Kurz warten

Ich bin Vater von zwei kleinen Kindern und es ist völlig richtig, dass die Rechtsordnung nicht ausgerechnet mich danach fragt, wie mit Menschen umzugehen ist, die Kinder sexuell missbrauchen oder den Missbrauch dadurch befördern, dass sie kinderpornografische „Schriften“ kaufen und so aus dem Verbrechen auch noch ein Geschäft machen. Meine Antwort wäre nicht zivilisiert. Wer meinen Kindern etwas antut ist tot, wenn ich das irgendwie einrichten kann, und wer anderen Kindern etwas antut, dem muss es aus meiner Sicht nicht besser gehen.

Allerdings ist mir auf einem allgemeineren Level klar, dass das keine vernünftige Antwort einer zivilisierten Gesellschaft auf Verbrechen ist. Deshalb bin ich einigermaßen froh, dass ich da nicht konkret gefragt bin.

Allerdings setzt der Reflex schon viel früher ein. Wenn die Vorwürfe stimmen sollten, dass Sebastian Edathy Bilder von nackten Jungs einem Anbieter von solchen und schlimmeren Dingen bestellt hat, dann bin ich angewidert, wütend und wünsche ihm entstellende Pusteln, egal wie „legal“ das gewesen sein mag. Gesetze sind nicht alles.

Aber so weit sind wir noch nicht. Im Gegenteil: Ich habe lange keinen öffentlich so „großen“ Fall erlebt, bei dem nicht nur die Beweislage so dünn war, sondern bei dem nicht einmal ein einziger strafrechtlicher Vorwurf erhoben wurde. Und klar, es mag Feuer sein, wo hier Rauch ausgemacht wird, aber ich bin der Überzeugung, dass wir als zivilisierte Gesellschaft besser sein müssen, als ich es als Vater bin, und mit der Vorverurteilung eines Menschen warten müssen, bis wir das Feuer sicher als solches identifiziert haben.

Denn natürlich ist ein Szenario denkbar, in dem Edathy unschuldig ist. Es mag nicht wahrscheinlich sein, aber es ist möglich, und bevor sein Ruf und sein Leben zerstört werden, sollte man sich jenseits jedes vernünftigen Zweifels sicher sein.

Nur mal als Verschwörungstheoretiker: Edathy tritt als Vorsitzender des NSU-Ausschusses reihenweise Nachrichtendienstlern auf die Füße, und plötzlich kommt der Innenminister mit Erkenntnissen befreundeter Ermittlungsbehörden, Edathys IP-Adresse wäre da im Zusammenhang mit (nicht strafbarem) Schmuddel aufgetaucht. Klingt abstrus, ist aber trotzdem irgendwie auch so passiert (derselbe Innenminister verteidigt zeitgleich dieselben befreundeten Dienst auf abstruse Weise gegen belegte Vorwürfe gigantischen Ausmaßes). Danach werden Medien mit allen möglichen Details gefüttert, die alles mögliche aussagen können, aber nicht müssen (und kommt es nur mir so vor, oder sind es besonders oft der NDR und die SZ, die von dem investigativ-Team des für seine Geheimdienstkontakte gerühmten Georg Mascolo versorgt werden?). In dieser Situation wirkt selbst die Abwesenheit von echten Beweisen plötzlich wie ein Indiz für die Schuld (er war gewarnt!). Edathy ist politisch tot und seine bürgerliche Existenz vernichtet. Niemand wird ihm irgendetwas glauben. Es heißt nicht, dass es so war, aber wenn man ihn hätte wegen irgendetwas mundtot machen wollen, dann wäre das ein perfekter Weg.

Wie gesagt, das muss alles nichts bedeuten. Es kann sein, dass er schuldig ist und aus der Stadt gejagt gehört. Aber ich wäre froh, wenn wir Rechtsstaatler genug wären, auf Beweise zu warten, bevor wir die Existenz eines Mannes zerstören. Dazu bleibt uns danach auf jeden Fall noch genug Zeit.

PS. Und wenn er meine Tochter nur schief anguckt, dann hänge ich ihn an den Eiern auf. Das gilt übrigens für alle.

14 Antworten auf „Kurz warten“

  1. Mit Namen haben Sie es wohl nicht so. Müssen wir uns Sorgen machen? Der Matussek ist ja auch gemäß Ferndiagnose schon relativ früh verkalkt.

