Geschwätz von gestern

Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler zeigte sich verärgert über neue Forderungen zum Euro-Rettungsschirm, wie sie von EU-Kommissionpräsident José Manuel Barroso geäußert worden waren. Wer die Entscheidungen des Euro-Krisengipfels nach nur zwei Wochen wieder in Frage stelle, „erreicht genau das Gegenteil und verunsichert die Märkte“, sagte Rösler gegenüber FOCUS.

Focus Online, 6. August 2011

„Eine Regierung muss sagen, was sie für richtig hält, und darf sich dabei nicht von Märkten treiben lassen.“

Philipp Rösler

z. B. sueddeutsche.de, 15. September 2011

PS.

Es sind viele Bekenntnisse, die Rösler ablegt. In der Sache aber bleibt er auf Kurs, verteidigt sich gegen Vorwürfe, er habe die Aktienwerte an den Börsen durch seine Äußerungen zum Einsturz gebracht: Das sei schon „merkwürdig“, er habe von seinen Aussagen „nichts zurückgenommen, modifiziert, geändert“ und „zwei Tage später waren die Märkte wieder beruhigt“. Die Zuhörer applaudieren ihm.

Spiegel-Online, 16. September

Hat der Bundeswirtschaftsminister gesagt, es sei „schon merkwürdig“, dass die Börsenkurse steigen, obwohl er nichts zurückgenommen habe? Im Sinne von: Der Vorwurf, er habe einen Kursrutsch verursacht ist falsch, weil sie schliesslich auch wieder steigen – übrigens, Herr Wirtschaftsminister, nachdem die Notenbanken begonnen haben, die Märkte mit Dollars zu fluten? Denkt er wirklich, das wäre ein Argument? Ist der Mann dämlich, oder lügt er sich die Welt zurecht? Und was wäre schlimmer?

Wired: Wo sind bloß diese ganzen Geeks?

Ich weiß, dass die wichtigen Sachen zur eben erschienenen deutschen Ausgabe von Wired schon gesagt sind, aber ich habe Lust, mich mal wieder um das Thema zu kümmern, für das dieser Blog mal gegründet wurde (und, ja, ich sage „der Blog“). Um Printprodukte und ihre Gegenwart.

Ich bin wahrscheinlich ein bisschen voreingenommen. Ich hätte erstens gerne an einer deutschen Wired mitgearbeitet, und zweitens ging mir Thomas Knüwer, der Chefredakteur, immer wenn ich etwas in seinem Blog „Indiskretion Ehrensache“ gelesen habe, mit seiner Überheblichkeit auf die Nerven. Aber ich glaube, es ist nicht so schlimm, dass ich meine Emotionen da nicht beherrschen kann. Und ich bin grundsätzlich tief drinnen ganz angetan von dem Mut von Moritz von Laffert, mit der Konzeption einer deutschen Wired jemanden zu betrauen, der noch nie ein Magazin gemacht hat. Es ist ja nicht so, dass die Erfahrung bei allen anderen pausenlos nur Erfolge hervorbringt. Insofern ist das ein Weg, der sich lohnen könnte – ich bin immer für mehr Experimente.

Und die neue Wired ist erstens mal erschienen, was gar nicht so selbstverständlich ist, wie es sein sollte, und sieht zweitens auf den ersten Blick mehr als nur ordentlich aus. Ich verstehe das Cover nicht, weder die Titelzeile noch die Illustration, aber ich finde sie erstens hübsch und zweitens ist dieses Heft zunächst mal gar nicht für den Kioskverkauf vorgesehen, sondern eine Beigabe zu GQ, insofern darf man da Markenbildung über Verkäuflichkeit stellen. Als Verkäufer hielte ich den Titel für einen Stinker, aber dazu kommen wir noch.

Beim ersten Blättern fallen mir – neben der guten Gestaltung – zwei Dinge negativ auf: Das Heft hat wenig Rhythmus, zu viele kleine Geschichten und letztlich keine große Geschichte, die bei mir hängenbleibt. Und, als eindeutiges Mitglied der Zielgruppe, wenn dazu die Tatsache reicht, dass ich regelmäßiger Leser der US-Ausgabe bin, finde ich auf den redaktionellen Seiten kein einziges Produkt, das ich kaufen wollen würde. Da bin ich billig zu haben: Ich mag die Seiten mit Ferngläsern, Kameras oder Lautsprecherboxen. Ich mag Technik, die ich benutzen kann. Aber die deutsche Wired nutzt den Raum, den sie dafür hat, für Produkte wie eine Wasserpfeife für 1300 Euro oder den üblichen Roboter-Staubsaugertest, den ich seit acht Jahren irgendwann in jedem Magazin mal gesehen habe, obwohl ich immer noch keinen Menschen kenne, der so ein Ding je gekauft hat.

