Ich hatte Unrecht

Man muss Fehler zugeben können, selbst die eigenen, und deshalb hier eine kurze Korrektur: Ich habe ausführlich beschrieben, wie unerwartet großartig ich den Blog von Kai Diekmann fand. Ich dachte plötzlich, der Typ wäre tatsächlich sehr viel intelligenter und lässiger als ich es ihm je zugetraut hätte, und seine Kritiker wären etwas zu verbissen. Aber ich habe mich getäuscht: Er ist auf armselige Weise nachtragend, und das ist wieder genau so uncool, wie man es hätte vorhersagen können, wenn man nicht wie ich leicht zu beeindrucken wäre. Schade.

Teilen

Die Partei, die Partei, die ist immer schlecht

Nikolaus Brender wird also nicht mehr Chefredakteur des ZDF sein, sein Vertrag wird nach zwei Amtszeiten von je fünf Jahren nicht mehr verlängert, und schuld daran ist Roland Koch, der schon seit einem Dreivierteljahr erklärt, er halte Brenders Arbeit als Manager des ZDF-Journalismus für nicht gut genug. Nun geht ein Aufschrei durch die Republik, der wirkt, als wäre die Demokratie in Gefahr, wegen des unerträglichen Hineinregierens der Parteien oder gar der Regierungen in die Öffentlich-Rechtlichen Sender. Das macht mir Bauchschmerzen. Denn ich halte den Vorgang im Verwaltungsrat für einen der Fälle, in denen die Demokratie ihre große Schwäche offenbart – nämlich die, dass sie von Menschen ausgefüllt wird. Ein großer Teil der Kritik ist allerdings geradewegs undemokratisch. Und es scheint, als dürfe man das einfach sein. „Die Partei, die Partei, die ist immer schlecht“ weiterlesen

Klickt euch doch selbst!

Der Chef-Lobbyist des Axel-Springer-Verlages, Christoph Keese, erklärt in einem Interview mit dem Fachmagazin Promedia (hier online auf Carta) die Position der Verleger zu Google und dem geplanten Leistungsschutzrecht noch einmal in geschliffenen Sätzen. Seine Vorschläge laufen auf so etwas wie eine Journalismus-Flatrate im Internet hinaus, die der Provider einsammelt und die dann nach je nach Nutzung unter den Verlagen verteilt wird (was nach meiner laienhaften Vorstellung auch bedeuten würde, die Verlage müssten die Besuche ihrer Seite speichern und die Daten mit denen der Provider abgleichen, um die Abrechnungen zu kontrollieren, oder nicht? Denn spätestens bei einer Uneinigkeit über die Zahl der zu vergütenden Nutzer hätte man doch ohne diese Daten ein Beweisproblem. Da muss man doch sagen können, Manni und Kurt waren aber auch da und haben gelesen, also her mit deren Klickgeld!). „Klickt euch doch selbst!“ weiterlesen

Wenn das Gehirn nicht reicht – die FAS und die Bildung

Frank Schirrmacher, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen, ist ein großer Kampagnen-Journalist, und im Moment ist sein großes Thema, dass sein Gehirn für die moderne Zeit nicht ausreicht, also, niemandes Gehirn, und schuld daran ist das Internet. Vielleicht liegt es daran, dass in seiner Sonntagszeitung heute eine Geschichte zur Hamburger Bildungsreform steht, die in ihrer Schlichtheit wahrscheinlich in keinem Blog der Welt hätte stehen können – Papier ist manchmal offensichtlich zu geduldig. Meine beiden Kinder sind von dieser Reform direkt betroffen, deshalb verfolge ich das Gezerre sehr interessiert, und der Text heute in der FAS ist so unfassbar voreingenommen, dass man sagen muss, er ist von Qualitätsjournalismus tatsächlich weiter entfernt als selbst die Pamphlete der Initiative gegen die Reform. Wäre die FAS ein Fußballspiel würde ich auf der Tribüne „Hoyzer, Hoyzer“ schreien.

