Was unterscheidet eigentlich Journalisten von Amateuren?

Als ich noch Jura studiert habe, waren Menschen in genau zwei Kategorien eingeteilt: Juristen und Laien. Laien hatten eine Art Anrecht darauf, Dinge so zu sehen, wie sie waren, und nicht wie sie in den juristischen Kommentaren auftauchten (hin und wieder  wagte es ein Richter, ein Urteil tatsächlich so zu fällen, wie es auch für Laien selbstverständlich gerecht war. So ein Urteil nennen Juristen dann „lebensnah“).

 

Journalists War ZoneFür uns Angehörige der Vierten Macht im Staat ist die Abgrenzung zu den Laien schwieriger als für Juristen, weil sich jeder Journalist nennen darf, so will es die innere Pressefreiheit. Wenn wir nun aber von der simplen Verbreitung von Nachrichten befreit sind, weil sie sich plötzlich durch jeden
Hans und Franz und damit quasi von selbst verbreiten, dann sollten wir uns in Zukunft wahrscheinlich verstärkt auf das konzentrieren, was wir (und nur wir) können.

 

Es gab eine Zeit, da konnten Journalisten alles besser: Erkennen, was eine Geschichte ist, sie recherchieren, sie verständlich und spannend aufbereiten und sie in alle Welt verbreiten (das Letztere ist eine technische Fähigkeit).

 

Aber heute stehen nicht mehr die Fähigkeiten eines Journalisten gegen die eines Laien, sondern die eines Journalisten gegen alle Laien auf einmal.  Und natürlich erkennen alle Laien zusammen sehr gut, was eine Geschichte ist, und sie tauschen sich darüber aus (was für uns gut ist, weil wir ganz einfach gucken können, was gerade ein Google- oder Twitter-Trend ist, um zu wissen, was viele bewegt (und wenn ich das richtig verstehen funktionieren so die Konferenzen bei Welt-Online)).

 

Eine Geschichte gut zu recherchieren ist  uns auch nur zur Hälfte geblieben: Googeln kann jeder, tausend mit einem Thema beschäftigte Laien versammeln im Zweifel mehr Wissen als ein noch so fähiger Rechercheur unter Zeitdruck herausbekommen kann und tausend Laien haben im Zweifel auch einen relativ guten Zugang zu den politischen oder sonstwie mächtigen und wichtigen Akteuren einer Geschichte (und müssen manchmal nicht die Rücksichten nehmen, die ein Journalist nimmt, um seinen exklusiven Zugang nicht zu gefährden). Natürlich gibt es einen Hans Leyendecker und wahrscheinlich noch ein paar in ähnlicher Güte (Klaus Ott – ebenfalls von der SZ – fällt mir ein), aber am Ende hat der größte Teil der Medienwelt genau den Zugang zu den Großen, der ihm Kraft seines Mediums zugesprochen wird. Wer zum Beispiel auf Events der Uhrenindustrie geht, wird sehen, dass dort die wichtigen Blogger der Szene aus der ganzen Welt mit dem gleichen VIP-Treatment eingeflogen werden wie die Journalisten. Und wer einmal für einen Condé-Nast-Titel auf der Mailänder Modewoche war, der wird feststellen, dass er die guten Plätze nicht bekommen hat, weil er so nett und wichtig ist: Wenn er nächstes Mal für einen anderen Verlag dort ist, sitzt er plötzlich ganz woanders oder kommt gar nicht rein. Verlassen wir uns also nicht auf den privilegierten Zugang. Mit „ich bin Journalist“ ist da letztlich wenig getan. Wer die Verbreitungsmacht hat, hat auch den Zugang. Es gibt private Auto-Foren, die sind den Herstellern wichtiger als professionelle Auto-Zeitschriften. Spezialisten und Spezialinformationen sind heute für jeden zugänglich,nur einen Klick weit weg, insofern reicht es als Journalist heute in den seltensten Fällen aus derjenige zu sein, der weiß, wo man bestimmte Informationen suchen muss. Ein privates Telefonbuch kann noch manchmal helfen. Ein privates Archiv eher nicht.

