Der beste Text der Welt

Im Zeit-Magazin berichten gerade Journalisten-Kollegen selbstkritisch über Fehler, die sie gemacht haben, und es ist bizarr für mich, das zu lesen, weil ich ganz eindeutig selbst in meinem allerbesten Text mehr Dinge geschrieben habe, für die ich mich schäme, als der normale Zeit-Magazin-Redakteur in seinem schlechtesten. Ehrlich gesagt: Das, was sie beschreiben, sind aus meiner Sicht nicht einmal Fehler. Puh.

Ich werde hier jetzt mal von einem Fehler erzählen, der echt einer war, aber es war bei weitem nicht mein schlimmster. Es ist auch mehr so ein Grundfehler, der sich bei passenden Gelegenheiten einen Weg nach außen bahnt: Ich bin kompliziert. Ich bin zu kompliziert, auch und vor allem in dem Sinne, dass ich alles auf der Welt für kompliziert halte. Wann immer ich jemanden lese oder höre, der behauptet, irgendetwas wäre eigentlich ganz einfach, glaube ich kein Wort mehr. Und dann kam mein Freund Oliver Wurm und meinte, Die Bibel wäre eigentlich ein guter Text, aber typografisch praktisch unlesbar. Das müsste man ändern und ein Magazin draus machen. Ich habe ihm gesagt, das wäre von all seinen Ideen die allerschlechteste aller Zeiten. Und Oli hat so ungefähr alle 37 Sekunden eine Idee.

Das war eine ziemliche Diskussion, und sie war doppelt fies, weil es meine Bibel war, über die er geredet hat. Ich lese ziemlich gerne in der Bibel, vor allem auf Reisen, deshalb habe ich eine sehr schöne, in Leder gebundene Reisebibel – klein und auf dünnen Papier gedruckt. Es würde jetzt zu weit führen, mein eher eigenes Verhältnis zur Religion zu erklären, das ist natürlich auch nicht einfach einfach, aber im Nachhinein muss ich feststellen, dass mir wahrscheinlich das Lesen in der Bibel auch deswegen so viel gibt, weil es kompliziert ist. So viele Bedeutungen, Auslegungen, Interpretationen – ich verstehe eigentlich kaum einen Satz in der Bibel so, wie er da steht. Ich käme gar nicht auf die Idee, einen Vers als Beschreibung irgendeiner historischen Realität zu verstehen, nicht einmal, weil ich es nicht für möglich hielte, sondern vor allem deshalb, weil ich eben so nicht lese.

Es ist … kompliziert?

Die Bibel lesbar machen, vielleicht sogar schön, vielleicht sogar – es fällt mir schon schwer, das überhaupt so aufzuschreiben – so zu gestalten, dass es nicht mehr wie harte Arbeit wirkt, sie zu lesen … schwingt dabei nicht auch so etwas mit wie die Aussicht darauf, sie tatsächlich zu verstehen? Das fühlt sich für mich ein wenig an, als würde ich nach Jahrzehnten aus einem Gefängnis entlassen: Natürlich war es immer mein Wunsch, aber wenn es so nah ist, macht es auch ein bisschen Angst. Ist das Tolle an der Bibel nicht gerade, dass sie keiner versteht? Und deshalb eben jeder so, wie er will?

Es ist kompliziert.

Und es ist ganz einfach: Oli hat in unendlicher Kleinarbeit zusammen mit dem Art Direktor Andreas Volleritsch das Neue Testament als Magazin gestaltet. Und es ist wunderschön geworden. Sie sind sogar noch weiter gegangen, als ich auch nur hätte denken können, und haben einige Fotos aus den Oberammergauer Passionsspielen (oder wie auch immer die genau heißen) mit „ins Heft“ genommen, und das ganze Paket hat eine Wucht, zu der mir kein Vergleich einfällt.

Das Lustige daran ist: Bei all den komplizierten, teilweise deprimierten und genervten Gedanken über Medien, den Journalismus und das Große Ganze, die ich mir manchmal mache, fällt mir kein einziges Produkt ein, das so klar und eindeutig die Vorzüge journalistischer Darstellung aufzeigt wie Die Bibel als Magazin. Ein großartiger, ewig langer Text – aber so präsentiert, dass er keine Angst macht, sondern Lust darauf, ihn zu lesen.

Ist doch gar nicht so schwer.

Das Neue Testament als Magazin gibt es am Kiosk oder unter bibelalsmagazin.de für 9,20 Euro

7 Antworten auf „Der beste Text der Welt“

  1. In einem Rutsch durchgelesen – gut, das wäre jetzt übertrieben. Aber die außergewöhnliche Aufmachung mit typografisch hervorgehobenen Wortzeilen und grafischen Unterteilungen ist Oliver Wurm und Andreas Volleritsch wirklich klasse gelungen! Gefreut habe ich mich über die Aufmachung der Seite 133 mit der Paulus-Ansprache: „Fürchte dich nicht! Rede nur, schweige nicht!“

  2. Als Selbstkritik empfinde ich Ihre Werbung für „Das Neue Testament als Magazin“ aber nicht. Trotzdem danke ich für den Hinweis. Ich werde mir das Erzeugnis Ihres Freundes auf jeden Fall kaufen.
    Ungewöhnlich finde ich es, dass Sie davon berichten, auf Reisen in der Bibel zu lesen. Das entspricht ja nicht gerade dem herrschenden Zeitgeist.
    Lesen Sie das „Neue Testament“ auf deutsch oder auf altgriechisch? Oder in beiden Sprachen?

  3. Ich fürchte, auf Altgriechisch kann ich gar nichts lesen … aber ich kenne die Buchstaben! Zählt das auch schon was?

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