Wie begeistert man Print-Journalisten für “Online”?

Vor gut zehn Jahren war der junge Fußballer Lars Ricken ungefähr zehnmal das, was Mesut Özil gerne werden würde. Er hatte mit dem spielentscheidenden Tor für Borussia Dortmund im Champions-League-Finale das Tor des Jahres 1997 geschossen und hatte eine gigantische Zukunft vor sich. Zu dieser Zeit drehte er einen Werbespot für seinen Ausrüster Nike, in dem es um die alten Helden im Fußball ging, um die Großen, die Ricken nun im Voice-Over herausforderte. Ich habe den Spot online nicht gefunden, deshalb zitiere ich den zentralen Satz aus dem Kopf. Ricken sagte etwas wie: „Voller Respekt sage ich: Kommt nicht zwischen mich und den Ball!“

Er konnte nie an seine ersten großen Erfolge anknüpfen und galt bald als ewiges Talent. Aber der große Sieg und das unfassbare Tor bleiben.

Mich erinnert die Situation um das Internet-Manifest ein bisschen an Rickens Nike-Spot: Eine Gruppe der vielleicht besten deutschen Onliner stellt sich mit breiter Brust (und aus meiner Sicht ungefragt) aufs Spielfeld und sagt „kommt nicht zwischen uns und den Ball.“ Sie glauben erklärterweise, wie das Spiel gespielt werden muss, und der Tonfall des Dokumentes strahlt nicht nur zwischen den Zeilen, sondern geradezu zwischen allen Zeichen aus, dass sie überzeugt davon sind, dass sie es selbst können. Ich habe schon deutlich gemacht, dass mir das unangenehm ist, und das es mir ungleich leichter gefallen wäre, diesen Text zu akzeptieren, wenn die Verfasser selbst schon spielentscheidende Tore geschossen hätten. Auch aus diesem Grund halte ich das Manifest für missraten, aber es ist zu einfach, Dinge einfach schlecht zu machen. Deshalb will ich versuchen zu erklären, was meiner Meinung nach heute sinnvoller gewesen wäre als der Text. Und während ich das sage, muss ich auch gleich auf einen echten Fehler in meiner Argumentation gegen das Manifest hinweisen: Diejenigen Kollegen, die tatsächlich schon spielentscheidende Tore geschossen haben, haben sich bisher nicht aufgerafft, eine Meinung zu den Möglichkeiten des Journalismus im Internet zu formulieren. Und das wird von vielen Kollegen offensichtlich als Lücke empfunden. Mir ging es nicht so, deshalb habe ich den Gedanken erst von (Manifest-Mitverfasser) Wolfgang Michal übernommen. Da hätte ich selbst drauf kommen können und sollen.

Aber, wie gesagt, meine Gedanken gehen in eine andere Richtung: Wenn das Internet so viele Möglichkeiten bietet und so toll ist, wie ich glaube, warum gelingt es uns nur so mühsam, Kollegen davon zu überzeugen? Das muss etwas bedeuten, aber was?

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Für wen machen wir das eigentlich?

Im Stern steht heute eine ausführliche, schöne Titelgeschichte von Felix Hutt darüber, wie Soziale Netzwerke unser Leben verändern, und es ist schon geschrieben worden (habe nur vergessen wo), das wäre wohl die Geschichte, die der Spiegel eigentlich gern gehabt hätte statt des manchmal kruden zeugs in ihrer „Rechtsfreier-Raum-Geschichte“ vor ein paar Stern 37 09Wochen. Tatsache ist in jedem Fall: Hutt hat einmal groß, sauber und gut aufgeschrieben, was das alles eigentlich ist und wie es funktioniert. Ein bisschen sogar, was das alles soll, obwohl die Frage nach dem „Warum“ im Internet heute eigentlich keine Rolle mehr spielt, weil sie niemand mehr beantworten kann. Aber dazu kommen wir noch.


 Ich finde die Aufmachung ein bisschen seltsam: Es werden Menschen in schönen, großzügigen Schwarzweißbildern gezeigt. Sonst nix. Was ich einerseits verstehe, immerhin geht es in Netzwerken um nichts als Menschen, aber nach meinem Gefühl zeigt es eben zu viele Dinge nicht: Weder die Verbindung zwischen Menschen, noch die Geschwindigkeit, die Globalität oder auch nur den Exhibitionismus von Menschen, die an der großen Konversation teilnehmen. Die Bilder zeigen eigentlich sogar exakt das Gegenteil davon, was ja cool sein kann, aber wenn das hier cool ist kommt die Coolness bei mir nicht an. Auf mich wirkt das wie eine Art-Direktoren-Idee, an der man vielleicht besser noch ein, zwei Tage lang weitergedacht hätt. Aber das war es auch schon mit Kritik von meiner Seite. Was ich nämlich am interessantesten finde an dieser Geschichte, ist ein Paradebeispiel für eine Frage, die wir uns nicht oft genug stellen können: Für wen machen wir das alles eigentlich?

