Vom Mythos der technischen Institution

Es mag bei komplexen Problemen normal sein, dass der Kenntnisstand über die Fakten extrem variiert, und es gehört zum Immunsystem einer Demokratie, dass Menschen in der Lage sind, auch auf Grundlage von relativ wenig Informationen in der Masse recht weise Entscheidungen zu treffen. Aber es wird unmöglich, wenn diese Informationen falsch sind. Vorurteile sind keine Urteile.

Ich begegne regelmäßig zwei Annahmen, die aus meiner Sicht zur schwierigsten Hürde in der deutschen Diskussion um Euro- und Griechenlandkrise geworden sind. Die erste Annahme ist, die Beamten der Institutionen formerly known as Troika wären eine Art unpolitisches „Technisches Team“, das quasi nur zur Umsetzung von politischen Beschlüssen aus Brüssel in die Hauptstädte Südeuropas reist und selber unpolitisch wäre. Die zweite Annahme, eigentlich eine direkte Folge ist, die Troika hielte sich an Beschlüsse aus Brüssel. Beide Annahmen sind verständlich, denn genau das gerieren sowohl die Institutionen als auch der größte Teil der Medien. Aber beide Annahmen sind falsch.

Ich kann der Geschichte des IWF hier natürlich nicht gerecht werden. Er ist in den vergangenen Jahrzehnten überall auf der Welt als Pioniertrupp der neoliberalen Ideologie in Krisen- und Katastrophengebiete eingezogen und hat eine Schneise der Verwüstung hinterlassen (es lohnt sich, das nachzulesen, schon weil es absurd und unglaublich wirkt, dass eine Weltgemeinschaft das zulässt). Gegründet als Retter für Staaten in Krisen hinterlässt der IWF regelmäßig weite Teile der Bevölkerung ohne Arbeitnehmerrechte und Sozialsysteme. Die Programme, an die die Auszahlung von Hilfskrediten gebunden ist, lassen sich regelmäßig zusammenfassen als Dreiklang aus Kürzung der Staatsausgaben, Liberalisierung der Märkte (auch und vor allem des Arbeitsmarktes) und die Privatisierung von Staatseigentum.

Er ist keine neutrale, „rein technische“ Einrichtung. Abgesehen davon wäre er eine schlechte: Bei dem Griechenland-Programm haben sich die IWF-Experten nach eigenem Eingeständnis fürchterlich verrechnet und so den Absturz der Wirtschaft und das Leid der Bevölkerung extrem verschärft.

Hier ist aber vor allem eins wichtig: Der IWF ist keine europäische Institution und natürlich folgt er auch keinen Vorgaben aus Brüssel. Es ist nicht einmal festgelegt, dass IWF und EU-Kommission in Bezug auf die Rettungsprogramme die gleichen Ziele haben, sie sollen sich nur abstimmen. Zu Beginn der Krise hatte unter anderem Wolfgang Schäuble deshalb die Idee eines Europäischen Währungsfonds vertreten, sich damit aber leider nicht durchsetzen können.

Dass die Europäische Zentralbank (EZB) unabhängig und in keiner Form weisungsgebunden ist, ist ohnehin klar. Das macht es im Gegenteil umso unverständlicher, dass sie überhaupt in der Troika dabei sein durfte. Es gibt heute auch niemanden mehr, der umfassend erklären kann, wie es dazu kam, sondern es hat im Gegenteil das Europäische Parlament nach ausführlicher Untersuchung festgestellt, dass die demokratische Legitimation der gesamten Troika-Konstruktion schwach ist und die Teilnahme der EZB juristisch fragwürdig.

Über die Rolle der EZB heißt es in einer Untersuchung des Brüsseler Think Tanks Bruegel

The ECB’s role is less clearly defined than the Commission’s. The legal texts refer to it in an oblique way, using the formula ‘in liaison with the ECB’. Reasons for European authorities to request ECB participation in the Troika are not spelled out explicitly, and there is no straightforward rationale for this involvement.

(PDF Seite 24f.)

Kurz: Keiner weiß mehr, was die da sollen, aber die EZB hat nach Recherchen von Harald Schumann ihre undefinierte Rolle ausgenutzt, um in unfassbar dreister Art und Weise verschiedene europäische Banken auf Kosten europäischer Steuerzahler zu sanieren. Die Verluste trugen die ohnehin gebeutelten Südeuropäer, die Gewinne machten Privatunternehmen oder Privatleute wie die Tochter des angolanischen Diktators dos Santos, die billig eine Bank kaufen konnte, deren Milliardenschulden von portugiesischen Steuerzahlern übernommen worden waren. Weil die EZB Schumanns Nachfragen nicht beantwortet, hat der Europa-Abgeordnete Sven Giegold sie nun als offizielle Parlamentsanfrage eingereicht. Ich bin gespannt auf die Antworten.

Derweil mischt sich die EZB aber auch aktiv in die Politik ein: So sind die Möglichkeiten, unter denen sich das griechische Finanzsystem heute über die EZB liquide halten kann sehr viel schlechter als es 2012 in vergleichbarer Situation unter der ersten Regierung von Antonis Samaras war (dieser Umstand war einer der Hauptpunkte in dem Brandbrief von Tsipras an Merkel Mitte März. Viel genaueres hier hinter der Paywall der FT, zumindest etwas Genaueres sonst hier bei der Welt).

Die EU-Kommission, dritte der Troika-Institutionen, ist im Prinzip die einzig demokratisch legitimierte, obwohl auch hier (wie zum Beispiel grandios von Schumann in seinem schockierenden Film „Troika – Macht ohne Kontrolle“ dokumentiert) die Beamtenebene in bizarrer Übertretung ihrer Kompetenzen agiert. Dass politische Vorgaben diese Frauen und Männer nur bedingt aus dem Takt bringen wird aber schon deutlich, wenn man ihre Programme tatsächlich einmal liest. So finden sich im ersten „Economic Adjustment Programme for Greece“ abgesehen von den absurd falschen Annahmen über den Einfluss des Programms auf die Realwirtschaft zum Beispiel Punkte zu Arbeitsmarktreformen, die aus heutiger Sicht wie Hohn klingen. Punkt 26 erklärt, wie Lohnsenkungen und die Abschaffung von Arbeitnehmerrechten zu neuen Jobs führen, auch mit besonderem Blick auf die Jungen (die Jugendarbeitslosigkeit liegt heute bei etwa 50 Prozent) und unter Punkt 29 die sachkundig erläuterte Erklärung, warum die Mindestlöhne im privaten Sektor nicht angetastet werden würden (kurz: Weil es schädlich und sowieso sinnlos wäre). Ein Jahr später wurden bekanntlich die Mindestlöhne gesenkt, was die Abwärtsspirale der griechischen Wirtschaft weiter verstärkte.

Heute weiß offenbar niemand mehr genau, wie es dazu kam, dass sich die Troika nicht an ihre eigenen Programme hielt, und besonders zwischen Griechenland und Deutschland wird viel mit Fingern gezeigt. Deshalb soll ein Untersuchungsausschuss in Griechenland einmal die Fakten von den Verschwörungstheorien trennen, was die Welt in einem inzwischen offenbar Fleisch gewordenen Reflex zu der Überschrift verleitet, „Athen sucht Schuldige für die Misere“. Manchen reicht für die Feststellung von Tatsachen offensichtlich ein Blick ins eigene Archiv – wenn es da steht, muss es ja stimmen. So verselbständigen sich Wahrnehmungen.

Politische Institutionen sind niemals einfach technisch, aber die hierzulande weitgehend unkritische Darstellung der Troika-Institutionen als solche, die einfach nur die Einhaltung von bereits ausgehandelten Verträgen überwachen sorgt dafür, dass jeder ihr Widersprechende automatisch als Vertragsbrecher wahrgenommen werden muss. Das ist es, was viele Medien mit der neuen griechischen Regierung machen: Um eine Diskussion um ihre Politik zu vermeiden, ziehen sie die Diskussion ins Unpolitische, ins Technische: Verträge sind einzuhalten; Die Regierung ist inkompetent (was man politisch ja kaum sein kann); Sie wollen „Reformen zurückdrehen“.

Die Wahrheit ist eine andere: Die Troika hat eine Politik vertreten, eine Ideologie, die in Wahrheit nirgends in Europa eine Mehrheit hat. Es gibt auch in Deutschland keine neoliberale Mehrheit. Es sind zwei unterschiedliche Dinge, ob man auf die Einhaltung von Verträgen pocht, oder ob man einem anderen Land eine Politik aufzwingt, und dann eine, die ganz explizit von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird. Mit dem Mythos der rein technischen Eingriffe wird die Abschaffung der Demokratie verschleiert.

Das ist kein europäischer Weg.

48 Antworten auf „Vom Mythos der technischen Institution“

  1. Sehr geehrter Herr Pantelouris,

    gestatten Sie mir, einige Fakten zu Ursache und Wirkung in Erinnerung zu rufen:

    1. Die griechischen Regierungen der letzten Jahrzehnte haben Klientelpolitik auf Kosten Dritter betrieben. Sie haben das Land hoch verschuldet, um jeweils ihre Klientel zufriedenzustellen. Es wurde also viel mehr Geld ausgegeben als eingenommen.

    2. Die griechischen Regierungen der letzten Jahrzehnte haben es nicht im Ansatz geschafft, ein zeitgemäßes Steuersystem aufzubauen, in dem Transaktionen angemessen besteuert werden. Es fehlt also auch auf der Einnahmenseite.

    3. Die griechischen Regierungen der letzten Jahrzehnte haben massiv Statistiken gefälscht und verzerrt. Mit realistischen Zahlen wäre Griechenland niemals in die Euro-Zone aufgenommen worden.

    4. Als die Probleme aus den Punkten 1 bis 3 in Griechenland fast zum Zusammenbruch führten, mussten die »Institutionen« einspringen – also in Wahrheit die Länder, die ihre Bürger besteuern und mit ihrem Geld besser haushalten.

    5. Die Institutionen haben eine Umschuldung vorgenommen: Die Schulden Griechenlands bei privaten Geldgebern wurden weitgehend abgelöst. Für 80 % der griechischen Schulden stehen heute die Bürger der EU-Länder gerade, die die ihre Bürger besteuern und mit ihrem Geld besser haushalten.

    6. Ja, ich habe mich in 5. wiederholt! Weil wir als Bürger der Bundesrepublik, Frankreichs, Spaniens, der Niederlande und anderer Euro-Staaten für die jahrzehntelange Misswirtschaft und den jahrzehntelangen Betrug einstehen müssen.

