ich habe einmal gelesen, nur zwei Prozent der Vierrad-getriebenen Autos in Deutschland verlassen jemals geteerte Straßen). Aber die Uhrenindustrie hat noch eine Eigenheit, die so skurril ist, dass sie jemandem, der sich für Uhren gar nicht begeistern kann, eigentlich nicht mehr vermittelbar ist: Die teuren Uhren sind in ihrer Funktion im Prinzip schlechter als die billigen. Konkret: Eine Zwanzigtausend-Euro-Uhr aus einer Manufaktur in Glashütte zeigt die Zeit nicht genauer an als eine Hundert-Euro-Digitaluhr aus einer Fabrik in Japan – im Gegenteil: Mit hoher Wahrscheinlichkeit geht der Japanwecker genauer.

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Eine Technik ist eine Technik ist eine Technik. Facebook nicht.

Offenbar habe ich gestern das Wort Qualitätsjournalismus dieses berühmte eine Mal zu oft gelesen, jedenfalls dachte ich heute Morgen, als ich beim Qualitätskiosk gehalten hatte um Qualitätskaugummis zu kaufen (für Griechen ist es schwer, mit dem Rauchen aufzuhören. Wenn ihr mich das nächste Mal sehr werde ich so dick sein wie ein Haus), und mich der Qualitätsbettler der Schanze angehauen hatte (dieser lange, dunkle, Rasputin-artige, der auf den Stufen der Flora schläft), ich dachte also: „Du und ich“, dachte ich, „du und ich, wir bilden schon eine Qualitätsdemokratie!“ Dabei bin ich mir gar nicht sicher, was ein Qualitätsbettler zu einer Qualitätsdemokratie beiträgt. Bei mir weiß ich es ja nun echt: Journalisten machen Qualitätsjournalismus, ne? Und alle so: hmmhmm.

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Erlösermodell – oder: Unser täglich Bernd gib uns heute

Ich muss zunächst einmal transparent zugeben, dass ich die Einstellung von Bernd „dem Dritten“ Buchholz an dieser Stelle vor ein paar Wochen falsch halluziniert habe. Ich sage das ganz offen und nach Schaden klug, und rufe deshalb besonders den jungen Kollegen zu: Verlasst euch nicht ausschließlich auf eure eigenen Halluzinationen, es sind unzuverlässige, kleine Schlampen! Aber das kann nur der erste Schritt sein. Nachdem Bernd III. nicht den von mir prophezeiten Gegenangriff gestartet hat, sondern vielmehr im Spiegel festgestellt hat, er werde „nicht auf Teufel komm raus alte Ideale [bewahren], um am Ende als Letzter das Licht auszumachen“, möchte ich an dieser Stelle festhalten, dass ich auf Teufel komm raus alte New York Movie Edward HopperIdeale bewahren werde, und es würde mich unangemessen stolz machen, wenn ich der letzte wäre, der das Licht ausmacht. Allerdings sage ich offen dazu: Gegen Bernds Flutlicht ist meines eher so eine Art Handy-Display-Beleuchtung im Bauch eines Wals.

 

Da sind wir also: Die alten Medien stagnieren im besten Fall, und Journalisten kämpfen zu sehr ums Überleben, um die ständig nötige Erneuerung der Formen und Ebenen noch zu schaffen. Und in den neuen Medien wird in das investiert, was am schlechtesten ist an ihnen. Der neue journalistische Klickführer bild.de macht im Prinzip so viel richtig mit seiner Umarmung von User-Generated-Content (und die Werbespots waren teilweise richtig geil), aber in Wahrheit sind die 1414-Leserreporter natürlich keine Bürgerjournalisten sondern Trolle mit einer Kamera – eher das, was wir als unvermeidliche Nebenwirkung zu ertragen versprochen haben als das, worum es uns eigentlich geht. „Erlösermodell – oder: Unser täglich Bernd gib uns heute“ weiterlesen