Das ist nicht so uneingeschränkt schlecht, wie es klingt. Ich suche beim Lesen wie beim Entwickeln von Zeitschriften nach Charakter, und Charakter wahrscheinlich am ehesten in der Bedeutung des Wortes wie bei einem Charakter in einer Fernsehserie. Da wahrscheinlich keine einzige Information in einem Magazin exklusiv ist, geht es bei Zeitschriften ausschließlich um die Weltsicht, und die wird neben der textlichen und gestalterischen Aufmachung auch durch die Themenauswahl bestimmt (zur Analogie: man guckt Fernsehserien auch nicht wegen der Geschichten, sondern wegen der Charaktere. Ob bei Doktor House ein Krebs oder ein Bruch behandelt wird ist nebensächlich neben der Frage, wie er behandelt).

Jedenfalls: Die Auswahl der Produkte und vieler Themen habe ich nicht verstanden, in dem Sinne, als sie mir kein Bild vom Charakter der Zeitschrift gegeben haben, das mich angesprochen hat.

Sehr viel wert wird dann beim zweiten Lesen auf die Entwicklung einer expliziten Weltsicht gelegt. Das zeigt sich am offensivsten in der Titelgeschichte über „Geeks“. Offenbar herrscht in der Redaktion oder zumindest bei ihrem Chefredakteur die Meinung vor, erstens einmal wäre „Geeks“ der positive Ausdruck für „Nerds“ (was mir nicht klar war – ist es eigentlich immer noch nicht), und zweitens wären Nerds in Deutschland irgendwie unterbewertet. Er macht das daran fest, dass die Süddeutsche Zeitung nicht regelmäßig über Geeks schreibt, was ich für ein komisches System halte. Die Süddeutsche Zeitung schreibt auch wenig über Spackos, obwohl sie in meinem Leben extrem präsent sind. Ich habe oft den Eindruck, ich wäre von Spackos umgeben. Ich nehme der Süddeutschen aber nicht wirklich übel, dass sie praktisch nie über Spackos schreibt, weil ich diesen im allgemeinen Sprachgebrauch unüblichen Begriff sehr eigenwillig benutze, und ich habe den Eindruck, mit Knüwer und den Geeks ist es ähnlich.

Allerdings könnte man den Begriff Geek, wie Knüwer ihn benutzt, aus meiner Sicht ziemlich genau mit dem in Deutschland gefeierten Begriff „Tüftler“ synonym benutzen, und dann bricht die komplette These der Titelgeschichte zusammen. Kurz: Ich halte die komplette These für Unfug, was auch daran liegt, dass sie abenteuerlich belegt ist.

Knüwer schreibt, es wäre merkwürdig, dass Geeks keine Rolle spielen, wo doch Geeks wie Gutenberg und Carl Benz das Land groß gemacht hätten. Allerdings bestreitet niemand deren Leistung, es nennt sie nur niemand Geeks (aber ich schlage im Zuge der ausdrücklich eingeforderten Leserbeteiligung vor, sich mal mit dem Skandal zu beschäftigen, dass verschwiegen wird, dass Hitler der Spacko das Land mal komplett ruiniert hat. Das muss man doch mal aufschreiben!).

Gleichzeitig stellt Knüwer fest, dass „die Politiker“ und irgendwie auch alle anderen das Land kaputt machen, weil sie Geeks nicht fördern. Geeks sind dabei Menschen wie Gutenberg, Benz und eine junge Frau, die tolle Schokolade macht, die Politiker und der Spiegel unterdrücken sie aber, indem sie das Internet gefährlich finden und immer nur regulieren wollen. Nochmal zum Mitdenken:

[Geeks] gründen Fotografie-Startups oder entwickeln neue Produktionsmethoden für ethisch korrekte Schokolade.
Anerkennung und Respekt ernten sie dafür wenig – im Gegenteil. Sie werden zu Außenseitern erklärt. Zu Nerds. Freaks. Zu Parias. Zum Beispiel vom „Spiegel“: „Macht das Internet doof?“; „Netz ohne Gesetz“; „Die Unersättlichen – Milliardengeschäfte mit privaten Daten“ – alles Schlagzeilen seit 2008″

Wenn das wahr ist, dann ist es mir komplett entgangen. Werden Schokoladen-Tüftler zu Parias gemacht? Ich habe aber den Eindruck, dass da Dinge miteinander vermischt werden, um irgendetwas zu belegen, von dem der Wired-Chefredakteur denkt, es wäre so – das sich aber nicht belegen lässt. Knüwer leitet daraus dann allerdings her, dass es eine Angst der Eliten vor dem Netz gibt, die ja immerhin gesehen haben, wie man mit dem Netz in Nordafrika Diktatoren stürzt – was ich dann auch wieder in jeder Hinsicht für Quatsch halte. Aber wie dem auch sei, die Geschichte geht in etwa so: Die deutschen Eliten verspielen aus Angst davor, ihr Verhalten zu ändern, die Zukunft des Standortes Deutschland. Andere machen das teilweise besser. Und das sind Geeks.

Ein Geek für Deutschland – das wäre eine Idee. Oder auch mehrere. Viele. Geeks haben das Fachwissen, das in der Politik fehlt und oft auch in der Wirtschaft.

