Krisen-PR: Wir Unvergleichlichen – aktualisiert

Es kann sein, dass ich einfach viel zu wenig Ahnung habe, um das zu beurteilen, aber es wundert mich doch, wie viele deutsche Politiker im Zusammenhang mit der japanischen Atomkatastrophe gerade mit Sätzen davonkommen wie der bayrische Umweltminister Markus Söder:

Fakt ist: Japan ist nicht mit Deutschland vergleichbar. Bei uns gibt es keine vergleichbaren Erdbeben und Tsunamis.

Wenn ich es richtig verstehe, dann ist der direkte Auslöser für die Kernschmelzen ein Stromausfall, durch den die Kühlung der Reaktoren zum Erliegen gekommen ist.

Und eine Naturkatastrophe, einen Unfall oder Anschlag, durch die erstens der Strom ausfällt und zweitens die Zugänge zu einem Reaktor so versperrt sind, dass Ersatz nur schwer durchkommt ist in Deutschland vielleicht schwer vorstellbar, aber doch um einiges wahrscheinlicher als ein Erdbeben oder Tsunami dieser Stärke.

Reiner Matzger hat in einem Kommentar in der taz deutliche Worte für die Vertuscher der Atomlobby gefunden. Der Originaltitel des Kommentars ist inzwischen entschärft, aber in der URL noch nachlesbar. Ich wüsste nicht, wie man ihm da widersprechen sollte.

PS: Die nächste Phase ist gezündet, und vorneweg marschiert der mir fast lieb gewordene Jan Fleischhauer, der wie jede Woche versucht, sinnlose Positionen damit zu verteidigen, dass er sie für irgendwie stilvoller hält. Das Argument lautet ungefähr so: Die Kernkraftgegner sind trotz allem immer noch im Unrecht, weil sie sich heimlich darüber freuen, dass es endlich den Unfall gegeben hat, der beweist, dass sie immer Recht hatten.

Viel ist jetzt vom Mitgefühl mit den Menschen die Rede, die in Japan aus Sorge vor einer Kernschmelze aus ihren Wohnorten weggebracht werden mussten. Wer an diesem Mitgefühl Zweifel hegt, setzt sich heftigen Verwünschungen aus. „Inhuman, widerlich und zynisch“ nannte der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck einen Twitter-Eintrag, in dem der Autor dieser Kolumne den Verdacht äußerte, dass der Kernkraftgegner im tiefsten Inneren seines Herzens immer den Unfall herbeisehnt, weil dieser auf drastische Art seine Befürchtungen bestätigt, vorausgesetzt natürlich, er ereignet sich nicht vor der eigenen Haustür.

Das ist in einer Größenordnung bizarre Logik, die es mir unmöglich macht, noch irgendeinen Gedanken des Herrn Fleischhauer ernst zu nehmen – bisher war es ja nur sehr schwierig. Aber fürs Protokoll: Wer derart neben den Ereignissen argumentieren muss, um noch irgendeinen lächerlichen Punkt zu machen, der weiß offensichtlich selbst, dass er verloren hat. Aber zu behaupten, diejenigen, die immer vor der Gefahr gewarnt und ein Ende der Atomkraft gefordert haben, wären heimlich froh über den Unfall, ist derart ekelhaft, verlogen und wider jede Realität, dass man sich schon fragen darf, ob das nur die simple Lust an der Provokation ist, oder ob man nicht doch ein echtes Arschloch sein muss, um überhaupt auf solche Ideen zu kommen.

12 Antworten auf „Krisen-PR: Wir Unvergleichlichen – aktualisiert“

  1. Auch der Kommentar von der Merkel war unter aller Sau:

    “Ich kann heute nicht erkennen, dass unsere Kernkraftwerke nicht sicher sind, sonst müsste ich ja mit meinem Amtseid sie sofort abschalten. Das wäre ja ganz fatal, wenn ich einfach erklären würde, die sind nicht sicher. Unsere Kernkraftwerke sind nach Maßgabe dessen, was wir wissen, sicher.”

    Nachzulesen unter: http://fernsehkritik.tv/blog/2011/03/botschaft-von-merkel/

    Davon abgesehen: Wenn der Rheingraben absackt, kann es passieren, dass auch die deutschen AKWs Biblis und Phillipsburg gefährdet sind. So viel dazu. 2005 gab es nämlich meines Wissens in der Gegend ein Beben von ca.5 auf der Richterskala.