  2. Hinter „Nur mal als Verschwörungstheoretiker: “ hat sich immer noch ein „Edhaty“ versteckt.
    Wo hat sich denn der echte Edathy versteckt?
    Sollte sein Anwalt ihm nicht raten, zur Aufklärung beizutragen, indem er mit der Staatsanwaltschaft spricht?
    Das wäre er der SPD und Herrn Friedrich doch schuldig, meine ich.

  3. sehr schlimme Geschichte!
    ich habe eine Tochter und möchte mir nicht vorstellen, was ich mit einem machen könnte, der ihr etwas angetan hätte.
    Auf der anderen Seite sehe ich durchaus, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen könnte. Wenn ich mir vorstelle, der Mann ist unschuldig, dann wird mir übel. Allerdings muss man schon damit rechnen. Ich denke da an einen Herrn Mollath und an die Steuerfahnder in Frankfurt. In beiden Fällen haben diese Menschen etwas getan, das zwar rechtens war, aber von der herrschenden Klasse nicht gewollt. Inzwischen gibt es in unserem „Rechtsstaat“ schon wieder Ärzte, die sich für „gewisse Zwecke“ einspannen lassen und die dadurch gewiss keinen finanziellen Schaden davon tragen. Warum sollten ausgerechnet Politiker ethisch höhere Ansprüche haben? Ich meine damit nun nicht Herrn Edathy, sondern alle die, die noch davon wussten. Es sollen (Gerüchte) sehr viele gewesen sein. Das erste Bauernopfer musste nun gehen. Ich finde durchaus zu Recht. Allerdings ist nun die SPD am Zug. Mit fadenscheinigen Ausreden ist hier nichts mehr zu machen. Auch wenn sich herraustellen sollte, dass Herr Edathy zu recht beschuldigt worden ist. Wenn er unschuldig ist, dann ist das eine Katastrophe. sowohl für ihn, als auch für seine ganze Familie.

  4. Wenn ich die Voranmeldungen zu seinem Spiegel-Interview richtig verstehe, gibt er zu, Bilder von nackten Jungs gekauft zu haben, die nach deutschem Recht legal wären (und ganz grob bedeutet das, sie zeigen keine sexuellen Handlungen und konzentrieren sich nicht auf Genitalien). Mir ist das irrwitzig suspekt. Mir fällt im Moment kein besonders guter Weg ein, wie man es abgrenzt, aber ich finde eigentlich, man sollte gar keine Bilder von nackten Kindern legal kaufen können (was allerdings zunächst mal ein Problem des Gesetzes ist und jemand natürlich erstmal das Recht hat, legale Dinge zu tun, insofern ändert das an diesem Fall nichts). Und ich habe, vorsichtig formuliert, Ressentiments gegenüber Erwachsenen, die sich von Kindern sexuell angezogen fühlen, selbst wenn die Neigung nicht zwingend zu Handlungen führt. Es bleibt aber bestehen: Was ich für Ressentiments habe ist unerheblich, so lange keine Menschen oder Gesetze verletzt werden, geht mich das Intimleben anderer nichts an. Wenn Sebastian Edathy nichts Verbotenes getan hat, dann ist sein Leben zumindest fahrlässig zerstört worden. Denn zerstört dürfte es sein.

  5. „Wenn ich die Voranmeldungen zu seinem Spiegel-Interview richtig verstehe, gibt er zu, Bilder von nackten Jungs gekauft zu haben, die nach deutschem Recht legal wären (und ganz grob bedeutet das, sie zeigen keine sexuellen Handlungen und konzentrieren sich nicht auf Genitalien). Mir ist das irrwitzig suspekt. Mir fällt im Moment kein besonders guter Weg ein, wie man es abgrenzt, aber ich finde eigentlich, man sollte gar keine Bilder von nackten Kindern legal kaufen können (was allerdings zunächst mal ein Problem des Gesetzes ist und jemand natürlich erstmal das Recht hat, legale Dinge zu tun, insofern ändert das an diesem Fall nichts).“
    Ich sehe das genau so! Allerdings wollte ich bewusst nicht darauf eingehen, weil es ja, wie Du schon sagtest „legal“ ist. Wenn das den Tatsachen entspricht, dann sollte Herr Edathy dringend eine Therapie aufsuchen. Aber das ist eben „nur“ meine Meinung und die ist hier nicht relevant. 🙂

  6. Wer pädophil ist, hat Pech gehabt. Er steht immer mit einem Bein im Gefängnis, wenn er seine Neigung auslebt. Selbst „trockene“ Pädophile haben es schwer in ihrem privaten Umfeld, wenn ihre Veranlagung bekannt wird.
    Herr Edathy kann einem leid tun. Andererseits kannte er die Gefahr. Seine Behauptung, er habe sich nicht strafbar gemacht, hilft ihm nicht. Die Unschuldsvermutung ist eine Fiktion. Immer.

