Was unterscheidet eigentlich Journalisten von Amateuren?

Als ich noch Jura studiert habe, waren Menschen in genau zwei Kategorien eingeteilt: Juristen und Laien. Laien hatten eine Art Anrecht darauf, Dinge so zu sehen, wie sie waren, und nicht wie sie in den juristischen Kommentaren auftauchten (hin und wieder  wagte es ein Richter, ein Urteil tatsächlich so zu fällen, wie es auch für Laien selbstverständlich gerecht war. So ein Urteil nennen Juristen dann „lebensnah“).

 

Journalists War ZoneFür uns Angehörige der Vierten Macht im Staat ist die Abgrenzung zu den Laien schwieriger als für Juristen, weil sich jeder Journalist nennen darf, so will es die innere Pressefreiheit. Wenn wir nun aber von der simplen Verbreitung von Nachrichten befreit sind, weil sie sich plötzlich durch jeden
Hans und Franz und damit quasi von selbst verbreiten, dann sollten wir uns in Zukunft wahrscheinlich verstärkt auf das konzentrieren, was wir (und nur wir) können. „Was unterscheidet eigentlich Journalisten von Amateuren?“ weiterlesen

Braucht mich noch einer?

Ich sitze in einem kleinen Haus auf einer griechischen Insel, relativ abgeschottet von der Welt der deutschen Printmedien (in der nächsten Stadt gibt es täglich eine Süddeutsche, eine Bild und wöchentlich drei Spiegel undHängematte zweimal die Zeit), aber Breitband-Internet hat Einzug gehalten, und wenn ich sporadisch meinen RSS-Reader ansehe, dann lese ich die Klagen von Menschen, die sich über „Content-Klau“ im Internet aufregen. Ich nehme an, vielen geht es wie mir wenn ich sage: Langsam wird es langweilig. Das Schlimme sind für mich gar nicht Dinge wie die unsauber gedachte Hamburger Erklärung der Verlage und Verbände, in denen sie im Prinzip ja nur verlangen, man möge sie bitte mit Geld
bewerfen. Ich finde, das ist eine Forderung, die jeder stellen können sollte. Das wird sich von selbst erledigen, wenn niemand wirft. Mein Problem ist nicht, dass die Verlagshäuser (und damit die bisher wichtigen „Content-Produzenten“) das Internet nicht verstanden haben (einige haben das ja), sondern dass mit ihrem kopflosen Aktionismus offenbaren, dass sie ihre eigenen Medien entweder nicht verstehen oder ihnen nicht mehr vertrauen. „Braucht mich noch einer?“ weiterlesen

Special Interest

Menschen mit einem Hobby sind interessante Leser, weil man weiß, wofür sie sich interessieren. Man kann für sie schreiben und man kann ihnen Anzeigen dazu servieren, die sie tatsächlich informativ finden. Eigentlich dürfte es Special-Interest-Magazinen nicht so schlecht gehen, wie es ihnen gerade geht. Sie sollten sich am Leser- und am Anzeigenmarkt besser behaupten können, als sie es tun. Tatsächlich leiden die meisten von allerdings an Leser- und Anzeigenrückgang. Ein Teil mag der aktuellen Krise geschuldet sein, aber es ist (wie in allen anderen Branchensegmenten auch) meiner Meinung nach viel zu einfach, die schwindende Aufmerksamkeit, die Magazinen offensichtlich zuteil wird (3,5 Prozent Rückgang in der aktuellen AWA) auf die Krise zu schieben. In diesem Fall ist es aber vielleicht tatsächlich der zweite der gern genannten Schuldigen: das Internet. Menschen, die für ein Hobby brennen, treffen sich offenbar in zunehmendem Maße lieber in Foren oder lesen Blogs von Gleichgesinnten, als den mehr oder weniger teuer produzierten Content von Magazinen zu ehren. Sie machen tatsächlich einfach, was sie wollen. Und nehmen dabei – das ist die gern gehörte Klage – den eingesessenen Medien mit ihren Amateurangeboten auch noch Anzeigenerlöse weg. Und natürlich muss man sagen: Wer so denkt, hat es auch nicht besser verdient. „Special Interest“ weiterlesen