    7. Das hat mit Ihrem Kampfbegriff »neoliberal« überhaupt nichts zu tun. Auch wenn Sie von meinen Argumenten keines akzeptieren können, notieren Sie sich bitte wenigstens diesen Satz: Liberale sind immer gegen Korruption und Staatsverschuldung – weil in der Endkonsequenz die Menschen draufzahlen, die ehrlich gewirtschaftet und ihre Steuern bezahlt haben.

  2. Dem Kommentar von stefanolix kann ich uneingeschränkt zustimmen, habe aber noch etwas hinzuzufügen:

    – Irland, Spanien und Portugal haben sich unter der Aufsicht der „Institutionen“ doch auch erholt, oder? Warum hat es da funktioniert? Die Probleme waren zum Teil andere, aber die Regierungen dieser Länder haben Reformen durchgeführt, die Griechenland immer noch ablehnt.

    – Griechenland war, bis zur letzten Wahl, auf einem guten Weg – Primärüberschuss, Wirtschaftswachstum. Mit der Aussicht auf den Wahlerfolg von Syriza blieben die Steuerzahlungen aus, die Menschen heben das Geld von den Banken ab, Unsicherheit breitet sich aus. Der Grexit ist wohl (leider) unausweichlich, weil die neue Regierung das Rad zurückdreht. Keine Privatisierungen (warum kann der Staat Brief-, Telekommunikations- oder Verkehrsdienstleistungen besser erbringen als Unternehmen?), Wiedereinstellungen im öffentlichen Dienst (vielleicht auch nicht, die Kakophonie der griechischen Regierung fördert das Vertrauen in ihre Fähigkeiten eher nicht).

    – „Die Wahrheit ist eine andere: Die Troika hat eine Politik vertreten, eine Ideologie, die in Wahrheit nirgends in Europa eine Mehrheit hat.“

    Die viel bittere Wahrheit ist, dass Griechenland, will es weiter Kapital erhalten, die Konditionen der Geldgeber erfüllen muss: Ein funktionierendes Steuersystem, Bekämpfung von Korruption und so weiter. Diese „Ideologie“ hat in Europa (vor allem in der Mitte und im Norden) sehr viele Anhänger!

  3. @stefanolix
    Mal von Dingen abgesehen, wie das z.B.
    – Deutschland seit es den Euro gibt über den 60 % Staatschuldenquote liegt und seit Jahrzehnten mehr ausgibt als einnimmt,
    – die Art, wie Griechenland seine Schulden vor dem Eurobeitritt verschleiert hat grade massiv in Deutschland in Form von ÖPP propagiert wird als Lösung des Problems der Schuldenbremse,
    – Deutschland jahrzehntelang zugeschaut hat, wie reiche Personen und Firmen ihr Geld unversteuert nach Liechtenstein oder in die Schweiz schaffen,
    – das eine ziemlich merkwürdige „Umschuldung“ ist, wenn man hinterher mehr Schulden hat und weniger in der Lage ist sie zu bedienen,
    – scheinbar niemand der FDP erzählt hat, dass liberale gegen Korruption sind,
    mal von den Dingen abgesehen:
    Schulden sind eine elementare Grundvoraussetzung zum funktionieren des Kapitalismus. Wenn Liberale gegen Staatsverschuldung sind, wer soll sich dann verschulden? Private Haushalte sicherlich nicht. Bleiben nur Unternehmen. Nur wieso habe ich noch nie liberale gesehen, die fordern, dass man Unternehmen alle Gewinne wegbesteuert, damit sie immer wieder neue Kredite aufnehmen müssen? Im Gegenteil, Liberale fordern immer niedrigere Steuern. Wie soll das funktionieren?

  4. @Observer
    Irland und Spanien erholt? Irland lebt hauptsächlich davon US-Unternehmen zu helfen ihre Gewinne unversteuert aus der EU zu schaffen und hat darum irrsinnige Exportquoten von über 100 % des BIPs. Das hat nur wenig mit eigener Leistung zu tun. Und Spanien krebst bei offener Deflation mit Nullwachstum rum mit der höchsten Arbeitslosenquote nach Griechenland.
    Und das griechische „Wachstum“ beruhte darauf, dass durch die Deflation die Preise schneller gefallen sind als das BIP, die Wirtschaft ist „real“ gewachsen, nominal aber geschrumpft.

  5. @Iwet: Deutschland ist in einem Maß verschuldet, das mir persönlich auch nicht gefällt. Der wesentliche Unterschied zu Griechenland besteht darin, dass Deutschland im Verhältnis zum Umfang seiner Staatsanleihen nur sehr geringe Zinsen zahlen muss. Dass so viele Investoren Deutschland Geld leihen möchten, liegt an der hohen Sicherheit der Anlage und der hohen Zuverlässigkeit des Landes.

    Mit öffentlich-privaten Partnerschaften haben einige Kommunen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten schlechte Erfahrungen gemacht. Es waren furchtbar schlechte Konstruktionen zum Nachteil der Kommunen, die i. d. R. nur im Zusammenspiel mit wilden Steuervermeidungsmodellen in Steuer-Oasen funktioniert haben. In manchen Fällen gab es dabei Bestechung und andere Arten der Korruption. Selbstverständlich sind solche Modelle nicht mit liberalen Grundsätzen zu vereinbaren.

    Es trifft zu, dass über Jahrzehnte Teile deutscher Vermögen ins Ausland transferiert wurde und dass dort Gewinne nicht versteuert wurden. Allerdings sind die entgangenen Steuern im Vergleich zum gesamten Steueraufkommen sehr gering.

    Es trifft zu, dass zum Kapitalismus Kredite und Zinsen gehören – was Sie dabei unter den Tisch fallen lassen, ist aber das Entscheidende: Der Kreditnehmer muss wirtschaftlich stabil und leistungsfähig sein. Das System funktioniert nur, wenn die Kredite zuverlässig bedient werden. An der Pleite des Kreditnehmers hat keine seriöse Bank und kein seriöser Anleger ein Interesse.

    Die Umschuldung war notwendig, weil es in Griechenland eine wahnwitzige Überschuldung gegeben hat, die in keinem Verhältnis zur Wirtschaftsleistung und zum Steueraufkommen stand. Diese Ursache wird im obenstehenden Artikel und auch in Ihrem Kommentar vernachlässigt. Erst kommt die Ursache und dann kommt die Wirkung.

    Wirklich liberale Politik gibt der Wirtschaft einen Ordnungsrahmen, zu dem selbstverständlich auch das Zahlen der Steuern und Abgaben gehört. Nur müssen die Steuern und Abgaben angemessen verteilt sein und den Bürgern muss noch eigenes Geld zum Wirtschaften bleiben. Liberale fordern nicht den Verzicht auf Steuern, sondern deren Angemessenheit. Das gilt selbstverständlich auch für Konzerne wie Amazon oder Google.

    Eine ideale Politik und ideale Politiker gibt es nicht. Deshalb gab es auch bei uns in Deutschland schon Bestechung, illegale Parteienfinanzierung und Steuerhinterziehung. Aber auch hierbei gilt: Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung und zum Steueraufkommen ist der Schaden gering. Verwaltung und Staat funktionieren im Vergleich mit den meisten anderen Staaten der Erde relativ gut.

  6. Ja, eine Umschuldung war notwendig. Und ist notwendig. Wo sehen sie denn die Umschuldung, wenn Griechenland hinterher mehr Schulden hat und sie nicht mehr bedienen kann?
    Und selbstverständlich müssen Steuern angemessen sein. Und das heißt in einer Wirtschaft, in der der Staat keine Schulden macht, dass Unternehmen so massiv besteuert werden, dass sie kein Vermögen anhäufen können. Um sie dadurch in eine permanente Verschuldung zu zwingen.
    Die Frage bleibt, warum hört man nie Liberale mit dieser Forderung?

  7. Ich habe betont, dass die Verschuldung jedes Kreditnehmers im angemessenen Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft stehen muss. Das ist die liberale Forderung. Das gilt für Staaten und für Unternehmen. Kein Staat, kein Unternehmen, kein Bürger darf dauerhaft mehr ausgeben, als eingenommen wird. Staaten, Unternehmen und Bürger sollen sich zum Investieren (maßvoll!) verschulden. Der Staat investiert z.B. in die Infrastruktur und holt sich das Geld später zurück. Selbstverständlich gibt es liberale Forderungen in diesem Sinne – Stichworte: Ordnungspolitik, Ordoliberalismus.

  8. Oben hieß es noch, dass Liberale immer gegen Staatsverschuldung sind. Auch maßvolles Verschulden heißt letztlich mehr ausgeben, als mein einnimmt. Und das kann man als Staat grundsätzlich auch dauerhaft problemlos bis ans Ende der Zeit machen. Was sollten also Liberale dagegen haben.

    Letztlich bleibt es bei Ursache und Wirkung dabei, dass unter anderem Deutschland jahrzehntelang prächtig an Griechenland verdient hat. Deutsche Firmen schmieren griechische Beamte und Politiker, damit sie deutsche Panzer und Uboote kaufen und Griechenland nimmt dafür bei deutschen Banken einen Kredit auf. Niemals hat irgend ein Verantwortlicher in Deutschland gesagt, dass es unverantwortlich wäre Griechenland die Kredite oder die Panzer zu geben, weil sie sie nicht brauchen und nicht dauerhaft bezahlen können. Und heute stellen sich die Deutschen hin und beklagen wie unverantwortlich die griechischen Poltiker (die die Griechen aber bitteschön wählen sollen und bloß nicht die unverwortlichen Linken) waren. So glaubhaft, wie ein Crackdealer, der den Drogenmissbrauch der Junkies anprangert.

  9. @lwet

    „Irland und Spanien erholt? Irland lebt hauptsächlich davon US-Unternehmen zu helfen ihre Gewinne unversteuert aus der EU zu schaffen und hat darum irrsinnige Exportquoten von über 100 % des BIPs. Das hat nur wenig mit eigener Leistung zu tun. Und Spanien krebst bei offener Deflation mit Nullwachstum rum mit der höchsten Arbeitslosenquote nach Griechenland“

    Jedenfalls wird keiner dieser Staaten mehr durch IWF, EZB oder EU (die Troika, im Neusprech: „die Institutionen“) so kujoniert wie Griechenland, oder? Was haben diese Länder also besser (oder anders), als Griechenland gemacht? Wie es den einzelnen Ländern (Irland, Portugal und Spanien) jetzt ergeht, habe ich nicht zum Thema gemacht. Besser dran als Griechenland sind sie allemal.