Es gibt also irgendwo eine Horde von ganz tollen Typen, die alles nötige Fachwissen haben, damit bisher aber weder in der Wirtschaft arbeiten noch in der Wissenschaft, wo Politiker ihre Experten rekrutieren. Das ist aus meiner Sicht eine so abenteuerlich jenseits der Realität angesiedelte Vorstellung von der Welt, dass ich nicht einmal weiß, wie man darauf antworten soll. Ich würde nur diesen Keller gerne sehen, in dem die Geeks angeblich aufbewahrt werden. Positiv festhalten lässt sich, dass hier das Programm der deutschen Wired in seiner Essenz aufgeführt wird, denn genau so geht es weiter: Die da oben haben keine Ahnung, und wir sind das Organ derjenigen, die es besser wissen.

Da wird ein Wirtschaftsjournalist vorgestellt, weil er offenbar Wirtschaftsjournalismus macht, und sich „mit Star-Ökonomen anlegt“ (gemeint mit „Star-Ökonom“ ist, knihihi, Hans-Werner Sinn).

Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, der irgendwas zum Thema Cyberwar macht, und sich dabei „mit Generälen und Politikern“ – na? Genau: anlegt (übrigens damit das Militär nicht so viel das Internet benutzt, das ist zu unsicher).

Dann kriegt es angeblich keiner in Deutschland mit, dass Berlin zu einem tollen Startup-Standort geworden ist. Badoo ist ein Social-Network-Phänomen „aber keiner redet drüber“. Computerspiele sind das „Medium von morgen“, aber Spiele sehen aus wie Hollywoodfilme von gestern.

Das sind alles nur Zitate aus den Vorspännen von Geschichten, in den Geschichten selbst geht es aber dann genau so weiter: Wenn ich den Charakter der deutschen Wired beschreiben sollte, würde ich sagen, sie leidet daran, dass sie glaubt, alles besser zu wissen als alle anderen. Wenn doch endlich jemand auf sie hören würde!

Die Frage, die sich aus Verlagssicht dazu stellt, ist ob es genug Menschen gibt, die die Welt genauso sehen. Die Verschwörungstheoretiker in den Kommentarspalten der deutschen Nachrichtenangebote sprächen dafür, dass es so ist. Das Gefühl, alles besser zu wissen und „die Politik“ dafür zu verachten, wie wenig Ahnung sie angeblich hat, sorgt – inhaltlich allerdings auf einem höheren Niveau – ja auch für die großartige Auflage des Spiegel. Dass ich das Konzept persönlich nicht mag, heißt nicht, dass es nicht funktionieren kann.

Aber ich finde es langweilig.

Tugenden

Inzwischen begibt sich selbst der sonst eher rational argumentierende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in die Niederungen, in denen seine Kollegen aus der Regierungskoalition ihren billigen Stimmenfang betreiben. Die Politiker von CDU und FDP versuchen seit inzwischen fast zwei Jahren mit Unterstützung der üblichen Medien, für die Schuldenprobleme vor allem der südeuropäischen Staaten charakterliche Defizite verantwortlich zu machen. Da ist von Schulden-„Sündern“ die Rede, von „Schlendrian“ und allen möglichen Mentalitäten (erstaunlicherweise nicht, wenn es um die USA geht, aber warum sollte falsche Argumentation konsistent sein). Schäuble bedient sich nun implizit derselben argumentativen Schiene, wenn er in einem Beitrag in der Financial Times zum Beispiel behauptet

There is some concern that fiscal consolidation, a smaller public sector and more flexible labour markets could undermine demand in these countries in the short term. I am not convinced that this is a foregone conclusion, but even if it were, there is a trade-off between short-term pain and long-term gain.

Das Bild vom reinigenden „Schmerz“, der auf lange Sicht die Erlösung bringt, passt perfekt in die Ideologie derjenigen, die Länder „leiden“ sehen wollen, weil sie „Sünder“ sind (und wenn er da nicht nur einen merkwürdigen Witz machen wollte, verlangt EU-Kommissar Günther Oettinger, dass Länder mit einem Haushaltsdefizit in Zukunft dadurch gedemütigt werden sollen, dass ihre Flaggen vor den EU-Gebäuden auf Halbmast gesetzt werden sollen. Was für ein kranker Mann). Die Maßnahmen, die deutschen Regierungspolitikern zu den Problemen unserer Zeit einfallen, erinnern stark an die Maßnahmen, die der katholischen Kirche in vergangenen Jahrhunderten zu den Problemen ihrer Zeit eingefallen sind: tue Buße. Und das war dann das. Ökonomisch ergibt das selbstverständlich keinen Sinn, aber Ökonomen sind auch berühmt dafür, dass sie im Gegensatz zur BILD-Zeitung nicht in moralischen Kategorien denken. Die Wählerverarschung erfüllt inzwischen wahrscheinlich die Definition für Organisiertes Verbrechen.

