Eine Rede für Mappus

Weil Ministerpräsident Mappus offensichtlich die richtigen Worte nicht findet, dachte ich, ich bereite mal eine Rede vor, die ihn aus dem Loch befreit, das er sich gegraben hat. Daran soll es schließlich nicht liegen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Mitbürgerinnen und Mitbürger, Wählerinnen und Wähler,

wir sind alle gemeinsam in einer unangenehmen Situation. Die Bauarbeiten zu dem Projekt Stuttgart 21 haben begonnen, und Sie wissen alle, dass ich an dieses Projekt glaube. Über einen Zeitraum von 16 Jahren haben wir durch alle parlamentarischen und gesetzgeberischen Instanzen alle Hürden aus dem Weg geräumt, die unsere Demokratie einem solchen Unternehmen setzt. Wir sind, rein juristisch betrachtet, im Recht, wenn wir dieses Projekt jetzt umsetzen.

Aber Demokratie ist mehr als nur die Einhaltung von Verfahren. Und nun finden wir uns in einer Situation, die es gar nicht geben sollte, wenn Demokratie funktioniert. Wir finden uns in einer Konfrontation, in der plötzlich unsere Polizisten aufgefordert sind, die Bürger, deren Wohlergehen zu schützen sie angetreten sind, zu vertreiben und zu verletzen. Wir finden uns in einer Situation wieder, in der Schüler und alte Damen mit Pfefferspray traktiert werden müssen, um das Projekt umzusetzen. Und das ist eine Situation, die wir als Demokraten nicht wollen und nicht hinnehmen können. Wenn es zu einer solchen Situation kommen kann, dann waren unsere demokratischen Verfahren eben nicht gut genug. Dann müssen wir es jetzt besser machen. Denn ich als Landesvater, als Demokrat und als Mensch sage Ihnen hier ganz offen: Das ist nicht Demokratie, wie ich sie mir vorstelle.

Deshalb habe ich zum Wohle unseres Landes einen Beschluss gefasst. Ich kann nur um das Verständnis aller werben, und Sie bitten, mir zu vertrauen, dass ich entsprechend meinem Amt nur das Beste für unser Land und seine Bürger im Blick habe. In diesem Geist habe ich beschlossen, die Bauarbeiten für den Moment auszusetzen, zumindest so lange, bis wir einen Weg gefunden haben, die Bürger dieses Landes zu hören und sie an den Prozessen so zu beteiligen, wie es einer offenen Bürgergesellschaft gebührt.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich glaube daran, dass Stuttgart 21 richtig und wichtig ist. Aber der Geist unserer Verfassung gebietet es, dass wir für das, was wir für richtig halten, werben. Wenn es sein muss, dann auch über die Anforderungen der Gesetze und Verordnungen hinaus. Die vernünftigen Bürgerinnen und Bürger dieses Landes werden am Ende die Entscheidung treffen, die richtig ist für die Zukunft. Und es wird mir eine Ehre sein, sie dann umzusetzen.

Ich glaube, da ginge was. Ich fände es einen guten Weg. Selbst wenn es am Ende dazu führt, dass er nächstes Jahr die Landtagswahl gewinnt …

12 Antworten auf „Eine Rede für Mappus“

  1. Bei allem Verständnis für den frommen Wunsch, hoffe ich nicht, dass Mappus so klug ist, sich eine solche Rede zu eigen zu machen. Wieso? Weil ich, so wie ich ihn einschätze, nicht glaube, dass er so schnell seine Grundeinstellungen ändern kann. Meiner Einschätzung nach würde er eine solche Rede also nur dazu benutzen, um Zeit zu gewinnen und über die Landtagswahl weg zu kommen. Danach wäre genügend Zeit, um das Projekt durchzudrücken und danach in aller Ruhe die Aufregung bis zur nächsten Wahl abebben zu lassen.
    Ihr Wunsch für ehrliche Einsicht bei Politikern in Gottes Ohr! Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!
    In jeder Hinsicht 😉

  2. Das Schlimme ist: Wenn die Vernünftigen aufhören, an die Demokratie zu glauben, bleibt sie den anderen überlassen.

  3. Wenn ich nur einmal von einem unserer Politiker solche Töne hörte, könnte ich wieder anfangen an Demokratie zu glauben. Statt dessen vorhersehbare Plattheiten, schwachsinniges Gefasel vom Gesetz – als fiele das vom Himmel, wo es doch von denen gemacht ist, die es hinterher durchsetzen – notfalls mit Gewalt.