    „Und das griechische “Wachstum” beruhte darauf, dass durch die Deflation die Preise schneller gefallen sind als das BIP, die Wirtschaft ist “real” gewachsen, nominal aber geschrumpft.“

    Genau das, was Griechenland (nämlich im Vergleich zum Rest der Eurozone) braucht: die Anpassung an die Realität! (VWL Grundkurs)

    „Real“ ist übrigens was zählt in der Welt, deshalb sollten Sie nominal viel eher in Anführungszeichen setzen.

    Außerdem:

    „– Deutschland seit es den Euro gibt über den 60 % Staatschuldenquote liegt und seit Jahrzehnten mehr ausgibt als einnimmt,“

    Seit mindestens zwei Jahren wird in Deutschland ein Überschuss erwirtschaftet. Die Quote der Verschuldung wächst – welche Ironie – durch die Beteiligung an diversen Rettungsschirmen für andere Länder und Banken.

    „Schulden sind eine elementare Grundvoraussetzung zum funktionieren des Kapitalismus. Wenn Liberale gegen Staatsverschuldung sind, wer soll sich dann verschulden? Private Haushalte sicherlich nicht. Bleiben nur Unternehmen. Nur wieso habe ich noch nie liberale gesehen, die fordern, dass man Unternehmen alle Gewinne wegbesteuert, damit sie immer wieder neue Kredite aufnehmen müssen? Im Gegenteil, Liberale fordern immer niedrigere Steuern. Wie soll das funktionieren?“

    Schulden machen Sinn, wenn sie investiert werden in mögliche zukünftige Erträge, z.B. neue Maschinen oder Gebäude. Wenn Kredite über Jahre vorwiegend in den Konsum gehen (wie in Griechenland: üppige Renten, zu viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst, keine Verbesserung der Rahmenbedingungen, wie bei der Steuererhebung), ist der Kollaps unausweichlich. (VWL Grundkurs, Teil zwei)

    Ihre Naivität ist wirklich… ermüdend.

  10. Es ist in der Tat zu unterscheiden zwischen Kreditaufnahme, Verschuldung und Überschuldung. Griechenland war seit Jahrzehnten überschuldet, aber auf der einen Seite wurde die Überschuldung in Griechenland verschleiert und auf der anderen Seite wollte sie in der EU niemand wahrhaben.

    Kreditaufnahme bedeutet: Das Geld wird klug investiert, aus den Erträgen kommen Zins und Tilgung. Das war eigentlich mal der Sinn von Krediten – und damit funktioniert eine gesunde Marktwirtschaft. Nebenbei: Es werden ja oft Gewinne als »Profit« denunziert, obwohl das Geld sofort wieder investiert wird.

    Verschuldung bedeutet: Das Geld wird nur noch teilweise klug investiert. Ein Teil wird in Dinge investiert, die keinen direkten Gewinn oder gar keinen Gewinn bringen. Je nach dem Grad der Vernunft der Politiker kann das eine Weile gut gehen – besonders in einer starken Volkswirtschaft wie Deutschland, die viele Reserven hat und nach außen expandieren kann. Aber je mehr Populismus in die Politik einzieht, desto größer wird die Gefahr der Überschuldung.

    Überschuldung bedeutet: Das Geld wird überhaupt nicht mehr klug investiert. Ein Teil dient dem Stopfen der schlimmsten Löcher in der Infrastruktur – der Rest wird zur Deckung exzessiver Ausgaben verwendet. Im Unternehmen kommt es den letzten Erben, im Staat der unproduktiven Klientel zugute.

    Die letzten Absätze setzen voraus, dass die Geldmenge nicht manipuliert wird. Was wir jetzt bei den »Rettungsaktionen« der EZB und der Eurogruppe erleben, gefährdet allerdings auch alle, die bisher vernünftig gearbeitet und investiert haben.

  11. „Was haben diese Länder also besser (oder anders), als Griechenland gemacht?“
    Sie hatten unter anderem das Glück nicht die ersten Versuchskaninchen zu sein. Spanien hat die Hilfen 2012 beantragt, als man das Desaster schon 2 Jahre in Griechenland ausgiebig beobachten konnte. Und während Griechenland niemanden interessiert hat (außer bezüglich dem Geld, dass deutsche/französiche Banken dort versenkt haben) hat Spanien eine der größten Volkswirtschaften der EU, da konnte man sowas nicht wiederholen.
    Und Irland hat wie geschrieben irrwitzige Exportquoten. Das kann man gar nicht nachmachen.

    „Anpassung an die Realität! (VWL Grundkurs)“
    Die Wirtschaft schrumpft und das als positiv verkaufen mit Verweis auf einen VWL-Grundkurs? Mutig.

    „Seit mindestens zwei Jahren wird in Deutschland ein Überschuss erwirtschaftet.“
    Weil Dank der Krise eine Kapitalflucht nach Deutschland stattfindet und sich Deutschland darum zum Nulltarif verschulden kann. Ohne Eurokrise wäre der Staatshaushalt tief rot.

    „Die Quote der Verschuldung wächst – welche Ironie – durch die Beteiligung an diversen Rettungsschirmen für andere Länder und Banken.“
    Die Quote war 2010, bevor irgendwelche Rettungsschirme für deutsche Banken aufgespannt wurden, bei 80 %. Und wäre es ohne Krise wohl immer noch (siehe Kredite zum Nulltarif).

    „Wenn Kredite über Jahre vorwiegend in den Konsum gehen, ist der Kollaps unausweichlich. (VWL Grundkurs, Teil zwei)“
    Erzählen sie das den USA. Und VWL Grundkurs Teil 3:
    Wenn ein Land permanent Exportüberschüsse erwirtschaftet, sprich mehr einnimmt als ausgibt, dann stehen dem logisch zwingend Länder gegenüber, die mehr ausgeben als einnehmen. Exportweltmeister gibt es also nur, wenn man Schuldenweltmeister hat. Wenn ein Land also nichts gegen seine Exportüberschüsse unternimmt, dann zwingt es andere Länder in Schulden.

  12. „auf der anderen Seite wollte sie in der EU niemand wahrhaben.“
    Die EU ist also Mitschuldig. Das sage ich doch. Und jetzt versucht sie sich aus der Verantwortung zu winden.

    „Was wir jetzt bei den »Rettungsaktionen« der EZB und der Eurogruppe erleben, gefährdet allerdings auch alle, die bisher vernünftig gearbeitet und investiert haben.“
    Es hat nur niemand vernünftig gearbeitet und investiert. Einige Länder haben unverantwortliche Schulden angehäuft, andere Länder haben unververantwortlich eine Politik gemacht, die darauf zielt mehr Kredite zu vergeben (Sprich Exportüberschüsse). Und das die Eurogruppe und EZB mit ihrer Austeritätspolitik alle gefährdet bezweifelt eigentlich niemand.

  13. »Austeritätspolitik« steht als hohle Phrase im Raum. Das Modell Griechenland war von vornherein zum Scheitern verurteilt:

    1. keine richtige Verwaltung
    2. keine richtige Statistik
    3. Steuervermeidung in hohem Ausmaß
    4. Überschuldung zugunsten des Konsums

    In dieser Situation kommt eine Regierung aus Links- und Rechtspopulisten an die Macht, in der die meisten Mitglieder nur Sprüche klopfen können, aber keine Regierungserfahrung haben. Was erwarten Sie? Dass die EU ohne Bedingungen weiter Milliarden überweist?

    Ja, das ist jetzt kalter Entzug und kalter Entzug tut weh. Aber die Griechen haben über Jahrzehnte Parteien gewählt, die jeweils Personen ihrer eigene Klientel in den aufgeblähten öffentlichen Sektor gebracht haben. Die Ursache liegt doch nicht bei uns. Es muss damit beginnen, dass die Griechen ihre eigene Politik aufarbeiten und dass sie zeigen: Wir können es besser.

  14. Mehr Phrasen in so wenig Sätzen habe ich tatsächlich überhaupt noch nie gehört. Und der Satz „Ja, das ist jetzt kalter Entzug und kalter Entzug tut weh“ ist der mit Abstand zynischste, den man sich denken kann. Ich will mich in die Diskussion nicht wirklich einmischen (und freue mich über so rege Teilnahme), aber zu behaupten, die Troika-Programme wären in hilfreich bei der Lösung des griechischen Problems (oder auch nur neutral), ohne irgendein konkretes inhaltliches Argument, ist schon eher absurd. Es gibt nirgendwo (schon gar nicht in Griechenland) jemanden, der die griechischen Probleme nicht sieht (vielleicht lohnt es sich, mal zum Beispiel die Vorschläge der griechischen Regierung zu lesen, bevor man sie kritisiert? Mehr Selbstkritik in einem Dokument geht gar nicht), das heißt aber nicht, dass die Austeritätspolitik nicht kritikwürdig ist. Ich warte übrigens auch immer noch auf ein inhaltliches Argument zum Text oben.

  15. @Iwet

    „Sie hatten unter anderem das Glück nicht die ersten Versuchskaninchen zu sein. Spanien hat die Hilfen 2012 beantragt, als man das Desaster schon 2 Jahre in Griechenland ausgiebig beobachten konnte. Und während Griechenland niemanden interessiert hat (außer bezüglich dem Geld, dass deutsche/französiche Banken dort versenkt haben) hat Spanien eine der größten Volkswirtschaften der EU, da konnte man sowas nicht wiederholen.
    Und Irland hat wie geschrieben irrwitzige Exportquoten. Das kann man gar nicht nachmachen.“

    Dass Spanien, Irland und Portugal (dieses Land ist wohl nicht auf Ihrem Schirm) die verlangten Reformen durchgesetzt haben kann unmöglich wahr sein, nicht wahr? Warum versucht eigentlich Griechenland nicht, dem irischen Modell nachzueifern? Eine Ausrede nach der Anderen.

    „“Anpassung an die Realität! (VWL Grundkurs)”
    Die Wirtschaft schrumpft und das als positiv verkaufen mit Verweis auf einen VWL-Grundkurs? Mutig.“

    REAL bedeutet „preisbereinigt“; die griechische Wirtschaft ist also 2014 nicht REAL geschrumpft (zum ersten Mal seit Jahren!), sondern gewachsen. Das ist durchaus positiv und dagegen anzustänkern zeigt nur – mit Verlaub – Ihre Ahnungslosigkeit.

