Wie klingt Hubert Burda eigentlich, wenn er optimistisch ist?

„Medien und damit auch Zeitschriften stellen allen Unkenrufen zum Trotz noch immer ein Grundnahrungsmittel in unserer Gesellschaft dar. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“

Das sagte Verbandspräsident Dr. Hubert Burda zu Beginn der – Vorsicht! – Zeitschriftentage des Verbandes der Zeitschriftenverleger 2008.

Und das sagte er heute zum gleichen Anlass:

„Bei mir ist die Gewissheit da, dass die Zeitschriften und das gedruckte Buch überleben werden.“

Aber auch das:

„Ich war letztes Jahr viel pessimistischer, als ich es heute bin.“

Was mich zu der Frage bringt: Wenn er sowieso jedes Jahr das gleiche sagt, unabhängig davon, was er wirklich denkt – wieso sagt er dann überhaupt etwas?

Nummer Eins lebt

Eines der unwürdigsten Manöver der Massenmedien wird immer dann exerziert, wenn betretenes Schweigen in Worte zu fassen ist. Und der Fall eines Nationaltorhüters, der sich das Leben nimmt, bietet ganz offensichtlich die Gelegenheit, den Satz „Mir fehlen die Worte“ hundertfach in jede Ausgabe jeder Tageszeitung zu drucken. Robert Enke ist tot, und das geht mir näher als ich es jemals hätte vorstellen können. Aber natürlich gibt es darüber eine unglaubliche Menge zu sagen. Denn Robert Enke war offensichtlich einer von vier Millionen Deutschen, die an Depressionen leiden. Und es würde vielen Betroffenen helfen, wenn diese Krankheit, die jedes Jahr 12000 Deutsche in den Suizid treibt, endlich ihr Stigma und ihr Mysterium verlieren würde. „Nummer Eins lebt“ weiterlesen

Bis einer zahlt – was wäre denn eine Killer-App für bild.de?

Nick Hornby ist in der Stadt, einer den ich liebe, und er hat im großen Saal des Uni-Hauptgebäudes gelesen, unter Beifall wie ein Popstar (und falls von euch jemand da war: Die Frau in der zweiten Reihe, deren Handy mitten in der Lesung geklingelt hat, die dann zwei Minuten danach gesucht hat und dann, als sie es endlich gefunden hatte RANGEGANGEN ist? Das ist meine Mutter. Ich bin sehr stolz auf sie). Es ist beeindruckend, wie geschriebene Wörter noch einmal anders wirken, wenn sie lebendig gemacht werden. Was nicht einmal heißt, dass sie gesprochen oder gespielt noch besser sind – aber ich finde es elektrisierend intim, jemanden öffentlich das Privateste offenlegen zu sehen, das ein Mensch haben kann: seine Gedanken.

Man kann das sehr gut und abendfüllend mit fremden Gedanken machen – auf deutsch hat das heute ein Ensemble-Mitglied des Schauspielhauses getan, und wenn ich ihn auf dem Foto richtig erkannt habe (ganz schwierig, weil er andere Haare, keinen Bart und dafür eine Brille trug – dann war es Tim Grobe. Aber es ist noch einmal etwas anderes, wenn es der Mensch ist, der die Gedanken selbst formuliert und aufgeschrieben hat. Nachdem ich so viele Stunden mit Hornbys Gedanken und Figuren verbracht und so eng mit ihnen gelitten habe, wirkt er vertraut, wenn ich ihn sehe – als wäre er so etwas wie ein Therapeut, nur das er die ganze Zeit geredet hat und ich deshalb mehr über ihn weiß als er über mich. Was scheißegal ist: Am Ende machen sich ja doch alle Menschen die gleichen Sorgen und haben die gleichen Ängste. Wenn ich ihn kenne, kenne ich mich auch. Das ist die tröstende Macht von Geschichten. Wenn sie wahr sind und gut erzählt.

Wenn man dann sieht, wie viele hundert Menschen sich an diesem Montagabend drängen um ihn zu sehen und danach mit ihren gebundenen Erstausgaben um Widmungen anstehen (die man ja auf geklaute Ebooks nicht schreiben kann), dann freut man sich, dass er damit hoffentlich schweinereich wird.