„Wenn das Gehirn nicht reicht – die FAS und die Bildung“ weiterlesen

Das Buchholz-Attentat

Bei Gruner & Jahr sind sie also kurz davor, sich zu hauen – bereits auf der Eskalationsstufe Hitlervergleiche. Und schuld daran ist wieder nur die Angst. Wenn man den Redaktions-Beiräten glauben darf, dann haben die Redaktionen entweder nicht verstanden, was Bernd Buchholz mit dem Verlag vorhat, oder sie haben es verstanden und können es nicht glauben. Sie haben Angst, dass es stimmt. Für alle, die den Feinheiten der deutschen Print-Landschaft ob ihrer langweiligen Berechenbarkeit nicht regelmäßig folgen: Bernd Buchholz, der noch recht frische Vorstandsvorsitzende des traditionsreichen Verlages von unter vielen anderen Stern, Brigitte und Geo hat im Wesentlichen drei Wege skizziert, wie der Verlag in Zukunft weiter sehr viel Geld verdienen soll: Zum einen soll er seine Zeitschriften billiger produzieren, indem er in einem „Plattformsystem“ Zeitschriftenteile titelübergreifend in einer Art One-Size-Fits-All-System erstellen lassen will (wir erinnern uns, dass so zum Beispiel in der DDR auch Häuser gebaut worden sind). Zweitens möchte er das so genannte Corporate Publishing ausbauen, bei dem Gruner & Jahr als Auftragnehmer zum Beispiel Kundenzeitschriften für andere Firmen erstellt. Und er möchte drittens als eine Art Informationshändler mit einem Datenbanksystem wertvolle Informationen an professionelle Kunden verkaufen.

Alles drei sind Punkte, die für Journalisten, die bisher mit relativ großer Freiheit und einigem Komfort zum Beispiel bei Stern, Geo oder Brigitte arbeiten durften ziemliche Zumutungen bedeuten. Aber vor allem sind sie eines nicht: Ideen, wie man in Zukunft den Journalismus weiter entwickelt. Journalismus spart man so höchstens kaputt, oder verabschiedet sich ganz von ihm. Deshalb haben die Redaktionsbeiräte (die haben da schon tolle Sachen, bei Gruner: Redaktions-Beiräte. Geil!) der drei aufgeführten Titel Bernd Buchholz geschrieben, bei seinen Plänen ginge es wie immer nur ums Geld, und Buchholz schrieb zurück, das sei jawohl eine Frechheit und er würde jetzt gar nicht mehr mit ihnen reden. Und dann schrieb der Geo-Chefredakteur was von einem Hitler-Attentat und alle schreien seitdem durcheinander. Weltklasse für Deutschland. „Das Buchholz-Attentat“ weiterlesen

Werther und Medien

Ein paar von euch werden jetzt denken, was ich denke: Das stand hier schon tausendmal. Aber offensichtlich muss man manche Sachen sehr oft sagen. Es stimmt ja, dass Schreiber, Medien im Allgemeinen, bei ihren Lesern meist zu viel Vorwissen voraussetzen und ihnen im Gegenzug zu wenig Urteilsfähigkeit zusprechen. Also, noch einmal: Ich glaube, wir sollten die Depressiven in die Mitte der Gesellschaft holen, und deshalb habe ich vorgeschlagen, die Rückennummer 1 bei der Nationalmannschaft bis nach der WM nicht zu vergeben. Das hat, in acht Monaten, mit dem Gedenken an Robert Enke höchstens noch am Rande zu tun. Es geht um ein Symbol. Ich glaube, dass es Depressiven helfen kann, sich Hilfe zu suchen.

Aber es war klar, dass eine große Diskussion daraus wird, und das ist ja auch gut so. Was ich nicht erwartet hätte, ist der meiner Meinung nach falsche Einwand, den Stefan Niggemeier in seinem Beitrag erhoben hat: Nach Berichten über prominente Selbstmorde steigt erwiesenermaßen die Selbstmordrate, und er plädiert deshalb dafür, die Berichte über Selbstmorde zumindest stark zurück zu fahren. „Werther und Medien“ weiterlesen

Wie klingt Hubert Burda eigentlich, wenn er optimistisch ist?

