Schützt meine Leistung!

Ich bin gegen das im Koalitionsvertrag vereinbarte „Leistungsschutzrecht für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet“, das ist keine Überraschung. Aber inzwischen wundert es mich, wie ein Gesetz im Koalitionsvertrag verankert werden konnte, für das überhaupt niemand außerhalb der Führungszirkel der Verlage versteht – nicht einmal die Mitglieder der Regierungsparteien (in einer parteiübergreifenden Initiative schreiben gerade Mitglieder der Jungen Union gemeinsam mit Jusos an einem Antrag gegen das LSR – natürlich online auf Google Docs). Auf der anderen Seite: Wer wollte einem Gesetz widersprechen, von dem er nichts weiß? Und die Berichterstattung in den klassischen Medien, die in ihrer Mehrzahl ja von den Unterzeichnern eben der Hamburger Erklärung herausgegeben werden, die als Grundlage der LSR-Argumentation genutzt wird. Dass die Verlage – mit der kleinen Ausnahme des Heise-Verlages – das Thema in ihren eigenen Blättern totschweigen hat meiner Meinung nach viel damit zu tun, dass ihre Position argumentativ einfach nicht vertretbar ist, wenn man das Geschwurbel weglässt. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass sich selbst im Hause Springer, wo der Chef die Suche nach einem Erlösmodell eine „heilige Pflicht“ nennt, kein Journalist zu dem Thema redet, sondern immer nur der oberste Lobbyist Christoph Keese. Das LSR wie es gemeint ist ist nichts als eine kalte Enteignung von Google unter Zerstörung einiger der wichtigsten Grundlagen des Internets (die freie Vernetzung), und man muss Google nicht sympathisch finden oder für über jeden Zweifel erhaben halten um es abzulehnen. Aber das heißt eines noch nicht: Dass es nicht eine sinnvolle Form geben könnte, Verlagsleistungen zu schützen.


Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP sieht vor, Presseverlage anderen Verlagen im Internet gleichzustellen („Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sein als andere Werkvermittler“), das heißt praktisch etwa den Buch- und Musikverlagen, die durch Verwertungsgesellschaften Geld zum Beispiel für Kopien aus Büchern (über eine Geräteabgabe) oder das öffentliche Aufführen der Musik zu kommerziellen Zwecken (über die GEMA) einsammeln und unter den Rechteinhabern verteilen. Die Vorstellung der Verlage ist, dass zum Beispiel und vor allem Google für die Verwendung von Überschriften und Textauszügen (Snippets) aus den Verlagstexten in den Suchergebnissen, mit denen ja über Werbung Geld verdient wird, bezahlen müsste. Und ich, der ich eine Art kommerziellen Blog mit fast sieben Euro Einnahmen in einem einzigen Monat betreibe, wahrscheinlich auch. „Schützt meine Leistung!“ weiterlesen

Doppelt missverstehen heißt trotzdem nicht verstehen

Wer sich die ausufernden Diskussionen um Paid-Content, Journalismus 2.0, den gehirnschädigenden Einfluss des Logarhithmus à la Schirrmacher und all das andere Zeug ansieht, das rund um das Spannungsfeld Information und Internet entstehen, dann kann man zu dem Schluss kommen, dass sie vielleicht keine Lösung haben. Das alleine wäre nicht weiter tragisch, denn es bedeutet nicht, dass die einzelnen Probleme, die Komponenten der Diskussion sind, nicht lösbar sind: Das ganze, große Problem Kommunikation in den so genannten Neuen Medien könnte sich lösen wie alle anderen Medienprobleme vorher auch – durch viele kleine Teillösungen, die weniger ein sauberes Bild ergeben als ein Ökosystem. Ich glaube aber, dass ausgerechnet der Journalismus sich so schwer tut in der Umstellung auf ein System, das eigentlich der Traum aller Journalisten sein müsste (Jeder kann publizieren was und wie er will! Verdammt, ja!), deutet darauf hin, dass wir an einem Punkt in der Evolution unserer Angebote den falschen Weg genommen haben. Vielleicht lohnt es sich, einmal zu gucken, was man mit dem heutigen Wissen über Journalismus im Netz immer schon hätte besser machen sollen. „Doppelt missverstehen heißt trotzdem nicht verstehen“ weiterlesen

Die größere Null

Diesen Text kann man auch als Podcast hören: Dank bodalgo.com, dem Online-Marktplatz für Sprecher. Leider ist diese Wahnsinns-Stimme nicht meine – aber dafür kann der Typ lesen.
[audio:Die groessere Null.mp3]