Und bei schweinereich gelingt mir endlich die Überleitung, die mir bei „wahr“ und „gut erzählt“ irgendwie entglitten ist: Den Webauftritt der Bildzeitung gibt es auf dem iPhone wohl bald nur noch gegen eine Abo-Gebühr. Es ist angeblich der erste Schritt des Springer-Verlages hin zum Paid Content, zunächst auf Smartphones (was sicher auch daran liegt, dass es da technisch einfach umzusetzen ist und das Smartphone-Nutzer ja durch ihre Smartphone-Nutzung schon bewiesen haben, dass sie bereit sind, Geld für die merkwürdigsten Sachen auszugeben (Disclosure: Ich bin süchtig nach meinem iPhone)). Dabei wird offenbar der Zugang zu bild.de über den iPhone-Browser gesperrt, so dass er nur über ein Abo-pflichtiges App möglich ist (für welt.de gilt das gleiche) – allerdings bietet der Dienst dann auch noch irgendwelche Zusatzgeschichten, also mehr als nur die (überall sonst kostenlose) Internet-Seite. Und da wird es spannend: Was würde man von Bild wohl so unbedingt und unterwegs wissen wollen, dass man dafür bezahlt? Oder würde man für Bild-Online von unterwegs auch einfach so bezahlen?

Ich persönlich gebe zu: Ich habe ganz oft eine Riesenfreude an der Bildzeitung.  Das ist kein Qualitätsmerkmal, weder für mich noch für die Zeitung, aber ich hatte in meinem Leben – früher natürlich –auch schon eine Menge Freude in preisgünstigen Striptease-Bars, an hausgebranntem rumänischen Schnaps und mir steigen bis heute Tränen der Rührung in die Augen, wenn am Ende von egal wie schlechten Fernsehserien Männer voreinander salutieren. Um es kurz zu sagen: Mein Urteil in Geschmacksfragen ist nichts, auf das man bauen sollte.  Trotzdem: Ich bin ein sehr unregelmäßiger Käufer der Zeitung und ein relativ häufiger Besucher der Webseite – Journalisten können ja außerdem auch immer behaupten, sie müssten Bild lesen, damit sie wissen, was abgeht. Würde ich also Geld bezahlen für die Seite? Oder welche Inhalte müssten drauf sein, damit ich es täte? Und: Wie viel darf es kosten?

Es wird ernst im deutschen Online-Journalismus, wenn dieses System tatsächlich eingeführt wird. Es wird zum ersten Mal die große Frage des Paid Content in der Praxis getestet: Wofür zahlt tatsächlich jemand? Und, das mal laut und deutlich: Ich freue mich über den Versuch. Egal, wie er ausgeht. Er fügt dem Gelaber endlich so etwas wie eine empirische Dimension hinzu, und das wurde Zeit.

Aber zahlen würde ich dafür noch nicht. Nicht für zusätzliche Infos, Videos oder Titten jedenfalls. Aber eine Sache gäbe es, die ich spannend genug fände, um dafür zu bezahlen, um zu abonnieren und tatsächlich zu jubeln, selbst wenn das alle meine Aussichten auf eine Freundschaft mit Charlotte Roche auf immer beerdigen würde: ein Back-Channel. Wenn ich als Leser mit meinem iPhone live einen Bild– (oder Welt-) Reporter ansetzen könnte auf die Frage, die mich zu einem Thema besonders interessiert, wenn es funktionieren würde wie ein eigener Twitter-Kanal, in dem jeder das einbringt, was er kann, und der Bild-Redakteur oder -Reporter in dem Fall seine Zeit, Zugangs-Macht und sein Telefonbuch, dann wäre das nicht nur ein iPhone-App, sondern der erste Schritt in den neuen Journalismus. Wenn der neue Abo-Kanal ein Blick in die Gedankenwelt des Nachrichtenzyklons wäre, der jeden Tag in einem Newsroom entfacht wird, mit dem oder den nötigen iPhone-Redakteur/en, um den Strom zu händeln.

Aber ich denke, wir werden nur Titten kriegen. Und dann spare ich mein Geld doch lieber für die wahren Geschichten, die gut erzählt sind.