    „Weil Dank der Krise eine Kapitalflucht nach Deutschland stattfindet und sich Deutschland darum zum Nulltarif verschulden kann. Ohne Eurokrise wäre der Staatshaushalt tief rot.“

    Mal wieder haarscharf daneben. Innerhalb der Eurozone verschiebt sich Kapital in Richtung der stabilen Länder. International gibt es aber eine Bewegung in den Dollar (weshalb der Euro zum Dollar nur noch bei ca. 1,08 statt bei ca. 1,30 liegt) und andere Währungen (Schweizer Franken etc.).

    „Wenn ein Land permanent Exportüberschüsse erwirtschaftet, sprich mehr einnimmt als ausgibt, dann stehen dem logisch zwingend Länder gegenüber, die mehr ausgeben als einnehmen. Exportweltmeister gibt es also nur, wenn man Schuldenweltmeister hat. Wenn ein Land also nichts gegen seine Exportüberschüsse unternimmt, dann zwingt es andere Länder in Schulden.“

    Das ist wirklich das witzigste (nicht wirklich, eher das dämlichste), das ich zu diesem Thema je gelesen habe.
    Da ist ein Land, das seine Steuern erheben und eintreiben kann, findige Unternehmer und exzellente Arbeitnehmer hat, Reformen durchführt, wenn sie als notwendig erachtet werden (Hartz), gute Löhne zahlt und trotzdem viel Freizeit und Lebensqualität bietet, nur damit die Regierung dieses Landes „etwas gegen seine Exportüberschüsse unternimmt.“
    Was denn? Ausfuhrzölle erheben? Innovationen verbieten? Die 20-Stunden-Woche einführen?
    Niemand hat Griechenland (oder Spanien, Portugal, Irland, Frankreich, die USA, oder gar Japan, Russland und China gezwungen, deutsche Produkte einzukaufen.

    Sollten sich andere Länder nicht vielleicht ein wenig mehr anstrengen, konkurrenzfähige Produkte auf den Markt zu bringen?

  16. „die griechische Wirtschaft ist also 2014 nicht REAL geschrumpft (zum ersten Mal seit Jahren!), sondern gewachsen. Das ist durchaus positiv und dagegen anzustänkern zeigt nur – mit Verlaub – Ihre Ahnungslosigkeit.“
    An der Stelle kann man aufhören zu diskutieren. Wer ernsthaft in einer Marktwirtschaft das Schrumpen der Wirtschaftskraft und Deflation für positiv hält, dem ist nicht mehr mit Argumenten beizukommen.

  17. Wenige Regierungen haben ihrem Land so geschadet wie Syriza – die Regierung, die in Deutschland eine Koalition von Sarah Wagenknecht und Alexander Gauland wäre….

    „Das eigentliche Problem in Griechenland ist die Schwäche der staatlichen Institutionen“, sagt ein Insider, der sich mit der Arbeit der Troika zur Rettung Griechenlands befasst hat. Das führte dazu, dass die Regierung zwar gespart hat, dass die Reformen, die den Wiederaufstieg des Landes einleiten sollten, aber unterblieben. Die Sanierer in Brüssel, Frankfurt und New York hatten sich darauf eingestellt, dass Syriza nach einem Machtwechsel einige Sparmaßnahmen zurücknehmen würde, dass dies aber dadurch ausgeglichen würde, dass die Neuen konsequent gegen Korruption und Vetternwirtschaft vorgehen würden. „Das war eine bittere Enttäuschung“, meint der Insider.

    Ein Beleg dafür ist der Streit um einen Anti-Korruptionsbeauftragten der Regierung. Die Troika hatte den früheren konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras gedrängt, für den Kampf gegen Bestechlichkeit im öffentlichen Dienst eine unabhängige Behörde zu schaffen, um eine Brandmauer zu möglichen Übeltätern zu errichten. Der neue Regierungschef Tsipras gliederte die Behörde kurzerhand ins Finanzministerium ein. Die Brandmauer ist weg.

    Oder das Beispiel Immobiliensteuer: Die Regierung Samaras hatte die Steuer auf Drängen der Troika eingeführt, um reiche Griechen zur Finanzierung des Staatshaushalts heranzuziehen. Sie war unpopulär, auch weil viele Immobilienwerte nach fünf Jahren Krise nur noch fiktiv waren. Im Wahlkampf versprach Syriza eine Lockerung, ohne freilich für Ersatz zu sorgen. Als Ergebnis brach schon vor der Wahl das Aufkommen aus der Steuer zusammen – die Griechen nahmen den Wahlsieg von Syriza schon voraus. Dadurch verwandelte sich vermutlich der Primärüberschuss wieder in ein Defizit. Genaue Zahlen sind derzeit nicht zu bekommen.

    Ein weiteres Beispiel ist der Streit um Steuerstundungen. Schon die Regierung Samaras hatte sich geweigert, Steuerrückstände konsequent einzutreiben. Ein Gesetz erlaubt es, sehr zum Unwillen der Kreditgeber Griechenlands, Steuerschulden in 100 Monatsraten abzutragen. Syriza lockerte die Bedingungen für die Schuldner weiter. Nach Überzeugung der Troika wird dadurch die Steuermoral weiter untergraben. Derzeit gibt es bis zu 7000 Griechen mit Steuerschulden von mehr als einer Million Euro. Das können kaum arme Leute sein.

    Schließlich das Gesetz gegen Zwangsversteigerungen. Angeblich um arme Leute davor zu schützen, aus ihrem Haus geworfen zu werden, ist es Banken verboten, bei säumigen Schuldnern das Immobilienvermögen zu sichern. Die Regierung von Alexis Tsipras hat nun nicht etwa den Schutz auf die Bedürftigsten beschränkt, sondern im Gegenteil, Immobilienvermögen von bis zu 500000 Euro mit einbezogen. Aus Sicht der Banken bedeutet das: Sicherheiten für Kredite sind heutzutage nichts mehr wert, selbst gegen Betrügereien sind sie nicht geschützt. Also machen sie das Nächstliegende und vergeben keine Kredite mehr, was den Bau neuer Häuser und die Erholung der griechischen Bauindustrie verhindert.

    Sagt ein Banker: „Ich kenne wenig Regierungen, die dem eigenen Land in so kurzer Zeit so sehr geschadet haben, wie Syriza dies getan hat.“

  18. „Die Sanierer in Brüssel, Frankfurt und New York hatten sich darauf eingestellt, dass Syriza nach einem Machtwechsel einige Sparmaßnahmen zurücknehmen würde, dass dies aber dadurch ausgeglichen würde, dass die Neuen konsequent gegen Korruption und Vetternwirtschaft vorgehen würden“
    Interessant. Wenn man genug spart, dann wiegt das also Korruption und Vetternwirtschaft auf.

  19. F.A.Z., Montag den 20.04.2015 Wirtschaft 16

    Wie groß ist die griechische Schattenwirtschaft?

    Frühere Studien haben das Ausmaß unterschätzt / Seit dem Euro-Beitritt hat sich das Problem sogar verschärft

    Ohne Rechnung am Fiskus vorbei, so gehen viele Geschäfte. Schwarzarbeit und Steuervermeidung sind besonders in Südeuropa weit verbreitet. Die Schattenwirtschaft dort ist deutlich größer als in Nordeuropa. Der Linzer Schwarzarbeitsforscher Friedrich Schneider geht für Deutschland von einer Schattenwirtschaft von derzeit 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, dagegen schätzt er 18 bis 22 Prozent Anteil in Griechenland, Italien, Portugal und Spanien. Doch im Fall Griechenland ist das wohl noch untertrieben. Andere Forscher haben die Schattenwirtschaft auf ein Viertel, manche auf ein Drittel des BIP geschätzt.

    Eine neue Studie von fünf Ökonomen kommt zu einem noch viel höheren Ergebnis. Nach ihrer Berechnung machte die griechische Schattenwirtschaft in den vergangenen Jahren sogar 60 Prozent des BIP aus („The hard shadow of the Greek economy: new estimates of the size of the underground economy and its fiscal impact“, in: Applied Economics, 2014). Die Forscher schätzen die Größe der Schattenwirtschaft indirekt aus dem Volumen des umlaufenden Bargeldes. Die Annahme dahinter ist, dass in der Schattenwirtschaft bar bezahlt wird. Je mehr Bargeld in der Volkswirtschaft umläuft, desto höher der Schattensektor. Ein Kritikpunkt an dieser Berechnungsmethode ist allerdings, dass sie andere Motive für eine höhere Geldhaltung nicht in Betracht zieht. Aber sie liefert immerhin eine Größenordnung.

    Für Griechenland haben die Ökonomen Wolfram Berger, Michael Pickhardt, Athanassios Pitsoulis, Aloys Prinz und Jordi Sardà erstmals eine bis 1960 zurückreichende Zeitreihe des Bargeldumlaufs verwendet. Die Tatsache, dass überall auf der Welt der Bargeldumlauf zurückgeht, weil es mehr bargeldlose Zahlungen gibt, berücksichtigen sie mit einem Korrekturfaktor. Mit ihrer Schätzmethode kommen sie für Deutschland und Spanien auf ähnliche Schattenwirtschaftsgrößen wie Schneider – nur Griechenland sticht heraus.

    „Der Bargeldumlauf in Griechenland ist wirklich auffällig und übertrieben groß, das lässt auf einen sehr großen Schattenwirtschaftssektor schließen“, sagt Studien-Koautor Athanassios Pitsoulis, der an der Universität Hildesheim lehrt. Ihre Schätzung umfasst, anders als die von Schneider, nicht nur Schwarzarbeit in grundsätzlich legalen Bereichen, sondern auch illegale Geschäfte, etwa Drogenhandel. Selbst wenn man die kriminellen Aktivitäten abzieht, kommen sie für Griechenland auf eine extrem große Schattenwirtschaft. „Vieles geht an der Steuer vorbei, der Staat ist in Griechenland weit weg“, sagt Pitsoulis. Viele schwarze Umsätze gibt es vor allem in der Tourismusbranche. Restaurants und Hotels stellen oft keine korrekte Rechnung aus. „Und wenn man auf einer Quittung besteht, ist komischerweise oft leider gerade die Kasse kaputt“, sagt Pitsoulis.