Mathias Döpfner ist Germanist, Theater- und Musikwissenschaftler und Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, und als solcher auch derjenige, der die Zusammenlegung der Redaktionen von Welt und Berliner Morgenpost durchsetzen ließ. Insofern mutet es vielleicht merkwürdig an, dass ausgerechnet er sich im Manager-Magazin (laut dessen Ankündigung) zum Verfechter des journalistischen Inhaltes macht, an dem nicht gespart werden sollte. Aber wir wissen ja, was eigentlich gemeint ist: Es ist eine der rhetorischen Volten, die man drehen muss, wenn über den Umweg der Geißelung kostenloser Inhalte als „abstruse Fantasien von spätideologisch verirrten Web-Kommunisten“ die Brücke geschlagen werden soll zu der Forderung, die im Moment hinter allem steht, das die Verlagshäuser tun: Der Forderung, per Gesetz an den Gewinnen von Google beteiligt zu werden, weil Google ohne die Web-Inhalte der Verlage weniger Zeug hätte, neben dem es Anzeigen schalten könnte. Springer-Außenminister Christoph Keese hat es neulich in einem Interview auf Carta noch schöner formuliert hat: Was auch immer der Wert der Verlangsinhalte für Google sei, „er ist größer als null“. „Die größere Null“ weiterlesen

Das Abendblatt: Jetzt mit ohne Paid Content

Beim Abendblatt 3.0 wagt man jetzt einen ganz großen neuen Schritt, um der Anzeigen- und Auflagenkrise Herr zu werden: Man lässt jetzt zumindest die Idioten unter den Lesern für einige Inhalte bezahlen. Alle anderen können auch an der Paywall den Titel der gewünschten Geschichte (vielleicht noch mit dem Zusatz ‚Abendblatt‘) googlen – dann finden sie die Geschichte auch kostenlos. Ich hoffe, das ist tatsächlich die Rettung der Medienindustrie. Aber sicher bin ich mir da eher nicht.

Nachtrag: Jetzt verstehe ich dann gar nichts mehr. Der Springer-Verlag hat dem Mediendienst dwdl.de bestätigt, dass die Google-Hintertür mit Absicht offen steht. Nur wer „von vorne“ auf die Angebote von Abendblatt und Berliner Morgenpost kommt, muss zahlen – offensichtlich, damit nicht zu viele Klicks verloren gehen. Ich bin nicht einmal in der Lage, mir eine fadenscheinige Begründung dafür auszudenken, schon gar nicht, nachdem der Stellvertretende Chefredakteur Matthias Iken das launig und mit nicht von unverschämter Arroganz zu unterscheidender Ironie als Fanal wider die Freibiermentalität im Netz begründet hatte (und dem damit die Ehre zuteil wurde, ironiefrei aber gewohnt souverän von Stefan Niggemeier geschreddert zu werden). Man soll also für das Abendblatt bezahlen und es wird als Großtat für den Journalismus und wieder die widerliche Mentalität verkauft, aber gleichzeitig so eingeschränkt, dass nur Netzidioten denken, sie müssten tatsächlich bezahlen? Ist das dann eigentlich noch Paid Content oder doch eher Bettelei von einem Typen, der sich eine Parkplatzwächter-Uniform angezogen hat und wenigstens so tut, als stände man auf einem gebührenpflichtigen Platz, damit er nicht ganz schäbig wirkt?

Ich wäre irre dankbar, wenn sich jeder, der für den Online-Auftritt vom Abendblatt tatsächlich Geld bezahlt bei mir melden könnte. Ich würde gegen beide gerne einmal Schach spielen.

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Die Zukunft. Theoretisch.

Hinweis: Dank bodalgo.com, dem Online-Marktplatz für Sprecher, können Sie diesen Text jetzt auch hören, anstatt ihn selbst zu lesen.

[audio:Die Zukunft. Theoretisch.mp3]

Weiter unten ist die Präsentation eingebunden, mit der die Sports Illustrated zeigt, wie sie sich ihre offenbar im nächsten Jahr erscheinende multimediale Ausgabe vorstellt – und sie ist großartig. Wolfgang Michal hat die Präsentation zum Anlass genommen, für das nächste Jahr endlich die Medienrevolution in Aussicht zu stellen. Ich wäre voll und ganz dafür.
Allerdings habe ich nach gefühlten 50 Mal, die ich die Präsentation inzwischen gesehen habe, ein immer schlechteres Gefühl. Es stellt sich spätestens nach der ersten Minute im Video ein, wenn die Stimme des Chefredakteurs dazu auffordert, die Fotostrecke am Anfang der Ausgabe genau anzusehen: „Sie sind alle exklusiv in Sports Illustrated, jede Woche, und wir sind sehr stolz darauf.“ Ich bin kein regelmäßiger Leser von SI, aber ich habe in meinem Leben einige Ausgaben gesehen. Wenn die ein Maßstab sind, dann ist der Stolz berechtigt. Es sind die besten Fotos der Woche. Jede Woche. Exklusiv. Welches deutsche Medium kann das für sich in Anspruch nehmen (Stefan Niggemeier weist im Gegenteil gerade wieder nach, dass vor allem Online-Journalismus inzwischen sogar weitestgehend ohne eigene Recherche stattfindet)? „Die Zukunft. Theoretisch.“ weiterlesen

Was guckst du?