Meine Mischung

Die großartigste, bestbezahlte Fähigkeit im Magazinjournalismus, die letztlich über Erfolg und Misserfolg entschieden hat und Karrieren begründet, ist die Fähigkeit, das herzustellen, was Tina Brown „The Mix“ genannt hat. Und zumindest zu ihrer Zeit als Chefredakteurin der amerikanischen „Vanity Fair“ gab es niemanden, der eine spannendere, besser funktionierende Mischung gefunden hat als sie – zwischen hart und weich, lang und kurz, traurig und lustig, glamourös und mitfühlbar. Jedes Heft musste immer schon ein bestimmtes, wiederkehrendes Gefühl herstellen, um befriedigend für den Leser zu sein, so wie es jede Fernsehserie muss, jeder Roman, jedes Paar Schuhe. Aber die größte Kunst war immer, ein bestimmtes Gefühl herzustellen über das ganze Leben. Nicht im „Special Interest“, wo die Lebensgefühle der Golfer, Taucher oder – wie heute bei Brand Eins – derjenigen abgebildet und befriedigt werden müssen, die unter Wirtschaft mehr verstehen als die Zahl, die am Ende dabei herauskommt. Die Königsdisziplin war das Leben der Masse, der Vielen, der Lieschen Müllers. Wer die Bedürfnisse der Masse befriedigen kann, der wird reich, berühmt und mächtig. Wer die geheime Formal kennt für den „Mix“, der war ein gemachter Chefredakteur. „Meine Mischung“ weiterlesen

Bitte erhalten Sie diesen Journalismus!

Bei der 60-Jahr-Feier der Deutschen Journalistenschule (DJS) gab es auf dem Podium ein Zauberwort, um das letztlich all die großen und kleinen Reden kreisten: der Qualitätsjournalismus, oder besser: der Erhalt desselbigen. Die Sprache war defensiv. Da musste eben „erhalten“, „gerettet“, „geschützt“ werden – während gleichzeitig das Vorstandsmitglied des Schulvereins Prof. Dr. Hubert Burda in seiner Eigenschaft als Präsident des Verbandes der Zeitschriftenverleger den Manteltarifvertrag für Redakteure kündigen ließ und sich danach beschwerte, die Suchmaschinen verdienten unverhältnismäßig viel an journalistischen Inhalten.Der Erhalt der Branche sollte ein „Selbsterhaltungstrieb des Rechtsstaates“ sein. Die Gemengelage der Medienreden des Tages könnte man so zusammenfassen: Damit die Demokratie funktioniert, sollen Journalisten in Zukunft sehr billig sehr guten Journalismus machen, mit dem dann bitte vor allem „die Branche“ nach Definition der Zeitschriftenverleger verhältnismäßig viel Geld verdienen soll. Und warum sollte man das auch nicht fordern: So ist es schließlich bisher gewesen. Ich habe allerdings das bestimmte Gefühl, dass es in Zukunft anders sein wird. Und wir sind daran natürlich nicht unschuldig. „Bitte erhalten Sie diesen Journalismus!“ weiterlesen

Erlösermodell – Oder: Unser tägliches Bernd gib uns nicht gerade heute

Ich werde an dieser Stelle transparent zwei Fehler berichtigen. Nummer eins: In diesem Blog habe ich vor einigen Wochen die Position von Bernd „dem Dritten“ Buchholz zum Kampf gegen die Medienkrise ganz unzweifelhaft falsch halluziniert. Mein Bauchgefühl hat mich betrogen, wie so oft, wenn es mit suggeriert, ich müsste unbedingt noch eine Kleinigkeit essen. Buchholz setzt im Gegensatz zu meiner Behauptung nun also doch kein Signal im Kampf um eine Weiterentwicklung des Qualitätsjournalismus, sondern spart eisern, und antwortet im aktuellen Spiegel auf die Frage, ob Medien nicht eine Seele nötiger haben als einen Newsroom unter anderem mit dem Satz: „Ich bewahre hier nicht auf Teufel komm raus alte Ideale, um am Ende als Letzter das Licht ausmachen zu müssen.“ Das ist schon ein harter Satz für mich, denn ich habe selbstverständlich vor, meine Ideale – die alt sind – auf Teufel komm raus zu bewahren, und ich wäre heimlich ziemlich stolz auf mich, wenn ich der Letzte wäre, der das Licht ausmacht. Das Problem ist nur: Mein Atem wird nicht so lange reichen, wie Gruner & Jahrs gereicht hätte, insofern wird das Licht wohl eine Weile früher ausgehen, als es unbedingt nötig gewesen wäre – aber immerhin wissen wir jetzt, woran wir sind.

Um einmal die Fronten aufzuräumen: Ich glaube, dass in diesem Land seit seinem Bestehen großartiger Journalismus gemacht wurde, auch – und manchmal sogar besonders – von Kollegen im Hause Gruner & Jahr, und mein Respekt könnte nicht größer sein. Aber wie alles andere auf dieser Welt auch ist Journalismus, wenn er gut und lebendig sein soll, ständiger Veränderung unterworfen. Und im Moment stagniert er, verändert  sich höchstens zum Schlechteren. Ich komme noch auf konkrete Beispiele zu sprechen, aber zunächst einmal sollten wir festhalten: Um dem alten Ideal von großartigem, dienenden Journalismus gerecht zu werden, braucht es ständige kreative Veränderung und die Möglichkeit, sie auch am Markt auszuprobieren.