    Auch in der Bauwirtschaft wird klassischerweise viel schwarz gearbeitet. Dort spielen auch die Hunderttausenden mehr oder weniger illegalen Einwanderer vom Balkan oder aus dem Nahen Osten eine Rolle. Ebenfalls weitverbreitet sind Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung bei Freiberuflern wie Ärzten oder Rechtsanwälten. In Krankenhäusern und Praxen geben Patienten ein „Fakelaki“ (kleiner Umschlag mit Geld) an den Arzt, was die sonst langen Wartezeiten etwa für Operationen verkürzt. Korruption und Schattenwirtschaft gehen hier Hand in Hand. Auch in vielen Ämtern sind Fakelaki gängiges Schmiermittel.

    Finanzminister Giannis Varoufakis beklagte jüngst, dass jeder dritte Unternehmer nicht-deklarierte Beschäftigte habe, für die er keine Steuern und Abgaben zahle. Dass nun die Bemühungen, Korruption und Schattenwirtschaft einzudämmen, sehr viel Erfolg haben werden, glaubt Pitsoulis nicht. „Bei einer renitenten Bevölkerung und bei Unternehmen, die an Schwarzarbeit gewöhnt sind, ist eine Verhaltensänderung nur sehr schwer zu erreichen.“ Schreibt der Staat elektronische Kassen in allen Restaurants und Geschäften vor, werden manche Transaktionen eben in einer parallelen Kasse verbucht. Und die Steuererhöhungen und die sehr hohe Arbeitslosigkeit treiben mehr Menschen in die Schattenwirtschaft. Es kommt zu einer Abwärtsspirale, weil dem Staat Einnahmen fehlen und er die restliche offizielle Wirtschaft noch mehr besteuern muss.

    Die Größe der Schattenwirtschaft hat auch zur Schuldenkrise der südeuropäischen Länder mit beigetragen, argumentieren die Ökonomen in ihrer Studie. Eine Regressionsanalyse mit einer Stichprobe von elf Ländern der Währungsunion zeigt, dass die Schattenwirtschaft einen signifikanten Einfluss auf die Staatsverschuldung hat, weil die Steuerbasis in der offiziellen Wirtschaft gering ist.

    Paradoxerweise haben sich diese Probleme verschärft, seitdem die Länder den Euro übernommen haben, argumentieren die Studienautoren. Vor der Währungsunion gab es in Griechenland, Italien oder Spanien eine „Inflationssteuer“ durch die Weichwährung. Jedes Jahr wurde die Drachme, die Lira oder die Pesete etwas weniger wert, weil die Notenbank neues Geld druckte, das der Staatsfinanzierung diente. „Die Inflation besteuerte die Bargeldbestände“, erklärt Pitsoulis. In gewisser Weise konnte der Staat so auf die Schattenwirtschaft zugreifen. Seit die Griechen ihre eigene Geldpolitik aufgegeben haben und im Euro sind, ist die Inflationssteuer als Finanzierungsquelle für den Staat weggefallen. Entsprechend stiegen auch die Staatsdefizite.

    Die Schätzung der Ökonomen zeigt, dass die Größe der griechischen Schattenwirtschaft im Zeitverlauf stark geschwankt hat. Während der Obristen-Diktatur (1967 bis 1974) und bis in die späten siebziger Jahre war die Schattenwirtschaft nach ihrer Berechnung noch viel größer, sie machte damals mehr Umsatz als die offizielle Wirtschaft. Danach sank ihr Anteil. Eine Rolle spielten dabei verbesserte staatliche Institutionen, seit sich die Demokratie stabilisierte und Griechenland 1981 der heutigen EU beitrat. Seit dem Euro-Beitritt habe sich der Schattensektor wieder erhöht. Derzeit, bei offiziell 26 Prozent Arbeitslosenquote, finden viele Griechen nur in der Schwarzarbeit ein letztes Einkommen, das ihr kärgliches Überleben ermöglicht. Doch gleichzeitig rückt damit die Staatspleite immer näher. Philip Plickert

  20. “die griechische Wirtschaft ist also 2014 nicht REAL geschrumpft (zum ersten Mal seit Jahren!), sondern gewachsen. Das ist durchaus positiv und dagegen anzustänkern zeigt nur – mit Verlaub – Ihre Ahnungslosigkeit.”
    An der Stelle kann man aufhören zu diskutieren. Wer ernsthaft in einer Marktwirtschaft das Schrumpen der Wirtschaftskraft und Deflation für positiv hält, dem ist nicht mehr mit Argumenten beizukommen.

    Zur Klarstellung: Ich fühle mit den Menschen, die in Griechenland unter den (leider) notwendigen Anpassungen leiden. Trotzdem, vieles ist selbst verschuldet (z.B. durch die falschen Kreuze auf Wahlzetteln).

    Nochmal: 2014 ist die griechische Wirtschaft (real) gewachsen, die Reformen zeigten Wirkung. Das Schrumpfen vorher war – gerade in einer Marktwirtschaft – nötig, um die Blase, die in Griechenland entstanden war, zum Platzen zu bringen (der Konsum war, im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung, explodiert).
    Ihr Mangel an Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, ihr Mut, sich trotzdem an Diskussionen darüber zu beteiligen, in allen Ehren, aber eine Deflation gab (und gibt) es in Griechenland nicht. Vergleichbar ist das alles eher mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990zigern. Auch Russland durchlebte eine Phase des wirtschaftlichen Niedergangs und hatte sich der Realität zu stellen. Nach fünf, sechs Jahren hatte sich die Wirtschaft angepasst und wuchs, bis weit in das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Jetzt geht es, aus anderen Gründen, die hier nicht diskutiert werden sollten, wieder abwärts. Die Griechen hätten entweder mehr Geduld haben, oder schlauer wählen sollen.

    Zum Nachlesen: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-ein-irrlicht-namens-varoufakis-1.2441771

  21. „2014 ist die griechische Wirtschaft (real) gewachsen“

    http://countryeconomy.com/gdp/greece

    Date GDP Mill. $
    2014 238,023$
    2013 242,306$

    Die Wirtchaft ist „(real)“ gewachsen.

    „Ihr Mangel an Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, ihr Mut, sich trotzdem an Diskussionen darüber zu beteiligen, in allen Ehren“

    Heiner Flassbeck hat spaßeshalber mal die griechischen Wachstumsprognosen der letzten Jahre aufgezeichnet und wie sie sich im Laufe des Jahres geändert haben:

    http://www.flassbeck-economics.de/wp-content/uploads/2015/02/Abb-1-IWF-Prognosen.jpg

    Das der Autor der SZ trotzdem seinen Artikel mit solchen Wachstumsprognosen anfängt zeugt nur von einem Apell an die Ahnungslosigkeit der Leser. Und wie man an ihrem Link sieht, mit Erfolg.

  22. @Iwet

    Es tut mir wirklich leid, aber Ahnung von Statistik haben Sie nicht. Der erste Ihrer Links zeigt, Griechenlands BSP ist in 2014 REAL gewachsen.

    „Heiner Flassbeck hat spaßeshalber mal die griechischen Wachstumsprognosen der letzten Jahre aufgezeichnet und wie sie sich im Laufe des Jahres geändert haben: (…)“

    Heiner Flassbeck ist nun auch die Quelle, der irgendwer vertrauen würde. Dass Prognosen unsicher sind, bestreite ich nicht. Das Wachstum in Griechenland in 2014 ist aber REALität.

    „Das der Autor der SZ trotzdem seinen Artikel mit solchen Wachstumsprognosen anfängt zeugt nur von einem Apell an die Ahnungslosigkeit der Leser. Und wie man an ihrem Link sieht, mit Erfolg.“

    Es geht nicht um Prognosen, sondern um Tatsachen!
    Sie wiederkäuen Wagenknechts Agenda, ad infinitum, besser werden Ihre Argumente dennoch nicht!

  23. Hebel für Griechenland

    Zu „Wie lange Griechenland noch Gnadenfrist hat“ (F.A.Z. vom 9. April): Solange nicht alle Kreditgeber gleich strenge Regeln wie der IWF anwenden, hat der Schuldner Griechenland eine dauerhafte Gnadenfrist. Die Gläubiger EZB und Euroländer haben bisher alles getan und werden es weiter tun, um Griechenland im Euro zu halten, weil es politisch so gewollt ist. Griechische Steuerzahler schulden ihrer Regierung rund 75 Milliarden Euro an Steuern. Dies sind rund 30 Prozent der gesamten Hilfskredite für Griechenland. Es ist eine Zumutung für die Steuerzahler der anderen Euroländer, die Zahlungsunwilligkeit der griechischen Steuerzahler und die Unwilligkeit sowie Unfähigkeit der griechischen Steuerbehörden mit Hilfskrediten zu unterstützen. Hier muss der Hebel angesetzt werden, indem die Kreditgeber Griechenland ein Ultimatum von sechs Monaten geben, um die Steuerrückstände einzutreiben. Am Ultimatumende werden die bisherigen Hilfskredite um 50 bis 75 Milliarden gekürzt. Wenn das griechische Volk und die griechische Regierung den Euro wirklich behalten wollen, werden sie das auch schaffen, wenn sie ihrer Steuerpflicht nachkommen. Damit wird auch signifikativ die Verschuldung des griechischen Staates verringert. Dies verlangt von Bürgern und Regierung eine gemeinsame, positive Kraftanstrengung, während bisher beide nur gemeinsame, negative Kraftanstrengungen der Vermeidung unternehmen.

    Wenn sie das gemeinsam schaffen, ist das ein großer Sprung vorwärts, für Griechenland. Wenn sie es nicht gemeinsam schaffen, sind wohl der Wunsch und Wille für den Verbleib im Euro nicht groß genug. Dann müssen sie das Projekt einer eigenen Währung wagen.

    Herbert Powelz, Dieburg

  24. Steuern eintreiben! Huch! Diese Liberalen, denen die Arbeit anderer Leute immer zu teuer ist.
    Irland: Wer dort seine Freunde besucht, weiß wie liberale Politik das Land verwüstet hat. War das nicht mal das steuerbefreite Vorzeigemodell?
    In Deutschland sollten die Steuern mal erhöht und die Vermögenssteuer wieder erhoben werden. Auch der auf Korruption basierende Rüstungshaushalt könnte mal zusammengestrichen werden.