Wie falsch die Rechenschieber-Inquisiteure und Sparprogrammierer dabei liegen zeigt in dieser Woche ausgerechnet eine bemerkenswerte Rede aus einer gänzlich unerwarteten Ecke. Charles Evans, Präsident der Chicagoer Zentralbank (die US-amerikanische „Federal Reserve“ besteht aus einer Reihe regionaler Zentralbanken), weist in einer Rede darauf hin, dass die Verantwortung seiner Institution nicht nur darin bestehe, die Inflation knapp unter zwei Prozent zu halten, sondern auch die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten.

Suppose we faced a very different economic environment: Imagine that inflation was running at 5% against our inflation objective of 2%. Is there a doubt that any central banker worth their salt would be reacting strongly to fight this high inflation rate? No, there isn’t any doubt. They would be acting as if their hair was on fire. We should be similarly energized about improving conditions in the labor market.

Nur noch einmal zum auf der Zunge zergehen lassen: das sagt ein Zentralbanker in den USA – nicht unbedingt ein Land, auf das der ständig von unseren Regierungsparteien implizierte Vorwurf zutrifft, Eingriffe in den „freien“ Arbeitsmarkt zu praktizieren, die angeblich schädlich sind, weil sie letztlich die Disziplin, also die Tugend, der sündigen, faulen Arbeitnehmer untergraben (Evans plädiert in der Folge dafür, mehr Geld in den Markt zu pumpen und eine mäßig steigende Inflation zugunsten von neuen Jobs zumindest zeitweise in Kauf zu nehmen).

Was für den Währungsraum USA gilt stimmt auch für den Währungsraum Euro: Gleichzeitig auf Kosten grassierender Arbeitslosigkeit – besonders unter jungen Europäern – offensichtlich nutzlose Sparprogramme durchzudrücken, und das auch noch mehr oder weniger versteckt als Tugendhaftigkeit zu verkaufen, ist verlogen und bigott. Anstatt ihrer Verantwortung für die Bevölkerung(en) gerecht zu werden, tauschen Schäuble und seine Spießgesellen die Schicksale von Millionen Menschen gegen die Rettung von Banken – und deklarieren den Schmerz der Millionen verarmenden um zu einer Art spiritueller Reinigung.

Wenn es einen Gott gibt, dann gibt das Ärger.

PS. Der von mir geliebte Economist sieht es seit heute ähnlich:

There is an angry self-righteousness to German rhetoric. Schulden, the German word for debt, is derived from Schuld, which also means guilt. In a revealing recent speech in Washington DC, Wolfgang Schäuble, the German finance minister, said that the crisis was the result of forsaking “long-term gains for short-term gratification”, by piling up debt and abandoning competitiveness. The answer is not to throw more money at the problem. “You simply cannot fight fire with fire,” he said. One could almost hear an echo of Martin Luther denouncing the sale of indulgences. Why should sinners be given an easy way out?

Wie wird man eigentlich „Journalist“?

Weil Hetze nicht schlecht wird, wenn man sie ein paar Monate nicht benutzt, hat Bild.de heute noch einmal den Artikel ausgepackt, in dem sie darauf hinweist, dass sie in Bezug auf Griechenland schon immer Recht hatte (Anlass dafür, auf alte Artikel wie den mit der Headline „Griechen streiten und streiken, statt zu sparen!“ (BILD, 25. Februar 2010) hinzuweisen ist lustigerweise offenbar die spätestens seit gestern durch die Troika-Prüfungen belegte Tatsache, dass Griechenland zu viel spart).

Allerdings hat Bild.de einen zumindest für mich neuen Aspekt zu der Geschichte hinzugefügt: Kritik an Bild. In einer kleinen Klickgalerie zitiert Bild tatsächlich Experten, die die Kampagne der Bild kritisiert hatten! Oh, Moment, Experten? Nein: „Experten“. In Anführungsstrichen. „So wurde Bild von „Experten“ kritisiert“, heißt der Kasten. Und die Anführungsstriche sind, wie früher bei „DDR“, offenbar gedacht, um „so genannte“ zu insinuieren. Es handelt sich nach Ansicht von Bild bei Menschen wie dem Wirtschaftsminister Thüringens, Roland Koch und Sigmar Gabriel nicht um Experten, sondern nur um so genannte. Was besonders wundert bei Professor Doktor Peter Bofinger, einem der fünf Wirtschaftsweisen: Noch am 15. August nannte Bild selbst den so genannten „Experten“ nämlich einen „führenden Wirtschaftswissenschaftler Deutschlands“ – ohne Anführungsstriche natürlich.

Womit sich die Frage aufdrängt: Wird man eigentlich als „Journalist“ geboren, oder muss man sich den Hang dazu, die Welt auch mal als irgendetwas außerhalb des eigenen Kopfes zu betrachten, erst mühsam abtrainieren?

Die WELT hat eine Lösung für die Schuldenkrise: Lasst arme Schulen pleite gehen!

In der Welt geißelt heute eine Stellvertretende Chefredakteurin die Tatsache, dass es auf der ganzen Welt reiche Menschen gibt, die eine Reichensteuer fordern, obwohl sie die ja selbst bezahlen müssten. Nachdem sie diese Tatsache kolportiert hat („Wir leben wahrlich in ungewöhnlichen Zeiten“) steigt die Autorin steilst in ihre These ein.