 

 

Jane Fondas Jungbrunnenhose

Die FAS berichtet heute auf Seite 10 das Geheimnis von Jane Fondas ewiger Jugend: „30 Prozent Jeans, 30 Prozent guter Sex, 30 Prozent Sport und gutes Essen. Und zehn Prozent plastische Chirurgie.“

Und falls sich jemand fragt, was für großartige, jugenderhaltende Jeans das wohl sind: Ich tippe auf diese hier.

Nochmal aktualisiert: Boykottiert Quality!

Am Donnerstag erscheint die zweite Ausgabe von Constantin Rothenburgs Magazin Quality, und ich nehme das zum Anlass, meinen längst überspannten Kragen platzen zu lassen. Die erste Ausgabe erschien im Mai, und ich rufe dazu auf, die zweite Ausgabe nicht zu kaufen, bis nicht wenigstens alle Rechnungen der freien Mitarbeiter der ersten Ausgabe bezahlt sind – denn das sind sie nicht.*

Es ärgert mich doppelt und dreifach, dass es ausgerechnet solch große Labertaschen sind, die den ersten und einfachsten Schritt professioneller Arbeit nicht beachten. Denn natürlich muss man in diesem Zusammenhang eigentlich Markus Peichl an erster Stelle nennen, der uns nicht nur jedes Jahr erklärt, wie Magazine sein müssten, sondern auch noch einen sehr enspannten Lifestyle pflegt, während seine Mitarbeiter so lange auf ihr Geld warten müssen, dass sie nicht wissen, wovon sie leben sollen (wenn sie es überhaupt jemals kriegen). Wenn Schlussredakteure bis vor Gericht ziehen müssen, um ihr Geld zu bekommen, während der Herr Herausgeber Geld genug hat, seine Potsdamer Villa zu restaurieren, dann finde ich das ekelhaft. „Nochmal aktualisiert: Boykottiert Quality!“ weiterlesen

Wem seine Nachrichten stehen eigentlich auf nachrichten.de?

Ich überlege seit einer Weile, was ich eigentlich über nachrichten.de denke. Ich habe mich aber noch nicht zu einer Meinung durchringen können. Eigentlich mag ich es nicht, aber ich finde auch, der Dadaismus hat eine Chance verdient. Insofern ist Nachrichten auf nachrichten.de lesen auch ein bisschen wie spenden.

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Die ganze Meldung zu Olic seiner Rückkehr kommt von topnews.de

Don’t call us. We won’t call you. Ihre Lufthansa

Ich habe mich an dieser Stelle vielfach darüber ausgelassen, dass ich glaube, Journalisten sollten für ihre Leser erreichbar sein, im übertragenen wie im wörtlichen Sinne. Aber wir sind nicht die einzigen, und deshalb benutze ich diesen Blog an dieser Stelle ausnahmsweise für eine persönliche Geschichte – ganz einfach, weil es die einzige Stelle ist, wo ich sie loswerde. Ich ärgere mich über die Lufthansa. Ich ärgere mich wirklich sehr. Allerdings ist der einzige Weg, das der Lufthansa mitzuteilen der, einen Brief oder ein Fax zu schicken. Das haben wir getan, nur genützt hat es nichts. Jetzt stehe ich da mit meinem Ärger wie ein Leserbriefschreiber, dem nicht geantwortet wird, und weil es bei der Lufthansa keine weitere Stelle gibt, um meinem Ärger Luft zu machen, mache ich es eben hier.

 

Die kurze Version geht so: Wir haben bei der Lufthansa für unsere Verhältnisse recht viel Geld bezahlt, um sicher und angenehm in den Urlaub zu fliegen. Tatsächlich hat eine Reihe von Fehlern dazu geführt, dass wir nicht nur einen Teil umsonst ausgegeben haben, sondern dafür auch noch unsicher geflogen sind. Aus meiner Sicht hat die Lufthansa meine Familie in Gefahr gebracht. Und das ist tatsächlich die beste Art, mich sehr schnell sehr wütend zu machen. „Don’t call us. We won’t call you. Ihre Lufthansa“ weiterlesen