  4. Ich glaube durchaus an die Demokratie, nur nicht an die Integrität der momentan an ihrer Spitze Handelnden.
    Das Problem ist, dass Leute wie Mappus nicht begreifen (wollen), was Demokratie eigentlich bedeutet. Die Herrschaft des Volkes, nicht die Herrschaft des Parlamentes oder die Herrschaft der Gesetze. Es geht unseren Eliten doch nicht mehr darum, wirklich herauszufinden, was das Volk will. Es geht darum, möglichst viel für sich und seine Kumpels rauszuholen. Mancher macht das ganz bewusst, andere scheinen einfach überfordert.
    Dem Volk muss man das Ganze dann nur noch irgendwie verkaufen und in diesem Punkt ist Herr Mappus (zum Glück) kläglich gescheitert. Ich denke, dass es noch mehr solche entlarvende Aktionen braucht, damit die Leute kapieren, wie sehr sie von unserer herrschenden Klasse (und vor allem den sie vor sich hertreibenden Lobbys und ihren PR-/Presseorganen) am Nasenring durch die Manege geführt werden. Deswegen fände ich es auch sehr schade, wenn sich Herr Mappus aus der ganzen Sache „rausreden“ könnte.

  5. Aber mir stellt sich die Frage: Gäbe es wirklich ein Moratorium und entgegen der Erwartungen entscheidet sich Stuttgart für Stuttgart 21, wie würden diejenigen reagieren, die das Projekt in der Nacht vom zum 01.10. blockierten? Wie demokratisch wäre die Reaktion?
    Bei allem Verständnis für die Kritik am Fehlverhalten der einen Seite, zweifle ich an der Integrität der anderen. Ich rate daher zur Vorsicht wenn man allein das Demokratieverständnis der Regierung kritisiert.

  6. Ich habe vor 15 Jahren im Großraum Stuttgart gewohnt. Deshalb erinnere ich mich – allerdings dunkel – an die Anfänge, z.B. erste Zeitungsartikel zu diesem Thema.

    Tenor damals war: ein Projekt wo „die da oben“ unnütz Geld ausgeben wollen und dabei die Umwelt verschandeln.

    Man muss wissen, das sind beides starke Argumente: für Schwaben ist „unnötig Geld ausgeben“ in der Tat was sehr negatives, also ein bisschen stimmt das Klischee schon.

    Und „Umwelt verschandeln“ ist auch sehr negativ besetzt: die Grünen haben historisch eine starke Basis in BaWü, die hatten auch viele gute Leute, die alle dem Realo-Flügel zuzuordnen waren, Oswald Metzger z.B. und Regionalgrößen wie Rezzo Schlauch, ein uriger schlagfertiger dicker Anwalt. Keine Ahnung warum es so wenige von denen in die Bundespolitik geschafft haben.

    Deshalb: Ablehnung gab es von Anfang an. Offensichtlich ist aber ein so quälend langsames Verfahren von 16 Jahren schwer im Bewußtsein der Bürger zu halten. Und jetzt fühlen sich viele überrumpelt, während aus der Sicht der Verwaltungsbürokraten alles ordentlich gelaufen ist.

    Dieses plötzliche heftige Aufbegehren hat mich aber auch überrascht, die genaue Dynamik dahinter kann ich mir nicht genau erklären. Eigentlich sind die Schwaben doch sehr bürgerlich und „obrigkeitshörig“, und bestimmt nicht auf Krawall gebürstet.

    Wie diese Eskalation zustande kam, ist mir deshalb ein Rätsel.

  7. Mann, Deine Glaskugel will ich haben! Im Oktober letztes Jahr hätte _ich_ nicht auf eine Abwahl in unserem Ländle gewettet…

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