Forderungen nach einem höheren Spitzensteuersatz oder einer Vermögensteuer kommen gemeinhin von der politischen Linken. Dass viele Linke die Wirkkraft „des Kapitals“, wie sie denunziatorisch Unternehmen nennen, für Wohlstand und Vorankommen unserer Volkswirtschaften verkennen, ist so traurig wie wahr.

Natürlich ist es nur ein rhetorischer Kniff, seine eigene Ausführung mal eben als wahr zu kennzeichnen, aber es hülfe der Aussage nichtsdestotrotz, wenn sie stimmte. Aber was für ein Blödsinn ist denn das?

Wer nennt ein Unternehmen denunziatorisch „Kapital“? In keiner einzigen Theorie oder Lehre der Welt werden Unternehmen als Kapital bezeichnet. Kapital ist in der Volkswirtschaftslehre ein Produktionsfaktor und bezeichnet bei Marx Geld, dass nur zur Profitgewinnung eingesetzt wird. Das Unternehmen an sich ist für die Linken im Gegenteil eine so tolle Sache, dass sie finden, möglichst alle sollten welche haben. Aber das ist nebensächlich.

Das Lustigste an dieser Passage ist nämlich die Bräsigkeit, mit der die Tatsache, dass die Forderung nach einer Reichen- oder Vermögenssteuer im beschriebenen Fall überall auf der Welt keineswegs von „Linken“ gefordert wird, zur Seite gewischt wird, weil es die Meinung der Autorin verlangt, auf Linke einzuschlagen. Wenn Reiche tatsächlich fänden, der Staat habe gerade ganz einfach zu wenig Geld, dann würde das ihr Weltbild zerstören. Also darf es nicht sein. Sie schlägt einfach dahin, wo sie offenbar immer hinschlägt. Das ist schon kein rhetorischer Kniff mehr, das ist der Versuch, eine Olympische Goldmedaille für sich zu reklamieren, weil man schließlich viel schneller gelaufen wäre, nur ganz woanders und leider ohne Zeugen. Aber echt wahr.

Ihre notorische Forderung nach Reichensteuern dient daher nicht der vielgepriesenen Gerechtigkeit, denn die läge in einer Befreiung der Mitte aus der kalten Progression. Nein, mit dem Dauergebet von der wachsenden Schere zwischen Arm und Reich wird nur ein Ressentiment bedient und Neid gegen „die Reichen“ geschürt.

Ähm, ja? Mit dem „Dauergebet“ von der wachsenden Schere wird nicht die wachsende Schere kritisiert sondern nur der Neid geschürt? Also der Neid, der nicht dadurch entsteht, dass Reiche überall auf der Welt in so extremer Weise immer reicher werden, dass einige von ihnen selbst fordern, man solle sie gefälligst höher besteuern? Die wachsende Schere ist ein nachgewiesener Fakt, aber manche Meinungen mögen nicht von Tatsachen behindert werden. Aber wir reden ja hier sowieso schon anlassfrei über Linke, deshalb unterfüttern wir die Argumentation auch lieber faktenfrei.

Dass einzelne Unternehmer mehr Steuern zahlen wollten, sei ein bemerkenswertes Signal, fällt der Autorin auch auf, und sie möchte ihnen den Spaß auch gar nicht nehmen.

Wenn Reiche mehr für ihre Gesellschaft tun wollen, sollten sie spenden und stiften, wie dies die großen amerikanischen Unternehmer von Carnegie bis Gates immer taten. Niemals hätten sie dem Staat Aufgaben überlassen, die doch tief im Bürgersinn verankert und in Kommunen und Städten gut aufgehoben sind.

Abgesehen davon, dass Kommunen und Städte Teil unseres gemeinsamen Staates sind: Meint die Autorin tatsächlich, man solle letztlich die Qualität von Schulen davon abhängig machen, ob sich ein großzügiger Spender für sie findet? Ähm, ja, ganz genau.

Niemand hindert Otto oder Westernhagen, ihr Geld für die Sanierung von Schulen zu spenden oder andere Projekte zu fördern, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen. Der Staat aber muss endlich schlanker werden. Mitleid hat er nicht verdient.

Das ist so bizarr, dass man ein irres Kichern hinter den Zeilen zu hören glaubt. Wenn Herr Otto (der Versandunternehmer) oder Herr Müller-Westernhagen, die als Reiche eine Reichensteuer fordern, nun gerade die Schule meiner Tochter nicht bedenken, soll diese nicht saniert werden, um dem Staat eine Lehre zu erteilen? Und mir vielleicht auch, weil ich nicht reich bin? Immerhin gehöre ich wahrscheinlich zu der Mittelschicht, der die Welt-Vize-Chefredakteurin die Steuern gesenkt sehen will, insofern ist sie wahrscheinlich im Gegenteil dafür, dass die Schule meiner Tochter noch weniger Geld bekommt. Da soll der Staat doch mal sehen, was er davon hat! Selbst schuld!