Nach meiner subjektiven Einschätzung verpufft ein großer Teil der Kreativität im Moment allerdings in Versuchen, mit schrumpfenden Ressourcen in den Redaktionen zumindest die alte Qualität aufrecht zu erhalten. Das ist ehrenwert und ich bewundere die Kollegen, die es schaffen. Aber es ist aus meiner Sicht und nach meiner Erfahrung praktisch unmöglich, in dieser Situation die nötige ständige Selbsterneuerung zu stemmen. Schon gar nicht, wenn zeitgleich ein neues Meta-Medium zu lernen und zu verstehen ist. Und schon doppelt gar nicht, wenn die Return-on-Investment-Zyklen im Verlagswesen dabei derartig zusammengestrichen werden, dass es einem Journalisten inzwischen fast peinlich zu sein hat, wenn er in einer Konferenz nur eine Geschichte vorschlägt und kein Erlösmodell.

Diese Überlegungen führen zu einer schmerzhaften Frage: Wer führt die trotz allem nötige Erneuerung des Journalismus an, wenn nicht die Verlage? Wenn Qualitätsjournalismus plötzlich nicht mehr bedeutet, die alten Ideale zu wahren, sondern im besten Fall noch den Status Quo – nur billiger produziert? Was dabei herauskommt kennen wir: eine Simulation. Anstatt auch nur den Ist-Zustand zu erhalten, ist das, was unter dem Label „Qualitätsjournalismus“ verkauft wird, dann meist eher so etwas wie Analogkäse. Und das ist – obwohl es so klingt – nicht auf ein Medium beschränkt: Analogkäse geht auch digital, wie die Webseiten vieler analoger Qualitätsmedien beweisen. In dieser Situation zu sagen, man wolle „nicht auf Teufel komm raus alte Ideale bewahren“ ist ein bisschen so, als würde eine Dame in der Herbertstraße auf Sankt Pauli nicht auf Teufel komm raus ihre Unschuld bewahren wollen – es kommt einen Tick zu spät. In Wahrheit ginge es darum, sich an die Ideale erst einmal wieder heranzukämpfen – denn wir haben in dieser Phase der Veränderung an sehr viele andere Dinge gedacht als an sie.

Und in diesem großen, verwirrenden Zusammenhang habe ich einen zweiten Fehler gemacht (ACHTUNG, TRANSPARENTE AUFKLÄRUNG), der mit meiner lautstark geäußerten Meinung zum „Internet-Manifest“ zusammenhängt, und der mir Ende letzter Woche eingängig unter die Nase gerieben wurde: Unabhängig davon, ob das „Manifest“ nun richtig oder falsch ist oder gut oder schlecht formuliert, hätte es sich gelohnt ein paar Gedanken dazu zu verlieren, warum ausgerechnet jetzt und zu diesem Zeitpunkt eine gefühlte Elite von Netzwerkern es für nötig befindet, überhaupt so ein Ding zu schreiben.

Und das stimmt. Ich habe es nicht getan, und sonst auch niemand, der mir aufgefallen wäre. Und obwohl dieses Manifest mir in der Form sehr widerstrebt, obwohl ich vieles darin für falsch oder im falschen Ton gesagt halte, obwohl ich viele Fehler darin, daran und darum nennen kann, bleibt doch eine Sache aus meiner Sicht richtig: Dem etablierten Journalismus fehlt aus oben genannten Gründen die Kraft zur Selbsterneuerung. Ohne Selbsterneuerung geht es aber nicht. Und aus den etablierten Häusern kommt in dieser Richtung zu wenig oder genau das Falsche.

Die Web-Wichtel, egal wie wichtig sie sind, schaffen es alleine auch nicht. Wer also soll es tun, wenn Buchholz es nicht macht? Wenn Springer wahnsinnig viel Erfolg damit hat, dass sie aus der Netzkultur ausgerechnet die größte Schwachstelle zum Prinzip erheben (denn was ist ein 1414-Leserreporter anderes als ein Troll mit einer Kamera)? Wenn die meisten Verlage gar nichts tun als Bestehendes billiger nachzubauen?

Kurz: Ich fand und finde das „Manifest“ verunglückt (und Mercedes Bunz‘ Geschichte im Guardian-Blog richtig  unappetitlich, keine Frage), aber dass es Dinge zu tun und zu sagen gibt, hier und jetzt, das kann ich verstehen, und das hätte ich auch beim ersten Meckern sagen können. Ich finde blöd, was geschrieben wurde, nicht dass etwas geschrieben wurde.