  25. T., alber(t)n Sie doch gerne weiter herum.
    Dass wir in einem brutalen weltweiten Wettbewerb stehen, sollte doch Allgemeinwissen sein. Wenn Deutschland einige Schräubchen wieder anzieht, und eine Vermögenssteuer erhebt, oder andere Steuern erhöht (welche jetzt gerade die Mittelschicht und Kleinunternehmer zu stark belasten), wird das einen massiven Kapitalabfluss bewirken. Wem ist damit gedient? Das Geld, das im Augenblick hier nicht besteuert wird, ist auch in Zukunft z.B. auf den Cayman-Inseln und in anderen Steueroasen herzlich willkommen.
    Der Neid…?

  26. Ich zahle Einkommens- und Vermögenssteuer und finde, es könnte etwas mehr sein, als 3% auf steuerbares Vermögen nach Abzügen. Worauf soll ich also neidisch sein? Die öffentl. Schulen in meiner Gemeinde sind in erfreulichem Zustand, wie die Spitäler.
    Ich albere auch nicht herum, sondern werde als sparsamer Kleinunternehmer erst dann wieder in Deutschland arbeiten, wenn dort im brutalen Wettbewerb wieder normale, sozialversicherte Löhne bezahlt werden und Steuern auch eingetrieben werden, anstatt sie woanders mehr oder weniger ernsthaft zu suchen. Dann kann man die Steuern vielleicht auch auf schweizerisches Niveau kriegen und ein blühendes Gemeinwesen mit funktionierendem Binnenmarkt pflegen, was ja Ziel der Übung sein sollte.
    Mit Deutschland und Europa als grossem Niedriglohnsektor der deutschen Industrie geht das natürlich nicht, weshalb bei den Zürcher Verkehrsbetrieben etliche Deutsche ordentlich bezahlt und versteuert arbeiten und der Friseur Geld kostet und nicht nur 8, 50 Euro bekommt.

  27. „(…) werde als sparsamer Kleinunternehmer erst dann wieder in Deutschland arbeiten, wenn dort im brutalen Wettbewerb wieder normale, sozialversicherte Löhne bezahlt werden und Steuern auch eingetrieben werden, anstatt sie woanders mehr oder weniger ernsthaft zu suchen.“

    Wenn Sie nicht in Deutschland arbeiten, wie kommen Sie auf die Behauptung, hier würden keine „normalen, sozial versicherten“ Löhne bezahlt werden? (Nebenbei, sollten nicht auch eher die Menschen, als die Löhne sozial versichert werden?)
    Und Steuern werden hier so viel und so gut erhoben, dass der Staat, zum ersten Mal nach Jahrzehnten, Überschüsse in Haushalt und Sozialversicherungen erzielt.
    Ihre Katastrophenmeldungen sind also hinfällig.

    Und die Schweiz als Vorbild hinzustellen, wo deren Reichtum z.T. auf Schwarz- und Blutgeld anderer Staaten aufgebaut wurde? Dass ich nicht lache!

  28. Lassen wir das.
    Es ging um Vermögenssteuern, die die Gemeinden brauchen. Ausgerechnet in der Schweiz.
    Von der Schweiz als Vorbild spreche ich nicht, ich glaube, da wäre meine Kritik um einiges harscher als Ihre, weil ich mehr weiss. Ich weiss als deutscher Bürger auch, dass viele Deutsche irgendwie glauben, dass die Schweiz für ihren Völkermord und ihre Vernichtungslager verantwortlich sei und dass es in D-Land kein Blut- und Schwarzgeld gäbe. Deswegen finde ich, dass dieses ganze deutsche Blutgeld hier den Deutschen zurückgeschickt werden sollte, damit die BRD als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches endlich vollumfänglich Reparationszahlungen z. B. an die Griechen leistet und gestohlene Vermögen an die Familien von in die Schweiz geflüchteten jüdischer Deutscher zurück geben kann. Aber Projektionen sind die billigere und mehr Genuss versprechende Lösung. Naja.

    Ich habe 20 Jahre im Ruhrgeb. und in Berlin gearbeitet und gelebt. Wenn in NRW 12 Mio. Menschen gerade laut Armutsbericht der Wohlfahrtsverbände arm oder von Armut bedroht sind, dann werden keine normalen Löhne bezahlt.
    Griechenland hat übrigens 11 Mio. Einwohner.
    Wahrscheinlich gibt es aber gar keine Armut, die nicht selbstverschuldet wäre.

  29. „Es ging um Vermögenssteuern, die die Gemeinden brauchen.“

    Pech nur, dass die Vermögenssteuern in Deutschland den Ländern zustehen – den Gemeinden nützen sie Nullkommanix.

    „Wenn in NRW 12 Mio. Menschen gerade laut Armutsbericht der Wohlfahrtsverbände arm oder von Armut bedroht sind, dann werden keine normalen Löhne bezahlt.
    Griechenland hat übrigens 11 Mio. Einwohner.
    Wahrscheinlich gibt es aber gar keine Armut, die nicht selbstverschuldet wäre.“

    Auch diese Zahlen sagen gar nichts. Die Wohlfahrtsverbände haben ein natürliches Interesse, die Zahlen der Bedürftigen möglichst hoch anzusetzen, sonst gehen ihre Alimentierungen runter. Griechenland hat übrigens immer noch ein höheres BSP/Kopf als manche anderen Euro-Länder.

    „Ich weiss als deutscher Bürger auch, dass viele Deutsche irgendwie glauben, dass die Schweiz für ihren Völkermord und ihre Vernichtungslager verantwortlich sei und dass es in D-Land kein Blut- und Schwarzgeld gäbe. Deswegen finde ich, dass dieses ganze deutsche Blutgeld hier den Deutschen zurückgeschickt werden sollte, damit die BRD als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches endlich vollumfänglich Reparationszahlungen z. B. an die Griechen leistet und gestohlene Vermögen an die Familien von in die Schweiz geflüchteten jüdischer Deutscher zurück geben kann.“

    Knapp unter der Gürtellinie und trotzdem weit vorbei.

    Wir sind hier aber nun wirklich ziemlich vom Thema abgekommen.

  30. Na, schaun wir mal, wieviel Geld die Lernkurve der Griechen noch verbrennt – so sieht es ein biodeutscher Grieche aus der SPD:

    Überall Feinde
    Die griechische Regierungspartei Syriza muss erst noch in der Realität ankommen. Europa sollte ihr dabei helfen. Von Christos Katsioulis

    Die Verhandlungen zwischen der Syriza-Regierung in Athen und den europäischen Partnern neigen sich dem Ende zu. In wenigen Wochen wird Griechenland das Geld ausgehen. Athen braucht eine Einigung, um kurzfristig liquide zu bleiben. Sonst kann Ministerpräsident Alexis Tsipras den Verpflichtungen gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und den eigenen Rentnern und Beamten nicht mehr nachkommen. Wenn Griechenland zahlungsunfähig wird, sind die Folgen kaum abzusehen, die Zugehörigkeit zur Euro-Zone steht dann zur Disposition. Im Schatten dieser Verhandlungen findet noch ein Drama ganz anderer Art statt – die Ankunft der Linkspartei Syriza in der Regierungsrealität.

    In den letzten Tagen zeichnet sich ab, dass für Tsipras die eigenen Leute möglicherweise eine noch schwierigere Hürde darstellen als die europäischen Partner. Der Regierungschef selbst zeigt eine steile Lernkurve vom wilden Oppositionspolitiker zum Staatsmann und hat sich in kurzer Zeit und unter schwierigsten Bedingungen in Europa eingearbeitet. Dabei hat er eine persönliche Gesprächsebene mit Angela Merkel, François Hollande, Jean-Claude Juncker und vielen anderen in Europa gefunden, um die technischen Verhandlungen politisch zu begleiten. Mit feinem Gespür für die Stimmungslage der Partner und des eigenen Verhandlungsteams erkennt er, dass Finanzminister Yanis Varoufakis einer Einigung eher im Weg steht. Daher nahm er ihn gesichtswahrend aus der Schusslinie, ohne ihn gleich zu demontieren. Je näher jedoch die Einigung mit den Partnern rückt, desto drängender wird die Frage, ob seine Partei schmerzhaften Kompromissen überhaupt zustimmen wird. Eine Einigung wird nicht möglich sein, ohne dass Tsipras zumindest einige der sogenannten roten Linien der Partei übertritt.

    Syriza ist es nicht gewohnt zu regieren, und hat noch keine Balance zwischen der Diskussionskultur linker Kleinparteien und der notwendigen Kompromissbereitschaft gefunden. Viele Mitglieder des Zentralkomitees von Syriza, aber auch einige Minister, haben sich noch nicht von der Vorstellung gelöst, dass mit ihrem Wahlsieg eine neue Epoche in Europa eingekehrt ist und sie ein „linkes Zeitalter“ einleiten werden. Für sie ist die vollständige Umsetzung des Wahlprogramms ein Imperativ, die Verhandlungen mit Europa und dem IWF sind ein Krieg, den es zu gewinnen gilt. Die ersten Gesetze der Regierung sind daher immer auch auf das Bauchgefühl der Partei ausgerichtet.

    So sollen die Universitätsreformen der vergangenen Jahre zurückgedreht und die Macht der Studierenden-Organisationen gestärkt werden. Damit werden linke Gruppen an den Unis bedient, auf die sich die Partei stützt. Ein maßgeschneiderter Gesetzesentwurf soll einen Terroristen und mehrfachen Mörder aus dem Gefängnis in den Hausarrest entlassen, was für Unstimmigkeiten mit den USA sorgt, parteiintern aber auf Zustimmung stößt. Bei der Wiedereröffnung des staatlichen Rundfunks ERT feiert der alte griechische Klientelismus fröhliche Urständ, alle relevanten Entscheidungen werden von Staatsminister Nikos Pappas getroffen. Statt die Chance zu nutzen, einen modernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufzubauen, verfällt die Regierung in Muster der Vorgänger. Die Posten von Krankenhausdirektoren werden neu besetzt, weil es sich hierbei angeblich um politische Ämter handelt.

    Die Partei bleibt gefangen in einer Underdog-Logik, die überall nur Feinde sieht. Wie im Kalten Krieg lauern im Ausland Amerikaner, Deutsche oder auch Israelis, die nur darauf warten, dass Griechenland sich unterwirft und kapituliert – so der starke Mann der linken Plattform Panagiotis Lafazanis in einem kürzlich erschienenen Artikel. Aber auch im Inland sieht man allenthalben die alten Eliten – die „Oligarchen“ –, die sich der neuen Regierung entgegenstemmen. Dies kulminiert in der Aussage, dass Syriza zwar regiert, die alten Eliten aber noch die Macht haben. Die Mischung aus Opferhaltung und Trotz führt dazu, dass man überall Fallen sieht – in den Verhandlungen mit den Institutionen sowieso; nicht umsonst nennt Lafazanis diese gerne die „sogenannten“ Partner.

