Wenn Diekmann sich korrigiert

In der vergangenen Woche titelte die Bild „Griechen doppelt so reich wie wir“. Das war natürlich wissentlich falsch berichtet, also gelogen. Es war dann auch noch rein handwerklich-journalistisch unterhalb jedes professionellen Niveaus, weil nicht einmal ein Experte zu Wort kam, um die (fälschlich als „amtlich“ deklarierten Zahlen) einzuordnen – das ging ja auch nicht, weil sie falsch waren. Allerdings hat die Bild ein  eingespieltes Verfahren, ihre Lügengeschichten nachträglich gefühlt zu rechtfertigen: Sie konfrontiert einen Angegriffenen damit und wertet die Tatsache, dass er mit der Bild überhaupt noch redet, als Beweis dafür, dass es so falsch nicht gewesen sein kann. Gemeinsam mit seinem Griechenland-Hetzbeauftragten Paul Ronzheimer (das ist der, der sich nicht traut, seine Berichterstattung mit mir zu diskutieren) flog Kai Diekmann also letzte Woche nach Athen, interviewte den griechischen Ministerpräsidenten und brachte dabei etwas unter, das auf den ersten Blick wie eine Frage zur Bild-Schlagzeile aussieht (Kai Diekmann nennt es dann auch auf Twitter so).

Tatsächlich lautet die Frage:

BILD: Laut einer Statistik der Bundesbank sind Griechen im Durchschnitt reicher als Deutsche. Was ist Ihre Meinung dazu?

Selbst Samaras kann die Implikation der Frage in Sekunden zerfetzen. Aber das ist nicht das eigentlich lustige. Viel spannender ist es, sich die Frage genau anzugucken:

„Laut einer Statistik der Bundesbank“ – es geht natürlich erstens um die Europäische Zentralbank, nicht die Bundesbank (die natürlich sowieso keine Daten über griechische Vermögen hat), zweitens behaupten die Zahlen nicht, dass „Griechen“ im Schnitt reicher sind, sondern griechische Privathaushalte (im Pro-Kopf-Vergleich ist das anders, und es macht einen Unterschied, weil in vielen Ländern vor allem Südeuropas mehr Menschen in einem Haushalt leben als in Deutschland), und drittens hätte man außerdem auch ruhig noch dazu anmerken können, dass nach denselben Zahlen auch Spanier, Italiener und Zyprer durchschnittlich teilweise um ein Vielfaches „reicher“ wären als Deutsche (was den Unsinn noch deutlicher gemacht hätte). Noch einmal spannender wäre die Frage: Die Bild stellt diese Zahlen als angeblich „amtliche“ im Februar 2014 auf den Titel, obwohl sie von 2009 stammen und im April 2013 veröffentlicht, diskutiert und als nicht aussagekräftig bewertet wurden – was ist ihre Meinung dazu? Und das ist dann überhaupt ein Knüller: „Was ist Ihre Meinung dazu“ ergibt keine Sinn, wenn man nach den tatsächlichen Zahlen fragt, wie es Ronzheimer und Diekmann verdruckst tun. Die wahren Zahlen sind keine Meinung, sondern Fakten, so wie „Amtlich: Griechen doppelt so reich wie wir“ keine Meinung ist, sondern eine falsche Tatsachenbehauptung. Eine Meinung dazu wäre: Wenn Sie so etwas veröffentlichen, dann sind Sie schon ein bisschen eklig!

Schiss-Reporter Ronzheimer und sein „Bart statt Rückgrat“-Chefredaktuer* Diekmann bringen es nicht über sich, ihre Fehler zuzugeben. Bizarrerweise passt das nicht einmal zu Diekmann, man würde fast erwarten, dass er in dieser Situation den offensichtlichen Fehler zugibt und so auf die ihm eigene, hipsterironische Art Glaubwürdigkeitspunkte sammelt. Aber man kann das eben nur fast erwarten, weil auch die Ironie nur eine Pose ist. Die Fehler sind so groß, zahlreich und offensichtlich, dass man den Vorsatz zur Lüge nicht wegdiskutieren kann. Kein Journalist der Welt konnte diese Zahlen aus Versehen so falsch verstehen.