  2. Mir fehlt allgemein gerade der Gedanke an die Menschen, die durch die Naturkatastrophe an sich ihr Hab und Gut, ihre Liebsten oder gar ihr Leben verloren haben. Bevor es menschlich wird ist es schon politisch.

  3. Genau das ist der Gedanke. Menschliche Politik heißt, dieses Restrisiko ein für alle Mal auszuschalten. Dass ausgerechnet diejenigen, die mit ihrem Festhalten an dieser Hochrisikotechnologie diese Katastrophe mit verursacht haben jetzt diejenigen sind, die darauf beharren wollen, man dürfe das durch sie eingetretene Unglück jetzt aus Pietät gegenüber den Opfern nicht zum Thema machen, ist unanständig. Atomkraft soll plötzlich kein Wahlkampfthema sein? Was denn sonst?

  4. Stimmt. Aber Facebook Buttons gegen Atomstrom regen mich bei vielen, nicht dir, auf, weil sie sich einen Scheiss kuemmern, nicht an Schicksale denken, sondern nur pc rueberkommen wollen. Und die liefern dann die Munition fuer die, die das Thema Atomstrom als Heuchlerei abtun (was bei diesen Leuten dann auch trifft).

  5. Das Risiko, dass ein Kernkraftwerk in Deutschland explodiert, ist durch die Ereignisse in Japan weder größer noch kleiner geworden.

  6. Das ist in der Realität wahr, aber nicht in der politischen Realität der Regierungskoalition. Die dachte letzten Freitag noch, es gäbe Sicherheit, also die Wahrscheinlichkeit null.

  7. „derart ekelhaft, verlogen und wider jede Realität, dass man sich schon fragen darf, ob das nur die simple Lust an der Provokation ist, oder ob man nicht doch ein echtes Arschloch sein muss, um überhaupt auf solche Ideen zu kommen.“

    Das spricht mir aus der Seele!

  8. Nun kriegt Euch mal alle wieder ein. Fleischhauer, so armselig das sein mag, dass es ihm so wichtig ist, das zu verkünden, hat absolut Recht. Selbstredend nutzen viele Anti-Atom-Menschen die Gunst der Stunde. Denen hängt angesichts der Ereignisse doch genauso der Geifer aus dem Maul wie Jan F., der sich daran erregt, sie darauf hinweisen zu dürfen.

  9. jokahl,

    wenn Leute seit zig Jahren gegen Atomkraft kämpfen, sich nun in ihren Befürchtungen bestätigt sehen und deswegen noch mehr kämpfen, ist das völlig legitim.
    Da von geifernden Mäulern zu sprechen ist dummes Zeug. Ich kenne viele, die gegen Akw sind. Nicht einer von Ihnen trägt gerade Freude.

    Über Jan Fleischhauer müssen wir nicht weiter reden. Dessen plumpes Bemühen, irgendwie aufzufallen, ist schon sehr peinlich. Fehlte nur noch, dass er wie seine Geistesverwandten (besser: Geisteskranken) von Broders Verschwörungskartell „achgut“ über Tage hinweg behauptet, in Japan sei alles gar nicht so schlimm.

  10. Nachdem ich gestern diesen völlig nichtssagenden Auftritt von Fleischhauer bei Maybritt Illner gesehen habe, bin ich nun überzeugt, dass der Mann nicht nur keine Ahnung von Energiethemen hat, sondern auch nicht annähernd in der Lage ist, sich in die Lage der Menschen in Japan hinzuversetzen. Da war sogar Richard David Precht besser mit Argumenten ausgerüstet, und von dem bin ich wahrlich auch kein Freund.

  11. Wenn Politiker reden ohne Ahnung zu haben: „Fakt ist: Japan ist nicht mit Deutschland vergleichbar.“
    Es gibt ja hier auch viel weniger Japaner, deshalb wäre ein AKW-Unfall auch gar kein Problem für die Deutschen?!

  12. Aber zu behaupten, diejenigen, die immer vor der Gefahr gewarnt und ein Ende der Atomkraft gefordert haben, wären heimlich froh über den Unfall, ist derart ekelhaft, verlogen und wider jede Realität, dass man sich schon fragen darf, ob das nur die simple Lust an der Provokation ist, oder ob man nicht doch ein echtes Arschloch sein muss, um überhaupt auf solche Ideen zu kommen.

    Ich tippe auf Letztgenanntes.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.