Die Geister, die er rieplt

Jetzt tue ich etwas, dass ich immer vermeiden wollte, um mir selbst nicht den Spaß zu verderben: Ich wollte nie über das so genannte Riepl’sche Gesetz schreiben („Die Medienentwicklung verläuft kumulativ, Neues verdrängt Altes nie vollständig“), weil es erstens ein Feld ist, in dem mehr Schwachsinn geschrieben wird als über Sex, und zweitens macht es Spaß, sich anzugucken, wie Verlags-Visionisten und Web-Wichtel sich mit bizarren Argumenten bewerfen. Es sieht aus wie eine Schlacht, in der die eine Seite Tomaten wirft und die andere Seite Eier – und beide denken sie hätten Granaten. Hinterher sind sie sehr erstaunt, dass der Gegner immer noch lebt.

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Für wen machen wir das eigentlich?

Im Stern steht heute eine ausführliche, schöne Titelgeschichte von Felix Hutt darüber, wie Soziale Netzwerke unser Leben verändern, und es ist schon geschrieben worden (habe nur vergessen wo), das wäre wohl die Geschichte, die der Spiegel eigentlich gern gehabt hätte statt des manchmal kruden zeugs in ihrer „Rechtsfreier-Raum-Geschichte“ vor ein paar Stern 37 09Wochen. Tatsache ist in jedem Fall: Hutt hat einmal groß, sauber und gut aufgeschrieben, was das alles eigentlich ist und wie es funktioniert. Ein bisschen sogar, was das alles soll, obwohl die Frage nach dem „Warum“ im Internet heute eigentlich keine Rolle mehr spielt, weil sie niemand mehr beantworten kann. Aber dazu kommen wir noch.


 Ich finde die Aufmachung ein bisschen seltsam: Es werden Menschen in schönen, großzügigen Schwarzweißbildern gezeigt. Sonst nix. Was ich einerseits verstehe, immerhin geht es in Netzwerken um nichts als Menschen, aber nach meinem Gefühl zeigt es eben zu viele Dinge nicht: Weder die Verbindung zwischen Menschen, noch die Geschwindigkeit, die Globalität oder auch nur den Exhibitionismus von Menschen, die an der großen Konversation teilnehmen. Die Bilder zeigen eigentlich sogar exakt das Gegenteil davon, was ja cool sein kann, aber wenn das hier cool ist kommt die Coolness bei mir nicht an. Auf mich wirkt das wie eine Art-Direktoren-Idee, an der man vielleicht besser noch ein, zwei Tage lang weitergedacht hätt. Aber das war es auch schon mit Kritik von meiner Seite. Was ich nämlich am interessantesten finde an dieser Geschichte, ist ein Paradebeispiel für eine Frage, die wir uns nicht oft genug stellen können: Für wen machen wir das alles eigentlich?

 

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Kontrollverlust – oder: Wie unsere Arroganz uns daran hindert, erfolgreich zu sein

Es scheint einen neuen Konsens darüber zu geben, dass die Welt verflacht, wir alle verdummen und dass das Fernsehen im Besonderen und die Medien im Allgemeinen daran Schuld tragen. Und als selbst erklärter Verfechter des so genannten Qualitätsjournalismus steht man dann achselzuckend davor und sagt sich: „Gegen den Scheiß, den die Leute offenbar sehen wollen, kann man ja mit Qualität nicht anstinken, denn auf Qualität muss man sich einlassen wollen.“ Wir haben uns ein Naturgesetz gebastelt, nachdem Qualität nicht so aufregend sein kann wie Trash. Deshalb gewinnt der Trash. Und wir haben keine Schuld.

Meiner Meinung nach ist das falsch, und das gleich auf mehreren Ebenen. Wir haben es seit Jahrzehnten in der Hand, Qualität aufregend zu machen. Wir tun es nur nicht. Und ich möchte versuchen darzulegen, warum das so ist. Oder zumindest, warum ich glaube, dass es so ist.
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