  7. Sie sprechen mir in vielen Punkten aus der Seele. Schön, dass bei mancheinem trotz allen nur allzu berechtigten Ressentiments und Beißreflexen beim Thema Pädophilie rechtsstaatliche Überlegungen noch eine Rolle spielen. Die Devise eines „was interessiert mich Rechtsstaatlichkeit, wenn es um eine Schweinerei geht“ ist leider allzu oft sehr verführerisch.
    Der Staat soll aus guten Gründen nur strafbares, nicht aber moralisch anstößiges Verhalten ( in seinem oder im allgemeinen Sinne) ermitteln und aufklären. Dafür hat er besondere Eingriffsbefugnisse und das ist auch gut so. Und vor diesem Hintergrund finde ich es auch schon bedenklich, wenn die Staatsanwaltschaft die durch diese Befugnisse gewonnenen äußerst privaten Informationen in einer Pressekonferenz der natürlich äußerst interessierten Öffentlichkeit darbietet. Ich erwarte von der Staatsanwaltschaft, dass sie Kriminalität aufklärt und zur Anklage vor Gericht bringt, nicht, dass sie uns über die moralische Integrität und die sexuellen Vorlieben unserer Abgeordneten ins Bild setzt, selbst wenn sie diese Informationen rechtmäßig erlangt hat.

  8. „man sollte gar keine Bilder von nackten Kindern legal kaufen können“

    Finde ich auch. Man kann ja nicht davon ausgehen, dass Achtjährige fröhlich und im Wissen um ihre Persönlichkeitsrechte zugestimmt haben, sich nackig weltweit verkaufen zu lassen.

    Die Bauchschmerzen in Sachen Mascolo teile ich.

  9. Mich irritiert etwas ganz anderes: Der Mann hat nichts verbotenes gemacht. Das was er gemacht hat, kann uns Gefallen, oder auch nicht. Wir können uns auch überlegen, ob wir weiterhin wollen, dass das, was er gemacht hat, (in Zukunft!) legal ist.

    Wie kann aber ein legales Verhalten einen Anfangsverdacht begründen, der in einer Hausdurchsuchung mündet?

    Was kommt da als nächstes? „Wir haben festgestellt, dass sie Buttermilch und Produkte von A. mögen. Unsere rasterfahndenen Profiler haben heraus gefunden, dass solche Menschen dazu neigen Steuern zu hinterziehen, deshalb haben wir hier mal einen Durchsuchungsbeschluß – wenn sie nichts zu verbergen haben…“.

    Die Unverletzlichkeit der Wohnung haben Menschen irgenwann im letzten Jahrtausend mal als so wichtig erachtet, dass sie uns (Bürgern) dieses Recht als Grundrecht ins Grundgesetz geschrieben haben.

    Bei all der Angst um unsere Kinder, sollte man da auch mal einen Schritt zurück treten, durchatmen und nachdenken, was diese Hysterie am Ende mit unseren Rechten macht.

    Sehe ich das falsch? Es scheint nicht viele zu irritieren.

    VG, H.

    P.S.: Ich werde meiner Tochter (2 Jahre) beim nächsten Strandbesuch keine Burka anziehen, wie dies nun quasi einige Hysteriker(Innen) fordern, nur weil irgendwo ein kranker Spinner mit einem Teleobjektiv herum liegen könnte. Das Recht meiner Tochter auf einen unbeschwerten Strandbesuch wiegt IMHO höher. Sollte ich das mitbekommen und den Typen kriegen, kann ich immer noch überlegen, wie ich die Persönlichkeitsrechte meiner Tochter durchsetze… 😉

  10. >Und wenn er meine Tochter nur schief anguckt, dann hänge ich ihn an den Eiern auf.

    Was bist du doch für ein Internet Tough Guy!

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