Qualität ist der beste Kopierschutz

Seit einer Woche gibt es ein neues Magazin auf dem Markt, Quality, und der Ansatz ist natürlich richtig: Quality versucht sich in eQualityiner Hommage an das Gediegene, Echte, Handgemachte. Und das sieht erst einmal gut aus, was bei Magazinen ja tatsächlich ein Merkmal für Qualität ist. Insofern: herzlichen Glückwunsch! Zu meckern gibt es trotzdem noch eine Menge. Aber auch das gehört so.

First things first: Ich mag das Cover. Was daran liegen mag, dass ich ein Fan von Prince Charles bin, seitdem ich 1990 dabei sein durfte, als in Highgrove eine biodynamische Kläranlage eingebaut wurde (für die, die es interessiert: Sie basiert auf mehreren hintereinander geschalteten Becken mit Schilfgras). Insofern bin ich vielleicht auch voreingenommen, wenn ich die einzige Kritik anbringe, die ich an der Titelgeschichte hätte: Für mich ist sie uralt. Aber das kann gut und gern wieder medieninternes Gewichse sein. Jedenfalls transportiert der Prinz die Aussage des Heftes gut, und das finde ich gerade bei einer Erstausgabe richtiger und wichtiger als Hyperaktualität.

Quality ist schön, das hatten wir schon, mit wunderbarer oft eigener Fotografie und einem unaufgeregten, edlen Layout, an der Grenze zum elegischen, aber mit einem Sinn für Schönheit und vor allem für Material: In Quality sieht man, wie sich Holz, Hemden und sogar Olivenöl anfühlen – und damit spielt das Heft einen der ganz großen Vorzüge von Printmagazinen aus: die Qualität gedruckter Bilder. Das ist eine Freude.

Allerdings erschließt sich mir nicht an jedem Punkt, was die Bilder mir sagen sollen: Da kommen in einer Reihe Bilder von Coco Chanel, einem Haufen Fotoapparate und einem alten BMW-Motorrad, die minimalistisch betextet sind mit kaum mehr als der Aussage, dass das Abgebildete immer schon ganz toll war („Was haben Japaner, Deutsche und Schweden gemeinsam? Sie sind verantwortlich für die technisch besten Kameras der Welt. … “ – wobei „verantwortlich sein“ hier heißen soll, sie haben sie erfunden und gebaut). Eine ähnliche Strecke findet sich dann später noch einmal mit Dingen, die aktuell toll sind, zum Beispiel alte Vespas. Wie sich das voneinander abgrenzt ist mir nicht klar, abgesehen davon, dass vorne die Texte dadaistischer sind. Aber wer gerne schöne Dinge anguckt, der guckt sie wahrscheinlich auch an mehreren Stellen im Heft gerne an, und mehr steckt da wahrscheinlich ganz einfach nicht dahinter. Ich kann damit leben.

Wirklich grandios und die größte Freude beim ersten blättern sind viele Headlines (über der Produktstrecke steht „Product Placement“ und die originellste Geschichte im Heft, nämlich eine über den Auerochsen, ist überschrieben mit „Expeditionen ins Stierreich“). Ich nehme an, das liegt im Wesentlichen an dem Textchef Thomas Kaiser, einem der zwei besten des Sprachraumes (der andere ist Ingolf Gillmann, falls es jemand wissen möchte).

Umso ärgerlicher sind manche Texte, denn Quality enthält auch ein paar der dümmsten Sätze, die ich je gelesen habe. Aus einer Geschichte über Möbel: „Avantgardistisches Design ist nicht sinnlos, sondern sinnfrei. Und dies sollte das größte Kompliment sein, das man einem Kreativen machen kann, denn man attestiert ihm, dass er sich vom Primat des Zweckmäßigen lösen konnte.“ Ohne da lange drauf rumzureiten: Das ist so ungefähr die sinnfreieste Suche nach Pathos, die ich mir vorstellen kann. Die Kreativität eines Möbel-Designers zeigt sich doch gerade dann, wenn er Großes schafft, ohne sich vom Primat des Zweckmäßigen zu lösen. Sinnfreie Objekte schafft meine 18 Monate alte Tochter jeden Tag. Im gleichen Duktus heißt es eine Seite weiter zum Thema Gärten: „Zu den großen Missverständnissen über Architektur gehört die Annahme, dass ihre wichtigsten Werke aus Stein gebaut seien und den Menschen Obdach böten. Stilistisch gleichermaßen bedeutend und zu Unrecht unterschätzt sind die „Bauten“ aus Blumen, Büschen und Bäumen.“ Diese Einsicht hätte jedenfalls die Lektoren eines Verlages dazu bewogen, zwei Gartenbücher herauszugeben. Ich kann von hier aus nicht sagen, wie ernst der Autorin diese These ist, aber selbst wenn wir Architektur, Landschaftsarchitektur und Gärtnerei großzügig unter dem Dach „Architektur“ zusammenfassen, ist das – sollte es ernst gemeint sein – natürlich grandioser Blödsinn in einem Kulturkreis, der seine Wiege im Garten Eden sieht und die Architektur als erzwungene Folge des Sündenfalls. Ich nehme auch an, dass sich die These deutlich ändert, wenn die Autorin zum ersten Mal ein Haus baut und die (im Kostenvoranschlag immer zu knapp kalkulierte) Rechnung des Landschaftsarchitekten sieht.

Ähnlich nervig sind auch Ausführungen in der Titelgeschichte, in denen der Autor (einer von dreien im Credit)  einen Absatz darauf verschwendet, darauf hinzuweisen, dass er Prince Charles einmal die Hand geschüttelt hat und dass man von Nahem betrachtet in dessen Gesicht erkennen kann, dass dieser Mann viel tiefer ist als das öffentlich bekannte Abziehbild seiner Person. Also bitte! Das ist ja nun die nichtigste Nichtinformation, die vorstellbar ist. Und die Tatsache, dass Medien immer wieder darauf hinweisen, wie falsch die Medien alles darstellen, geht mir wahnsinnig auf den Sack. Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass der König von Mallorca Jürgen Drews sehr viel tiefsinniger ist, als die Medien ihn darstellen. Aber was sollte das sollen?

Das meiste im Heft ist nicht brillant, aber doch ordentlich gestemmt. Mein persönliches Highlight ist, wie gesagt, der Auerochsentext, geschrieben von dem Fotografen und grandiosen Esser und Weintrinker Manfred Klimek, der sich liest wie ein atemloser Rap-Gesang. Eine Freude, mutig und irgendwie passend, weil er anders, neu und eigen ist. Mehr davon!

Ich glaube, mit ein bisschen mehr Mut in die Richtung, das Heft von jedem Verdacht der Manufactum-Katalog-mäßigen Besserwisserei und der verzweifelten Suche nach Pathos in alltäglichen Dingen zu befreien, wird das ein lesenswertes, schönes und erfolgreiches Magazin werden. Den Niedergang des Handschuhs zu beklagen („Am Handschuh lässt sich ermessen, wie banal die Mode geworden ist“) und dann wieder Thom Brown zu feiern, der JFK (der Niedergang des Hutes) und Steve McQueen (Niedergang der Krawatte) als seine Vorbilder anführt, zeigt noch besser als der bemühte Gebrauch des Verbs „ermessen“ die Gefahr, dummbatzig-früherwarallesbesser-reaktionär daher zu kommen. Und das wäre dann richtig schlecht.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.