Es ist das große Rätsel, und es zu lösen ist eine der Kernfragen im Journalismus: Was will eigentlich „der Leser“? Viele Jahre lang haben Magazin- und Zeitungsmacher ihre eigenen Theorien zum Thema gefunden und gelehrt, und in einem überschaubaren Markt auch Erfolge damit gehabt. Jetzt, so scheint es zumindest, erodieren viele dieser Theorien, verlieren Zeitschriften Leser oder gleich die Geschäftsgrundlage und im Internet bewegen sich die Leser ganz anders, scheinen nicht das zu lesen, was sie doch in den Zeitschriften noch so gern hatten und überhaupt haben die Verantwortlichen vieler Medienmarken den Eindruck, die Konsumenten von ihren Printtitel und von deren Online-Ablegern sind zwei völlig unterschiedliche Gruppen, die sich kaum überschneiden. Leser sind rätselhafter denn je, scheint es. „Was guckst du?“ weiterlesen

Statt Leistungsschutzrecht: Leistung!

Nach Informationen der Financial Times verhandelt Rupert Murdoch mit Microsoft darüber, die Inhalte seiner News Corp. Gruppe (u.a. das Wall Street Journal und die englische Sun) in Zukunft exklusiv nur noch von der Microsoft-Suchmaschine Bing finden zu lassen, also bei Google zu de-indizieren. Anstatt wie deutsche Verlage nach Subventionen in Form eines Leistungsschutzrechtes zu verlangen, böte Murdoch mit diesem System tatsächlich eine Leistung – und vertraut gleichzeitig darauf, dass seine Inhalte tatsächlich etwas wert sind.

Das ist doch mal eine Offensive!
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Das Buchholz-Attentat

Bei Gruner & Jahr sind sie also kurz davor, sich zu hauen – bereits auf der Eskalationsstufe Hitlervergleiche. Und schuld daran ist wieder nur die Angst. Wenn man den Redaktions-Beiräten glauben darf, dann haben die Redaktionen entweder nicht verstanden, was Bernd Buchholz mit dem Verlag vorhat, oder sie haben es verstanden und können es nicht glauben. Sie haben Angst, dass es stimmt. Für alle, die den Feinheiten der deutschen Print-Landschaft ob ihrer langweiligen Berechenbarkeit nicht regelmäßig folgen: Bernd Buchholz, der noch recht frische Vorstandsvorsitzende des traditionsreichen Verlages von unter vielen anderen Stern, Brigitte und Geo hat im Wesentlichen drei Wege skizziert, wie der Verlag in Zukunft weiter sehr viel Geld verdienen soll: Zum einen soll er seine Zeitschriften billiger produzieren, indem er in einem „Plattformsystem“ Zeitschriftenteile titelübergreifend in einer Art One-Size-Fits-All-System erstellen lassen will (wir erinnern uns, dass so zum Beispiel in der DDR auch Häuser gebaut worden sind). Zweitens möchte er das so genannte Corporate Publishing ausbauen, bei dem Gruner & Jahr als Auftragnehmer zum Beispiel Kundenzeitschriften für andere Firmen erstellt. Und er möchte drittens als eine Art Informationshändler mit einem Datenbanksystem wertvolle Informationen an professionelle Kunden verkaufen.

Alles drei sind Punkte, die für Journalisten, die bisher mit relativ großer Freiheit und einigem Komfort zum Beispiel bei Stern, Geo oder Brigitte arbeiten durften ziemliche Zumutungen bedeuten. Aber vor allem sind sie eines nicht: Ideen, wie man in Zukunft den Journalismus weiter entwickelt. Journalismus spart man so höchstens kaputt, oder verabschiedet sich ganz von ihm. Deshalb haben die Redaktionsbeiräte (die haben da schon tolle Sachen, bei Gruner: Redaktions-Beiräte. Geil!) der drei aufgeführten Titel Bernd Buchholz geschrieben, bei seinen Plänen ginge es wie immer nur ums Geld, und Buchholz schrieb zurück, das sei jawohl eine Frechheit und er würde jetzt gar nicht mehr mit ihnen reden. Und dann schrieb der Geo-Chefredakteur was von einem Hitler-Attentat und alle schreien seitdem durcheinander. Weltklasse für Deutschland. „Das Buchholz-Attentat“ weiterlesen

Spieltheorie

Die letzten Tage waren für mich – neben vielem anderen – ein bewegendes Indiz dafür, wenn nicht gar der Beweis, welche großartige Metapher auf das Leben Fußball ist: Für den Kampf und die Angst, die Feude und die Trauer, den Sieg, die Niederlage und die Kameradschaft, Freundschaft und den Zusammenhalt in beidem. Oder eben das Fehlen von all dem. Fußballer tun, was sie tun, stellvertretend für uns – kämpfen, leiden, siegen und feiern. Und wenn einer unserer Stellvertreter sich das Leben nimmt, dann trifft uns das offensichtlich hart und ohne Umweg. Das hätten wir sein können, oder, stärker noch, die Wahrscheinlichkeit, dass wir es tun würden, sollte eigentlich höher sein, als die das er es tut. Es fühlt sich einfach ungeheuer falsch an, dass die Welt so ist. Es ist unheimlich.

„Spieltheorie“ weiterlesen