Offenbar läuft in der Bild gerade eine Serie von Deutschen, die ihre Sünden gestehen. Wenn Bart Simpel auch nur halb so cool wäre, wie er tut, dann wäre es an der Zeit für ihn, da mitzutun.

 

*Chefredak-Tuer ist mein Lieblingstippfehler des Tages.

6 Antworten auf „Wenn Diekmann sich korrigiert“

  1. Notiz zum pro-Kopf-Einkommen:
    Es macht mehr Sinn, ganze Haushalte mit ihrem Gesamteinkommen zu betrachten, als das Einkommen von einzelnen Leuten. Zwei Menschen mit gleichem Einkommen haben, da sie zusammen wohnen („zusammenarbeiten“) weniger Ausgaben und damit mehr „übrig“, als wenn sie in einem jeweils eigenem Haushalt leben würden.
    Ein Kühlschrank für mehrere Personen statt mehrere Kühlschränke in mehreren Haushalten, eine Miete statt mehrere Mieten, und so weiter.

    Quote DeStasis:
    „Die Äquivalenz­größe wird gemäß einer EU-weit gültigen Definition nach der modifizierten OECD-Skala berechnet, wobei der ersten erwachsenen Person im Haushalt das Gewicht 1,0 zugeteilt wird, jeder weiteren erwachsenen Person sowie Kindern ab 14 Jahren jeweils das Gewicht 0,5 und Kindern unter 14 Jahren das Gewicht 0,3.
    Bei einem Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren ergibt sich eine Äquivalenz­größe von 2,1 (= 1,0 + 0,5 + 0,3 + 0,3). Beträgt das Haushalts­netto­einkommen beispiels­weise 2 100 Euro monatlich, dann beläuft sich das Netto­äquivalenz­einkommen für jede einzelne Person in diesem Haushalt auf 1 000 Euro (= 2 100 Euro dividiert durch 2,1) pro Monat.“

    https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/Begriffserlaeuterungen/Nettoaequivalenzeinkommen_EVS.html

    Das ist etwas, was auch im Alltag ganz gut zu wissen ist. Außerdem zeigt es, zumindest für mich, dass die Statistiker sich schon sinnvolle Gedanken machen.. die dann von „““Journalisten“““ aus der Schleimpresse natürlich entwertet werden.

  2. @Peter9000:
    Sie verwechseln Einkommen und Vermögen.

    In der diskutierten Studie wurde letzteres behandelt. Wie setzt sich Vermögen zusammen? In südeuropäischen Staaten ist hier ein wesentlicher Faktor der Immobilienbesitz, ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo eher gemietet als gekauft wird. Dann stammen in der Studie verwendeten Zahlen von 2009. Die Immobilienpreise in Griechenland sind allerdings allein von 2011 auf 2012 um bis zu 50% eingebrochen – und somit auch das Vermögen der Haushalte um einen erheblichen Teil geschrumpft.

    Allgemein macht es natürlich Sinn, Haushalte nach Vermögen zu vergleichen. Bloss sollten Sie dann nicht unterschlagen, dass nach obiger Berechnung griechische Haushalte 2012 im Durchschnitt die Größe 2,6 hatten, während deutsche Haushalte lediglich auf 2,0 kamen, was ein erheblicher Unterschied ist. Wenn sie das nicht berücksichtigen, vergleichen sie Äpfel mit Birnen. Dass in einem Haushalt mit drei erwerbstätigen Personen meist mehr Besitz vorhanden ist, als in einem Haushalt mit nur zwei Personen, ist nicht gerade eine empirische Überraschung.

    Zusammenfassend kann man also sagen, dass der Vergleich der Haushaltsvermögen 1.) durch veraltete Zahlen, 2.) durch eine unterschiedliche Vermögensstruktur dank Immobilien und 3.) durch unterschiedliche Haushaltsgrößen bewusst stark zu Gunsten der Griechen verzerrt wird. Darüber hinaus scheint bei der Bild keiner den Unterschied zwischen Vermögen und Einkommen zu kennen.

    Die Schlussfolgerung „Griechen sind doppelt so reich wie Deutsche“ ist entweder journalistisches Versagen oder bewusste Irreführung.

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