Abgesehen davon, dass der Text historische, politische und logische Schwächen hat, zeigt er doch zumindest, dass die Autorin eine Meinung hat. Aber wenn es ihre eigene ist, warum versteht sie sie dann nicht?

Es ist ja nicht so, dass irgendjemand die Meinung vertreten würde, „der Staat“ solle Geld verprassen. Niemand will das. Natürlich muss jeder Staat seine Steuereinnahmen effizient einsetzen, und natürlich kann man ewig darüber streiten, ob er es tut und dass er es regelmäßig an vielen Stellen nicht tut. Aber genau das macht die Autorin ja nicht. Was wäre denn sinnvoller eingesetztes Steuergeld als die Sanierung einer Schule? In unserer kompletten Debatte um die Zukunft Deutschlands, die Wirtschaft, Integration, was auch immer – die zentrale Forderung ist immer: bessere Bildung. Das ist keine linke Position, das ist das Mantra quer durch die gesamte Republik. Zu recht. Und genau das sollen wir dem Goodwill von Reichen überlassen? Das ist der Punkt, an dem die Autorin findet, wir hätten zu viel Staat?

Der Staat hätte bewiesen, dass er schlecht haushaltet und die Politik suche nur Sündenböcke für die Schuldenkrise, die sie selbst verursacht habe, geht der Kern der Argumentation. Das Zweite ist zumindest insoweit Quatsch, als man alle Bankenrettungsschirme aus allen Staatsschulden herausrechnen müsste, um ein Bild von der Schuld der Politik zu haben, und dann sähe die Welt anders aus (die Welt wahrscheinlich nicht). Aber selbst wenn man das als Meinung gelten lassen wollte, ist dann die Antwort, Schulen verfallen zu lassen, damit Reiche nicht mehr Steuern zahlen müssen – und gleichzeitig einfach nicht mehr darüber zu reden, dass die Reichen immer reicher werden, um keinen Neid zu wecken?

Ich sehe meine Tochter schon nachhause kommen und mit großen Augen erzählen: „Papa, ich habe durch den Zaun gesehen, an der Roland-Berger-Gesamtschule regnet es gar nicht rein und alle Fenster haben Scheiben!“ Ich sag ihr dann: „Nicht neidisch sein, das ist, weil ein guter reicher Mensch ihnen hilft. Und wenn wir ganz lieb sind, dann hilft uns sicher auch irgendwann einer. Reiche sind so!“

Das muss eine ganz biestige Sache sein, diese „viel gepriesene Gerechtigkeit“. Ist die ansteckend?

Gutmenschen

Selbst in der über alle Maßen bewundernswerten Reaktion der norwegischen Öffentlichkeit auf den Massenmord vor einer Woche gibt es noch Dinge, die herausstechen. Angesichts der Katastrophe haben die Führer des Landes – allen voran Ministerpräsident Stoltenberg und Kronprinz Haakon – Worte und Haltung gefunden, die der ganzen Nation und darüber hinaus Menschen in der ganzen Welt in dieser langen, dunklen Nacht der Seele Trost, Mut, Kraft und das Gefühl einer starken Gemeinschaft gegeben haben.

Heute Abend sind die Straßen mit Liebe gefüllt. Wir wollen Grausamkeit mit Nähe beantworten. Wir wollen Hass mit Zusammenhalt beantworten. Wir wollen zeigen, wozu wir stehen. […]

Heute Abend sind die Straßen mit Liebe gefüllt. Wir stehen vor einer Wahl. Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen. Aber wir können uns entscheiden, was es mit uns als Gesellschaft und als Einzelnen macht. Wir können uns dafür entscheiden, dass niemand allein stehen muss. Wir können uns dafür entscheiden, zusammenzustehen.

Jeder Einzelne hat diese Entscheidung, Du hast sie und ich habe sie. Zusammen haben wir eine Aufgabe zu erfüllen. Diese Aufgabe steht an, wenn wir beim Abendessen zusammensitzen, in der Kantine, beim Vereinsleben, als Freiwillige, Männer und Frauen, auf dem Land und in der Stadt.

Wir wollen ein Norwegen in dem wir zusammenleben in einer Gemeinschaft, mit der Freiheit Meinungen zu haben und uns zu äußern. In der wir Unterschiede als Möglichkeiten sehen. In der Freiheit stärker ist als Angst. Heute Abend sind die Straßen mit Liebe gefüllt.

Kronprinz Haakon

Ich kann (und mag) mir niemanden vorstellen, der davon unbewegt bleibt. Aber natürlich wissen wir, wie sehr die Aufgabe verblassen wird mit jedem Tag Abstand von den Geschehnissen, so wie sie sicher blasser sind mit dem räumlichen Abstand vom Ort des Geschehens. Es werden Tage kommen, wo wir in Kantinen kaum zusammen sitzen mögen, geschweige denn zusammenstehen. Und ich kann mir sehr genau vorstellen, wie an einem solchen Tag ein erwachsener Mann genannt werden wird, der öffentlich von Liebe, Nähe und Zusammenhalt spricht. Es gibt in unserer Gesellschaft tatsächlich einen Kampfbegriff für jemanden, der ständig das will, von dem den meisten nur in Ausnahmesituationen bewusst wird, dass sie es eigentlich auch richtig finden.