„Medien und damit auch Zeitschriften stellen allen Unkenrufen zum Trotz noch immer ein Grundnahrungsmittel in unserer Gesellschaft dar. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“

Das sagte Verbandspräsident Dr. Hubert Burda zu Beginn der – Vorsicht! – Zeitschriftentage des Verbandes der Zeitschriftenverleger 2008.

Und das sagte er heute zum gleichen Anlass:

„Bei mir ist die Gewissheit da, dass die Zeitschriften und das gedruckte Buch überleben werden.“

Aber auch das:

„Ich war letztes Jahr viel pessimistischer, als ich es heute bin.“

Was mich zu der Frage bringt: Wenn er sowieso jedes Jahr das gleiche sagt, unabhängig davon, was er wirklich denkt – wieso sagt er dann überhaupt etwas?

Wenn Qualitätsmedien nichts sagen

Über die Schweinegrippe will ich gar nicht reden, und das ganze Chaos drum herum, und es haben ja auch nicht die Medien dran schuld. Ich habe ein noch viel deprimierenderes Stichwort, das mit Sicherheit keiner mehr hören kann und will, aber ich warte nun seit Wochen und Monaten, dass irgendwann mal jemand sagt, was Sache ist, und es passiert nicht. Also nun ich: Es ist aus meiner Sicht eine Schande, was in diesem Land im Namen des Volkes mit John Demjanjuk passiert. Unter unser aller Augen, obwohl wir alle Fakten haben, die zur Bewertung des Falles auch aus medialer Sicht nötig sind. Offenbar will sich keiner an dem Nazi-Dreck die Finger verbrennen, und deshalb sagt niemand etwas. Das ist feige und falsch, und ich verbrenne mich jetzt. „Wenn Qualitätsmedien nichts sagen“ weiterlesen

Ist der Diekmann!

Ich habe sehr gelacht in den letzten Tagen, unanständig viel und laut, über den Blog des Bild-Chefredakteurs Kai Diekmann, besonders nachdem ich meine Reflexe abgestreift hatte, ständig nach dem Haken, dem Fehler, eben dem Grund zu suchen, warum einem das Lachen über die Selbstdarstellung des redenden Haarschaums im Halse stecken bleiben sollte. Ich für mich muss sagen: Was auch immer man über Kai Diekmann denkt, das Projekt kaidiekmann.de ist brillant, wild und groß.

Ich sage das mit dem gleichen Gefühl, mit dem ich sage: Tim Wiese hat schon ein paar sehr gute Spiele gemacht. Deshlab muss ich ihn nicht weniger hassen. Aber Tim Wiese ist kein schlechter Torhüter, nur weil er (Meinungsäußerung) ekelhafte Haare hat, schleimig ist, bei Gelegenheit abartig um sich und generell eher dämlich auftritt.

Und Kai Diekmann? Münte würde sagen: Der kann Medien.

Er hat eine artifizielle Persönlichkeit aus sich gebaut, die mich an einen penetranten Punk auf einer Straßenkreuzung erinnert, der seine Dienste zur Not aufdrängt, indem er einem so charmant wie nötigend mit seinem Stielschwamm ein Schaumherz auf die Scheibe malt. Und so ist Diekmanns Bild: aufdringlich, manchmal auf charmante und meist auf penetrante Art, und dabei gleichzeitig interessant, abstoßend und unvermeidlich.