    Damit dieser Teil von Syriza, der hauptsächlich der alten Kommunistischen Partei Griechenlands entstammt, weiter bei der Stange bleibt, inszeniert die Regierung ihre eigene Version von „Good bye Lenin“. Die Sprache der Reden ist den alten marxistischen Schriften entlehnt, Gegner sind der amerikanische Imperialismus und die deutschen Kolonialisten. Die Privatwirtschaft erscheint suspekt, der öffentliche Dienst soll die Arbeitslosigkeit lösen, und wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Als Instrumente dienen das Liebäugeln mit Russland oder die Kriegsreparationen. Eine Aussage der ehemaligen Vertriebenen-Chefin Erika Steinbach gilt dabei mehr als der Diskurs, den Bundespräsident Joachim Gauck angestoßen hat.

    Das Drama dieser Inszenierung ist, dass die Bürgerinnen und Bürger leiden, die diese Regierung mit einem großen Vertrauensvorschuss ausgestattet haben. Sie erleben, wie die Privatwirtschaft stagniert, das Land wieder in die Rezession rutschen könnte und die Zugehörigkeit zum Euro infrage steht. Die Verhandlungen mit den Partnern leiden ebenso, weil Syriza mit dieser Freund/Feind-Logik den ohnehin vorhandenen Berg des Misstrauens weiter erhöht. Die Chancen für eine gesichtswahrende Einigung schwinden von Tag zu Tag.

    Unter einem Staatsbankrott würden genau jene leiden , die seit fünf Jahren für die Krise bezahlen und auf mehr soziale Gerechtigkeit gehofft hatten. Die Vermögenden haben ihre Schäfchen längst ins Trockene gebracht und würden von einem „Grexit“ profitieren.

    Was bleibt an Hoffnung? Alexis Tsipras hat schon einige Schritte in die richtige Richtung getan: Er passte sein Verhandlungsteam an, er bereitet Partei und Bürger auf einen „ehrenhaften Kompromiss“ vor und ist bereit, rote Linien infrage zu stellen. Viele Mitglieder der Regierung arbeiten daran, Arbeitsplätze zu schaffen oder auch das Leben der Migranten in Griechenland menschlicher zu machen. Nun sollten auch die Partner in Europa einen überraschenden Schritt wagen und der Regierung einen Vertrauensvorschuss gewähren, indem sie ihr zumindest bis Juni Luft geben. Nur dann besteht eine Chance, dass die Regierung endlich das tut, was Tsipras am Wahlabend versprochen hat: ein griechisches Reformprogramm zu entwerfen und zu implementieren. Die Gefahr des Scheiterns ist damit nicht gebannt, aber eine weitere Verlängerung des derzeitigen Theaters ist weder für Europa noch für Griechenland erträglich.

  31. Hier mal wieder ein kluger Vorschlag zu einer geregelten Staateninsolvenz. Problem: es gibt ein Land in der Welt, mit dem er nicht durchführbar ist, das ist Griechenland. Denn nie würde es sich an die dort getroffenen Abmachungen halten, so wie es seit EU-Eintritt 1984 jede einzelen Absprache gebrochen hat – und dann, nach einem halben Jahr des Nichteinhaltens, würde es wieder „Diktat“ brüllen und die Schuld auf „technische Institutionen“ oder Deutschland oder … schieben.

    Trotzdem interessant, der Vorschlag, weil er in der Gegenprobe den Wahnsinn zeigt, der grade läuft.

    Einsperren bis zur Einigung
    Die Europäer tun seit Jahren fast alles, um einen Bankrott von Griechenland zu vermeiden. Doch ist das der richtige Weg? Nein, meinen Experten – und plädieren für ein internationales Abkommen, das Staatskonkurse regelt

    Von Alexander Hagelüken

    Wie lange noch? Wann ist Griechenland bankrott? Schon bald, warnte am Montag die Bundesbank in ihrem neuen Monatsbericht. Lenke Athen im Schuldenstreit nicht ein, drohe die Staatspleite. Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras müsse deshalb dringend handeln, sie habe die „Verantwortung, angemessene Vorschläge zu unterbreiten, getroffene Vereinbarungen umzusetzen und so das ihre beizutragen, eine Insolvenz des Staates mit starken Verwerfungen in Griechenland zu vermeiden“, warnten die deutschen Notenbanker.

    Und falls Athen sich weiter verweigert nicht? Was passiert dann? Steht dann am Ende ein Ergebnis, das eigentlich niemand will: eine Art „Unfall“, der zur Folge hat, dass Griechenland holterdipolter die Währungsunion verlässt und das Land ins Chaos stürzt? Gibt es keine bessere Lösung?

    Wer Christoph Paulus fragt, hört sofort: Ja! Seit der Berliner Juraprofessor vor 15 Jahren vom Weltwährungsfonds IWF geladen wurde, plädiert er dafür, überschuldeten Staaten durch eine geordnete Insolvenz zu helfen, wie es sie bei privaten Schuldnern gibt. Auch die UN-Vollversammlung machte sich bereits im vorigen Jahr dafür stark, Ökonomen wie Clemens Fuest vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW treiben die Debatte mit immer präziseren Modellen voran.

    Paulus hat gerade Urlaub, er sitzt am Chiemsee auf einem Steg – und vergisst die Landschaft, als er atemlos sein Konzept ausbreitet: „Im Kern geht es um eine Lösung, mit der Schuldner auf die Beine kommen und Gläubiger leben können. Man muss sie einsperren, bis es eine Einigung gibt.“ Wie hätte das bei Griechenland funktioniert, das schon 2010/2011 überschuldet war? Grundlage wäre ein Vertrag, mit dem die beteiligten Länder vorab vereinbaren, dass so etwas wie eine staatliche Insolvenz überhaupt möglich ist. Dann könnte eine Regierung im Falle der Überschuldung beantragen, zum Beispiel 70 Prozent der Schulden erlassen zu bekommen – unter der Bedingung, dass sie Reformen zusagt. Paulus will ein politische Dauergerangel wie im Fall von Griechenland vermeiden, bei dem der Schuldner wenig leistet und die Gläubiger sich an ihren Forderungen festklammern.

    Statt des jahrelangen Hickhacks soll ein Schiedsgericht aus 20 weisen Managern, Politikern und Ex-Politikern beurteilen, wie viel ein Schuldner leisten kann. Nachdem sich Kreditgeber und Schuldner innerhalb einer bestimmten Frist auf die Höhe des Erlasses geeinigt haben, sollen die Schiedsrichter diese Vereinbarung überwachen: Setzt der Schuldner keine Reformen um, steht er auf einen Schlag wieder mit allen Verbindlichkeiten da. Das wäre eine mächtige Drohung für Reformverzögerer in Griechenland und anderswo.

    Der Vorteil wäre ein geordnetes Verfahren – und eine verbindliche Lösung innerhalb einer bestimmten Zeit. Hätte man dieses Verfahren im Fall von Griechenland vor vier Jahren angewandt, könnte das Land längst auf eine bessere Zukunft hinarbeiten. „Bisher treibt die Krise die Politiker doch wie Hühner vor sich her“, beklagt Paulus. Natürlich weiß er, dass sich sein Modell nur schwer umsetzen lässt. Schuldner wie Griechenland und Gläubiger wie die Euro-Staaten möchten bisher keinesfalls einen Teil der Kontrolle aufgeben, lieber feilschen sie endlos. Die Euro-Regierungen halten so die Illusion aufrecht, eine Staatspleite sei die absolute Ausnahme. Dabei gab es in den vergangenen zwei Jahrhunderten etwa 230 Länder-Bankrotte. Auch Deutschland profitierte davon; der Erlass von Verbindlichkeiten beim Londoner Abkommen 1953 war eine der Voraussetzungen für das Wirtschaftswunder.

    Im Grunde wird bei Griechenland längst eine Insolvenz praktiziert, aber auf denkbar schlechte Art, kritisiert Clemens Fuest, Präsident des Mannheimer ZEW-Instituts: Niedrigste Zinsen und die Verschiebung von Zinsen und Rückzahlungen nach hinten seien ein versteckter Schuldenerlass. „In der Euro-Zone haften gerade die Steuerzahler anderer Staaten für die Probleme Griechenlands, ohne die Wirtschaftspolitik mit zu kontrollieren“, sagt Fuest. „Das ist, als ob man einem Freund die Kreditkarte gibt und ihn bittet: Aber gib nicht so viel aus.“

    Der Ökonom fordert ein anderes Modell als Paulus: Hoch verschuldete Euro-Staaten erhalten maximal drei Jahre Hilfen aus dem Rettungsfonds. Wenn sie danach nicht in der Lage sind, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren, kommt es zum Insolvenzverfahren. „Die Botschaft an Griechenland wäre: Ihr kriegt einen Schuldenschnitt, danach müsst ihr ohne Hilfe selber klarkommen.“ Fuest schlägt vor, die Euro-Länder sollten so rasch wie möglich per Vertrag die Möglichkeit einer Insolvenz festschreiben – das Inkrafttreten aber verschieben, so dass das Projekt im Krisenstrudel eine echte politische Chance hat.

    Der ZEW-Präsident will nicht nur Überschuldungen besser managen, sondern auch verhindern, dass es überhaupt dazu kommt. „Wenn es ein Insolvenzverfahren gibt, werden private Gläubiger einem Land wie Griechenland nicht so leicht Geld geben wie in der Vergangenheit.“ Anders als im nie so vorgesehenen, aber real existierenden Haftungsverbund Euro würde Gläubigern durch das Verfahren klargemacht: Das Geld kann weg sein. „Wir sollten zu einer Währungsunion kommen, in der klar ist: Staatsanleihen sind unsicher“, so Fuest. „Weil die EZB gesagt hat, wir retten alle Länder, kann sich Italien zu niedrigeren Zinsen verschulden als die USA.“

    Ein Insolvenzverfahren könnte also helfen, Schuldenkrisen zu vermeiden – und sie besser zu lösen, wenn es dazu kommt. Noch fehlt es hierfür an der politischen Bereitschaft. Fuest will daher mit kleinen Schritten beginnen: Wenn eine Euro-Regierung mehr als die vorgeschriebenen drei Prozent der Wirtschaftsleistung Defizit machen will, soll sie Anleihen ausgeben, die im Krisenfall nur nachrangig zurückgezahlt werden. Entsprechend mehr Zinsen müsste sie zahlen, und entsprechend könnte der Appetit auf neue Schulden sinken.