Am Donnerstag vor dem Massenmord hätte man Haakon für dieselben Worte einen „Gutmenschen“ genannt.

Es ist einer der schlimmsten Begriffe, die ich mir überhaupt vorstellen kann, weil er in Wahrheit die Tür zu einer ideologischen Gesamtladung aufstößt. Ich zitiere einigermaßen willkürlich ein winziges, unwichtiges Beispiel aus der bürgerlichen Presse, gerade um zu zeigen, wie weit es sich in die ganz normale Debatte gefressen hat: Am 1. Mai portraitierte Winand von Petersdorff in der FAS den Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus und bietet dabei eine erstaunliche Erklärung für dessen Erfolge. Yunus‘ Mikrokredite an die Ärmsten, um diesen einen Einstieg ins Geschäftsleben zu bieten, funktionierten zwar wahrscheinlich nicht, gefielen aber allen offenbar relevanten Gruppen, nämlich liberalen Ökonomen, Pragmatikern unter den Entwicklungshelfern, Linken und – natürlich – Gutmenschen.

Nun ist man wahrscheinlich selber schuld, wenn man sich wie ich überhaupt über einen Autoren ärgert, der Yunus in seinem Text mehrfach nur den „kleinen Bengalen“ nennt, aber irgendwann reicht eben alles – und Petersdorff ist ja auch diesseits der Broders und ähnlicher Taschenwärmer-Reaktionäre nicht allein in seiner Verächtlichmachung von Menschen, die glauben, dass es Norwegen tatsächlich gibt. Denn das ist die Ideologie: Gutmenschen, lautet der immer implizierte Vorwurf, glauben an das Gute im Menschen, und das sei naiv.

Dass das Gegenteil des Vorwurfs richtig ist, dass nämlich eine Gesellschaft, die auf der permanenten Abwehr des Schlechten basiert nicht funktioniert, hat in letzter Zeit wohl niemand besser in Worte gefasst als Norwegens Premierminister Jens Stoltenberg.

Inmitten dieser Tragödie bin ich stolz darauf, in einem Land zu leben, das es geschafft hat, in einem kritischen Moment aufrecht zu bleiben. Ich bin beeindruckt von der Würde, dem Mitgefühl und der Entschlossenheit die mir begegnet sind. Wir sind ein kleines Land, aber ein stolzes Volk.

Wir sind immer noch von dem, was passiert ist geschockt, aber wir werden nie unsere Werte aufgeben. Unsere Antwort ist mehr Demokratie, mehr Offenheit und mehr Menschlichkeit. Aber nie Naivität.

Wenn es einmal ein Gutmenschen-Manifest geben sollte, dann sollten die letzten zwei Sätze seine Präambel werden, und wer immer ein Land zu führen hat, sollte seinen Eid darauf ablegen.

Mögen die Gutmenschen gewinnen.

Deutsch-österreichische Nachrichtenorganisationen versagen

Ich weiß nicht einmal, wie ich die Unfähigkeit nennen soll, die offensichtlich Redakteure befällt, wenn sie über Zypern schreiben sollen.

Erdogan will die Beziehungen zur EU während der griechisch-zyprischen Ratspräsidentschaft einfrieren.

Das schreibt Spiegel Online, auch nachdem sich der Bildblog – von dem mir niemand erzählen muss, dass er bei SpOn nicht gelesen würde – schon einen Tag vorher darüber lustig gemacht hat, dass offensichtlich auch Mitarbeiter der Agentur AFP nicht in der Lage sind, Zypern und Griechenland auseinander zu halten. Natürlich ist der Weltmarktführer der Idiotie in diesem Fall immer noch Welt Online, die in der Bildunterschrift zu dem entsprechenden Artikel immer noch tagelang behauptet haben, Griechenland und Zypern würden gemeinsam die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Aber während manche Redaktionen sich von dem katastrophal bescheuerten AFP-Artikel in die Irre führen lassen, schreibt Jürgen Gottschlich aus Istanbul offenbar bei vollem Bewusstsein für SpOn Sätze wie diesen:

Hoffnungen auf ein Einknicken macht Erdogan den Griechen allerdings nicht: Jene Zugeständnisse, welche die Türkei im Uno-Plan von 2004 gemacht hatte, sind laut Erdogan obsolet.