Es ist eines der Mysterien der Menschheit, dessen Lösung uns weit über das ja dann doch nur mäßig erhebliche Maß der Diekmänner hinaus von Despoten befreien könnte: Wie kann man eigentlich gleichzeitig gefallsüchtig sein und mit vollem Bewusstsein ein Arschloch? Schlimmer gespalten kann eine Persönlichkeit doch gar nicht sein, oder sehe ich das flasch? Um es mit Depeche Mode zu sagen: „I think that god has a sick sense of humour.“

Diekmann in seiner Brillanz allerdings beweist im Alleingang einiges, das an anderen Stellen noch heiß diskutiert wird: Nämlich dass „Medien können“ ganz eindeutig ausreicht, um Medien zu machen – und es vollkommen egal ist, wer gerade die Deutungshoheit darüber innehat, was eigentlich Journalismus ist und wer ihn ausübt. Kann Diekmann Nachrichten? Fraglich. Kann er Feuilleton? Sicher nicht. Kann er Journalismus? Wer will das sagen.

Ich weiß nicht, ob Jean-Remy von Matt inzwischen bereut, dass er Blogs offenbar einmal die „Klowände des Internet“ genannt hat, oder ob er sich darüber freut, einen Klassiker von Satz geschaffen zu haben. Aber nachdem Kai Diekmann der Welt regelmäßig klar macht, dass nicht alles automatisch Journalismus ist, nur weil es in der Zeitung steht, beweist er nun im Vorbeigehen, was man Großes auf einer Klowand anstellen kann.

Das Leistungsschutzrecht – oder: Wie bastle ich mir ein Gesetz

Die Schwatzgelben planen nun offenbar ein Leistungsschutzrecht (LSR) für Verlage, vermeldet die (großartige und recht verlagsferne) Online-Publikation Carta, die offenbar an einen Entwurf des entsprechenden Teil des Koalitionsvertrages gelangt ist – und wenn dieser Entwurf in Gesetzen münden würde, wäre der Carta-Text von dem geplanten Leistungsschutzrecht möglicherweise nicht geschützt, weil Carta als selbsterklärter „Autoren-Blog“ wahrscheinlich gar nicht als „Presseverlag“ anerkannt wäre. Und für die soll das Leistungsschutzrecht ja gelten. Diese Welt ist schon manchmal lustig.

Ganz kurz für alle, die das LSR bisher nicht genug interessiert hat, um nachzulesen, was das soll: Es würde bedeuten, dass Presseverlage wie z. B. Musikverlage eine Gesellschaft gründen könnten, die für jede öffentliche „Aufführung“ eines von einem Verlag produzierten Inhaltes Geld einsammeln und an den Verlag auszahlen könnte. Bei Musik macht das die GEMA, die von jedem Radiosender, Clubbetreiber und Konzertveranstalter Gebühren für die gespielte Musik erhebt und an die Rechteinhaber verteilt.

Das klingt im ersten Moment logisch, aber das ist es nicht, und mein Magen zieht sich immer stärker zusammen, je länger ich versuche, dieses System zu durchdenken. Denn es geht hier ja nicht darum, dass ein Autor oder ein Fotograf die Rechte an seinen Werken behält, auch nicht darum, dass Verlage für eine unerlaubte Nutzung wesentlicher, originärer Teile einer Arbeit entschädigt werden. Das ist längst geregelt, und zwar im Urheberrecht. Das Leistungsschutzrecht geht darüber hinaus – in einem Wort zusammengefasst geht es natürlich um Google: Der Suchmaschinenbetreiber soll für jedes Mal, bei dem er die Headline und die ein, zwei oder drei Zeilen, die er im Suchergebnis ausgibt, bezahlen. Denn schließlich steht neben dem Suchergebnis potenziell eine Anzeige, mit der Google Geld verdient. Die großen Medienkonzerne des Landes und mit ihnen die Neu-Koalitionäre sind der Ansicht, Google müsste für diese Möglichkeit, Geld zu verdienen, eine Art Zugangsgebühr bezahlen. Ich bin völlig anderer Ansicht. Und die komplette Konstruktion dieses Schutzrechtes ist so obskur, dass in der Argumentation seiner Verfechter nur noch der Satz fehlt „der Pantelouris hat recht“ um klarzustellen, dass ich recht habe. Alles andere ist gesagt.

„Das Leistungsschutzrecht – oder: Wie bastle ich mir ein Gesetz“ weiterlesen