 

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Achtung: Sie nutzen nur 10 Prozent Ihres inneren Journalisten!

Ich habe einmal ein gutes Erlebnis mit Lesern gehabt: Am Hauptbahnhof in München las ein Typ, der quasi Rücken an Rücken mit mir auf einer der Bänke auf dem Bahnsteig saß, seiner Freundin aus einer Geschichte von mir vor und lachte sich an den richtigen Stellen schlapp. Wie gesagt: ein Mal. Das war lange der einzige wahrhaftige Kontakt, den ich je mit meiner eingebildeten Leserschaft hatte. Ansonsten war ich den größten Teil meiner beruflichen Laufbahn umgeben von dem Kokon Redaktion – mit Türen, Empfangsdamen, Telefonzentralen und im Zweifel Anwälten zwischen mir und denjenigen, für die ich angeblich arbeite.
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Wie Bernd Buchholz zur Legende wird

Wenn Kai-Hinrich „Die Medienwühlmaus“ Renner recht hat, und das hat er ja irgendwie immer, dann muss Dr. Bernd Buchholz am 31. August mit 50 Millionen Euro Gewinn (EBIT) ein irre schlechtes Ergebnis für das erste Halbjahr von Gruner & Jahr verkünden. Ich bin richtig schlecht, wenn es um Zahlen geht, aber so wie KHR das schreibt, klingt das alles Bernd Buchholznicht so gut. Aber ich bin mir sicher, dass für Dr. Buchholz alles gut ausgeht, weil ich heute Morgen, während ich einen sehr guten griechischen Mokka getrunken habe, eine Vision hatte. Ich glaube ich weiß, was Dr. Buchholz tun wird. Er hat nämlich eine grandios gute Idee, für die ich ihn immer bewundern werde.

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Braucht mich noch einer?

Ich sitze in einem kleinen Haus auf einer griechischen Insel, relativ abgeschottet von der Welt der deutschen Printmedien (in der nächsten Stadt gibt es täglich eine Süddeutsche, eine Bild und wöchentlich drei Spiegel undHängematte zweimal die Zeit), aber Breitband-Internet hat Einzug gehalten, und wenn ich sporadisch meinen RSS-Reader ansehe, dann lese ich die Klagen von Menschen, die sich über „Content-Klau“ im Internet aufregen. Ich nehme an, vielen geht es wie mir wenn ich sage: Langsam wird es langweilig. Das Schlimme sind für mich gar nicht Dinge wie die unsauber gedachte Hamburger Erklärung der Verlage und Verbände, in denen sie im Prinzip ja nur verlangen, man möge sie bitte mit Geld
bewerfen. Ich finde, das ist eine Forderung, die jeder stellen können sollte. Das wird sich von selbst erledigen, wenn niemand wirft. Mein Problem ist nicht, dass die Verlagshäuser (und damit die bisher wichtigen „Content-Produzenten“) das Internet nicht verstanden haben (einige haben das ja), sondern dass mit ihrem kopflosen Aktionismus offenbaren, dass sie ihre eigenen Medien entweder nicht verstehen oder ihnen nicht mehr vertrauen. „Braucht mich noch einer?“ weiterlesen

Special Interest

Menschen mit einem Hobby sind interessante Leser, weil man weiß, wofür sie sich interessieren. Man kann für sie schreiben und man kann ihnen Anzeigen dazu servieren, die sie tatsächlich informativ finden. Eigentlich dürfte es Special-Interest-Magazinen nicht so schlecht gehen, wie es ihnen gerade geht. Sie sollten sich am Leser- und am Anzeigenmarkt besser behaupten können, als sie es tun. Tatsächlich leiden die meisten von allerdings an Leser- und Anzeigenrückgang. Ein Teil mag der aktuellen Krise geschuldet sein, aber es ist (wie in allen anderen Branchensegmenten auch) meiner Meinung nach viel zu einfach, die schwindende Aufmerksamkeit, die Magazinen offensichtlich zuteil wird (3,5 Prozent Rückgang in der aktuellen AWA) auf die Krise zu schieben. In diesem Fall ist es aber vielleicht tatsächlich der zweite der gern genannten Schuldigen: das Internet. Menschen, die für ein Hobby brennen, treffen sich offenbar in zunehmendem Maße lieber in Foren oder lesen Blogs von Gleichgesinnten, als den mehr oder weniger teuer produzierten Content von Magazinen zu ehren. Sie machen tatsächlich einfach, was sie wollen. Und nehmen dabei – das ist die gern gehörte Klage – den eingesessenen Medien mit ihren Amateurangeboten auch noch Anzeigenerlöse weg. Und natürlich muss man sagen: Wer so denkt, hat es auch nicht besser verdient. „Special Interest“ weiterlesen