Um es noch einmal so zu sagen, dass es auch die fast vollständig retardierten unter den Nachrichtenmenschen in den sicher irgendwie total überlasteten Redaktionen verstehen: Zyprioten oder meinetwegen Zyprer sind genau das, und nicht Griechen. Zypern ist ein unabhängiger Staat, und es ist nichts an der Zypernkrise umstritten. Die angebliche Republik Nordzypern ist genau von einem einzigen Staat der Welt anerkannt, nämlich der Türkei, während das angebliche Südzypern, das Ihr auch gerne mal griechisches Zypern nennt, in Wahrheit die Republik Zypern ist, die die ganze Insel umfasst, Mitglied der EU ist und mit Griechenland so viel zu tun hat wie Österreich mit Deutschland. So viel Versagen bei den einfachsten, aber wirklich allereinfachsten Fragen des Nachrichtenjournalismus wie in den letzten zwei Tagen habe ich schon mindestens seit zwei Wochen nicht erlebt. Ihr Nulpen!

PS. VIEL besser spät als nie: Welt.de hat den Text korrigiert und angemerkt

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieser Nachricht wurde Zypern fälschlich als „griechische Inselrepublik“ bezeichnet. Fakt ist, dass Zypern eine eigenständige Republik ist und kein Ableger Griechenlands. Wir bitten um Entschuldigung.

Ich ziehe die Nulpen also zurück, obwohl ich mich gerade so an das Wort gewöhnt hatte.

Was soll man eigentlich über Griechenland denken?

Dieser Text ist entstanden auf Anregung und im Auftrag von jetzt.de, die ihn tatsächlich auch in voller Länge veröffentlicht haben (allerdings leserfreundlicher in drei Teilen). Es ist mein Versuch, zumindest oberflächlich einmal zusammenzufassen, warum aus meiner Sicht Debatte und Berichterstattung über Griechenlands Schuldenkrise in eine vollkommen falsche Richtung laufen.

Steigt überhaupt noch jemand durch bei dem, was in Griechenland passiert? Da demonstrieren die Menschen und bewerfen ihre Politiker mit Obst, die Opposition verweigert sich einer „Regierung der nationalen Einheit“ und wer weiß denn schon noch, ob man dafür sein soll oder dagegen, weiter Geld in ein „Fass ohne Boden“ zu werfen? Sollen die jetzt selbst klarkommen? Oder muss man ihnen helfen, aus Solidarität oder – weil es sonst nur noch teurer kommt – sogar als Selbstschutz? Warum sagen alle so genannten Experten Dinge, die sich komplett widersprechen? Stehen wir alle vor einer Katastrophe? Und, vielleicht ist das das Wichtigste: Was will eigentlich unsere Regierung? „Was soll man eigentlich über Griechenland denken?“ weiterlesen

Könnten die Griechen nicht bald mal pleite gehen, damit BILD endlich recht hat?

Aus aktuellem Anlass eine klitzekleine Wiederholung: In ihrem bescheidenen Artikel Dings „Bild behielt recht“ schrieben die Journalisten Herbert-Quandt-Preisträger Nikolaus Blome und Paul Ronzheimer

„Ihr Pleite-Griechen“, so nennt BILD im Frühjahr 2010 das Land, das um EU-Milliarden bitten muss.
Das will die griechische Regierung natürlich nicht wahrhaben. „Wir gehen nicht bankrott“, so Premierminister Georgios Papandreou.
Heute klingt das ganz anders, dramatisch.
Finanzminister Giorgos Papakonstantinou warnte Anfang der Woche vor einem Ausbleiben weiterer Kredit-Milliarden: „Wenn das Geld bis Ende Juli nicht kommt, müssen wir die Rollläden runterlassen. Der Staat wird dann alle Zahlungen einstellen.“ Das nennt man Staatspleite.

Heute nun vermeldet bild.de so klein wie möglich:

FREITAG, 03. JUNI 2011, 16:01 UHR
Positives Sparzeugnis für Griechenland
Brüssel/Athen – Die EU, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) haben Griechenland nach Angaben Athens ein positives Zeugnis über die Sparpolitik ausgestellt. Das Urteil beziehe sich auf die aktuellen Fortschritte aber auch auf die mittelfristige Finanzplanung, das neue Sparprogramm sowie die geplanten Strukturreformen für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, teilte das Finanzministerium am Freitag mit.

Während der automatisierte Ticker die Nachricht klein durchlaufen lässt (und andere Medien bereits größere Meldungen formuliert haben) macht bild.de weiter auf mit einer Geschichte über das explodierende Land Griechenland, in URL und als Browsertitel immer noch mit der Zeile: „Kommt die Revolution?“:

Die Bevölkerung ist extrem nervös – im Land selbst eskaliert die Lage.

Was heißt „Eskalieren“ genau? Bild war dabei:

Eine Frau schlägt mit ihrer Handtasche gegen ein Auto [eines Politikers], andere spucken auf die Frontscheibe. Wenige Meter entfernt, in einem kleinen Park, werden die Politiker auf dem Nachhauseweg verfolgt und mit Joghurts beschmissen, beleidigt.

Na, wenn Frauen schon mit Handtaschen auf Autoscheiben schlagen, dann ist es bis zur Revolution sicher nicht mehr weit.

PS. Und inzwischen ist auch bild.de so weit: Herbert-Quandt-Preisträger Paul Ronzheimer hat die Neuigkeiten unter einer gewohnt einseitigen Headline zusammengefasst: „Die Griechen kriegen noch mehr Geld“.