  32. Griechen und ihre Freunde reden gern von der humanitären Katastrophe durch die Sparauflagen. Warum werden dann Steuerschulden der Superreichen gestundet, während man gleichzeitig die Schuld bei anderen – Schäuble und Lagarde, die jetzt sogar vor einen Untersuchungsausschuss geladen werden sollen – sucht?

    Aus der FAZ vom 21. 5.:

    Mit zunehmendem Unmut wird in Berlin registriert, dass Athen anders als angekündigt Steuerhinterziehung weiterhin nur halbherzig verfolgt. Nach Angaben des SPD-Politikers Joachim Poß sind fünf Jahre nach Auftauchen einer Liste mit 2062 verdächtigen Fällen erst 49 überprüft worden. Dies habe ihm Finanzminister Giannis Varoufakis in einem Brief mitgeteilt. Dabei habe man eine Steuerschuld von rund 31 Millionen Euro festgestellt. Poß nannte das Varoufakis-Schreiben „ein Dokument des Scheiterns der griechischen Politik“. Die von der Syriza-Regierung vorgesehene Möglichkeit der Steuerstundung sei umso skandalöser, weil keine Obergrenze dafür vorgesehen sei. „Syriza verkommt zur Schutzmacht von Steuerkriminellen“, kritisierte Poß.

    Für weitere Irritationen sorgte in Berlin die Meldung, dass das griechische Parlament unter anderem Schäuble und die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, vor einen Untersuchungsausschuss laden wolle. Sie sollten dort Rede und Antwort stehen, wie es zu den harten Sparauflagen gekommen sei. Im Bundesfinanzministerium hieß es dazu offiziell nur, eine solche Vorladung liege noch nicht vor. Doch im politischen Berlin gibt es kein Verständnis dafür, dass die Helfer auf eine Art Anklagebank gesetzt werden sollen und gleichzeitig weitere Unterstützung von ihnen erwartet wird.

  33. http://www.nytimes.com/2015/06/09/opinion/roger-cohen-greece-the-greek-trap.html?smid=tw-share&_r=0

    Creditors could tell Syriza: You have a century to repay the debt, but now you’re on your own. Fix the country, whether inside the euro or out. Get foreign corporations to put their money in Greece. You want to try the Putin route, with Gazprom stepping in for the I.M.F., go for it! We’re off your back now — so find a way to make Greeks believe in Greece again without the ready excuse that Berlin, or the International Monetary Fund or the European Commission is to blame.

  34. http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-06/tsipras-merkel-euro-griechenland-grexit

    DIE ZEIT:

    Zumindest für das jüngste Kapitel in der langen Griechenland-Saga lässt sich die Schuldfrage vergleichsweise einfach beantworten. Als die linke Syriza Ende Januar an die Macht kam, gab es bei den Kreditgebern durchaus die Bereitschaft und die Einsicht, dass man dem griechischen Wählerwillen entgegenkommen musste. Sogar in Berlin traf man Regierungsvertreter, die die Hoffnung formulierten, Syriza könne mit dem alten, verderbten System in Griechenland aufräumen und einen Neuanfang verkörpern. Wie groß der Spielraum für ein Entgegenkommen tatsächlich war, diese Bereitschaft hätte eine kluge Regierung austesten müssen. Syriza hat das Gegenteil getan.
    Strategie oder Stümperei?

    Statt maßvoll mit dem Willen der eigenen Wähler zu argumentieren, haben Tsipras und seine Mitstreiter versucht, aus dem griechischen Wahlergebnis den Auftrag für eine grundsätzliche Korrektur der europäischen Politik abzuleiten. Statt die Erwartungen im eigenen Land zu moderieren, haben sie sie zusätzlich befeuert. Statt sich in der Eurogruppe Verbündete zu suchen, hat der griechische Finanzminister einen Kollegen nach dem anderen vor den Kopf gestoßen. Und was am schwersten wiegt: Statt zu Hause ernsthaft einen Neuanfang zu versuchen, setzt Syriza manche Unsitte des griechischen Klientelismus nun unter linken Vorzeichen fort.

    Ob Ungeschick oder Mutwille, Strategie oder Stümperei – die vorläufige Bilanz der Regierung Tsipras ist verheerend. Die griechischen Wirtschaftsdaten sind abermals eingebrochen; die Fronten in Brüssel sind so verhärtet wie kaum je zuvor; die Chance auf eine Korrektur der europäischen Politik ist vertan.

    Sucht man nach einer rationalen Erklärung für das Verhalten der griechischen Regierung, findet man zwei Motive: Zu Hause in Athen ist Tsipras zum Gefangenen seiner eigenen Versprechen geworden; die Idee, möglicherweise in einem Referendum über eine neue Vereinbarung mit den Gläubigern abstimmen zu lassen, kann man als Versuch deuten, aus dieser Gefangenschaft auszubrechen. Am Verhandlungstisch in Brüssel wiederum mag der griechische Ministerpräsident noch immer darauf spekulieren, dass er am längeren Hebel sitzt und die anderen, voran Merkel, schlussendlich doch nachgeben werden. Weil ihnen die politischen und wirtschaftlichen Folgen eines Grexit noch immer zu hoch erscheinen. Und weil die deutsche Kanzlerin zu viel Angst hat, am Ende als böse Buben in der EU da zustehen.

    Die Zeichen mehren sich, dass auch dieses griechische Kalkül nicht aufgehen könnte.

  35. http://www.cer.org.uk/insights/greece-after-deal-work-solution

    wird Griechenland irgendwann mal zu einer normalen rationalen Politik zurückfinden?

    – ohne Hysterie und Erpressung (humanitäre Katastrophe, Putin, Zusammenbruch des Euro)

    – ohne dumme Symbole (Putzfrauen, altneue Sender statt Steuerfahndern)

    – ohne Größenwahn (mit Wahlen Schulden abwählen und es Demokratie nennen)

    – sondern mit Arbeit an der Verbeserung des eigenen Landes statt Beschimpfung der anderen

    – und mit der ganz ungewohnten Tugend, irgendwann mal Abmachungen einzuhalten?

    So wie jetzt kann das Land sich jedenfalls nicht noch einmal fünf Jahre lang aufführen.

  36. http://foreignpolicy.com/2015/06/15/the-greek-bailouts-are-incredibly-stupid-eurozone/

    Finally, it’s foolish to believe that Greece will turn into a nation of chastened and loyal taxpayers in just a few short years. Tax avoidance and evasion have a variety of deep social roots; they can be affected by factors as diverse as religiosity, class divisions, individual psychology, and perceptions of fairness. Though some incentives can increase compliance with the tax system in the short term, the commitment to pay taxes has more to do with a feeling of stakeholdership and justice — something Greece, with its fractured politics and current disillusion, will need time to manifest.

  37. „It means they have saved their banks at the tax payers expense. Nothing else.“

    Ach so, hm, Sie hatten bestimmt noch nie was mit einer Bank zu tun, legen Ihr Geld schon immer unter die Matraze, und Kredit lassen Sie im Café an der Ecke anschreiben. Und davon, dass Griechenland bis 2010 systematischen Kreditbetrug betrieben hat, überwiegend auf Kosten von Geschäftsbanken, Sparkassen und Lebensversicherungen meist kleiner Leute (die kaufen nämlich in normalen Zeiten Staatsanleihen), haben Sie bestimmt auch noch nichts gehört. Und dass es vor allem im Interesse dieser gutgläubigen Kleinkundschaft war, den griechischen Staatskonsum der Jahre vor 2010 rückwirkend vom europäischen Steuerzahler bezahlen/garantieren zu lassen, das verstehen Sie bestimmt auch nicht.

    Sonst könnten Sie diese blöde Phrase nicht zum soundsovielten Mal wiederholen.

    Nein, nein – als unschuldiger naiver Nichtbankenkunde und geldloser Gutmensch haben Sie rein gar nichts mit diesem Schlamassel zu tun und können selig beruhigt glauben, „die Banken“ seien irgendwo da draußen und Sie, wir alle, ganz normale Deutsche, Italiener, Franzosen und auch die Griechen, hätten damit ebenso rein gar nichts zu tun.

    Schönen ruhigen Gewissensschlaf!

    καλησπέρα Ihr Pavlos.

    PS Wenn Sie die genauen Zahlen haben wollen (welche Banken mit welcher Kundschaft „gerettet“ wurden), fragen Sie die Behörde von Herrn Regling.

  38. Die Heilung kann nur von innen kommen. Deswegen brauchen die Griechen öffentliches Steuerregister, wie in Nordeuropa. Nachbarschaft kontrolliert am besten, auch wenn die Behörden versagen.

  39. Die Europäische Union hat den Griechen alle erdenkliche Hilfe angedeihen lassen. Sie ist an die Forderung sogenannter „Strukturreformen“ gebunden. Diese bedeuten nichts anderes, als in Griechenland rechtsstaatliche Grundlagen für gutes Regieren durchzusetzen, damit die finanzielle Hilfe nicht verschleudert wird, sondern nachhaltig wirken kann. Dass in Griechenland solche Standards fehlen, ist nicht eine moralische Schuld der Griechen oder die Summe individueller Fehlentscheidungen, sondern ein Ergebnis von Jahrhunderten ihrer Geschichte. Sie werden nicht als Schuldige oder Europäer zweiter Klasse behandelt, aber auch nicht so, als seien sie etwas Besseres.

    Die aktuellen Aufregungen täuschen: Das Zusammenwirken und der Zusammenhalt der europäischen Staaten in dieser Frage ist bisher beispiellos. Man kann und soll und will aber die Griechen, die sich immer weiter isoliert haben, nicht zu ihrem Glück zwingen. Dort sind, nachdem die Eliten abgewirtschaftet haben, die Extremisten von links und rechts an der Macht. Auch das kennen wir Deutsche aus eigener Geschichte – und können nur hoffen, dass die Griechen den Weg in den Wahnsinn nicht weitergehen wie einst unsere Vorväter. Wir werden so oder so helfen müssen. Weil wir Europäer unauflöslich miteinander verbunden sind. Die Folgen unseres Handelns tragen wir gemeinsam.

    Volker Zastrow FAS

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