 

Ich weiß, dass eine bestimmende Meinung auch an den Journalistenschulen ist, dass wir in Zukunft umso wichtiger werden, weil wir als Profis aus der Flut der Informationen die wichtigen herausfiltern (immer wieder steht das so ähnlich zum Beispiel im Blog von Jan-Eric Peters von der Axel-Springer-Journalistenakademie).  Aber ich sehe überhaupt keinen Hinweis darauf, dass die Masse der User das nicht deutlich besser könnte.Es stehen sich da zwei Bewertungssysteme gegenüber: Die Journalisten, die glauben zu verstehen, was wirklich wichtig ist für die Welt und was die User deshalb lesen sollten, und Maschinen wie Digg, in denen User nach oben wählen, was sie tatsächlich lesen (und natürlich Google, die noch ein Qualitätsmerkmal eingebaut haben, den Rank, allerdings im Kern auch darauf basieren, das weit oben anzuzeigen, worauf Menschen tatsächlich klicken oder verlinken). Ich glaube, da sollten wir uns nicht selbst täuschen: Unsere Meinung ist erst einmal egal, und wenn eine Gruppe von Redakteuren besser aggregieren würde als die unendliche Masse der User, dann hätten wir die unsägliche Burda-Diskussion um GoogleNews nicht. Dann hätte Burda eine Aggregations-Redaktion und würde schamlos auf fremde Inhalte verlinken. Völlig zurecht. Aber so funktioniert es eben nicht.Ich glaube, das Glaubwürdigkeit im Zuge der Entwicklung ein größerer Faktor werden dürfte, weil aggregierende Maschinen eben immer auch manipulierbar sind, aber eine Redaktion könnte so wenig alle Quellen, auf die sie verlinkt, überprüfen wie eine Maschine. Ich glaube, Glaubwürdigkeit wird noch wichtiger werden auf der Ebene der einzelnen Geschichte (und, ja, ich glaube Glaubwürdigkeit basiert auf Transparenz und Vertrauen gibt es im Austausch für Kontrolle).

 

Die Möglichkeit der Verbreitung unserer Geschichten, das dürfte klar sein, wird es auch nicht tun.

 

Bleibt also eigentlich nur die Fähigkeit, Geschichten aufzubereiten und zu erzählen. Ein Profi sollte besser sein darin, eine Geschichte zu erzählen als ein Amateur. Das ist nach wie vor der Kern unseres Handwerks. Und wenn ich mir ansehe, welche Blogs ich zum Beispiel lese, dann sind das in der überwiegenden Zahl solche von Profis. Und sei es nur, dass sie über die Distanz gesehen im Durchschnitt besser sind als solche von Amateuren. Das ist wie beim Kochen: Viele, wenn nicht die meisten, Hobbyköche kriegen einzelne Gerichte hin, die besser sind als die von Profis. Aber nicht hundert an einem Abend, jeden Abend. Ein Profi sollte in der Lage sein, aus den gleichen Zutaten – vielleicht manchmal mit einer zusätzlichen Kleinigkeit oder einem Kniff, den der Amatuer nicht kennt – verlässlich etwas hinzulegen, was gut ist. Dafür bezahlt man Geld und kommt gerne wieder. Dabei kann es für einzelne Köche wie für einzelne Journalisten ungeheuer lukrativ sein, sich auf bestimmte Gerichte und Themen zu beschränken. Aber für die Mehrzahl gilt nach meiner Meinung: Genau jetzt ist die Zeit, das Handwerk noch einmal auf eine neue Stufe zu heben.

 

Hätten wir nicht jahrelang das Internet in den Redaktionen vernachlässigt (ja, viele tun es heute noch und es gibt eine Million Klickgalerien die das beweisen), dann hätten wir die Amateure nicht so sehr aufholen lassen, dass sie schon nach unseren Fersen schnappen. Hätten alle Redaktionen und Verlage mit dem gleichen Einsatz wie Spiegel-Online in das Netz investiert – Geld, klar, aber vor allem auch Arbeit und Gedanken –, anstatt mit Mini-Redaktionen Journalismus zu simulieren, dann wären alle Angebote auf einem anderen, höheren Niveau und nicht der Trash, der einem heute regelmäßig auf Angebotsseiten professioneller Redaktionen entgegenschwappt. Und für Printtitel sieht es fast noch schlimmer aus: Anstatt den Lesern Magazine zu geben, an denen sie kaum vorbai können, wird in den meisten Häusern an der Redaktion gespart (über den Spiegel als Ausnahme habe ich hier geschrieben).

 

Wenn wir es besser können, dann wäre jetzt der Moment, es zu beweisen.

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