Für diesen Text bin ich aus der SPD ausgetreten

In der dunkelsten Stunde der letzten Jahrzehnte in den Beziehungen zwischen den Ländern, die ich beide Heimat nenne, konnte man das wenige, was leuchtete, besonders gut erkennen. In einem Moment im Frühjahr 2010, in dem in Griechenland die Moral der Bevölkerung am Boden lag, in dem die vielen persönlichen Katastrophen des finanziellen Bankrotts sich mit der großen, nationalen Schande des Versagens der Organe der Gesellschaft mischte, in dem sich zu dem Schaden noch die Demütigung mischte, schickte der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert seinem griechischen Amtskollegen einen aufmunternden Brief, in dem er Respekt ausdrückte vor der gigantischen Anstrengung, die das Land unternahm. Respekt. Vor Menschen, die leiden. Die Schwierigkeiten zu überwinden haben. Norbert Lammert schrieb auch, dass wahrscheinlich mancher hämische Kommentar in deutschen Medien unterblieben wäre, wenn Deutschland ähnliche Herausforderungen zu meistern hätte wie das gigantische griechische Sparpaket mit seinen brachialen Einschnitten. Respekt.

Ich erinnere mich sehr gut an diesen Moment. In dem damals herrschenden Trommelfeuer der Demütigungen, die auf Griechen auch in Deutschland niederprasselten, war das ein kurzer Augenblick des Aufatmens. Wir Griechen hier haben uns selten beschwert, weil wir immer mit dem Bewusstsein beladen sind, dass es uns ja nicht wirklich schlecht geht. Schlecht geht es meiner Schwester in Athen, die mit so viel weniger auskommen muss. Meiner Tante, deren Töchter ausgewandert sind, weil es zuhause keine Arbeit gibt. Den Millionen, die nicht wissen, wie lange sie noch in ihrer Wohnung bleiben können, wo sie sonst hinsollen, was es morgen zu essen gibt. Wir Griechen in Deutschland stehen nicht wie zehntausende in Athen bei den Suppenküchen an, aber das heißt nicht, dass wir hier die Beleidigungen nicht gehört und gelesen haben, die Verzerrung der Wahrheit, die Lügen, den Hohn, den Hass. Jeder einzelne von uns mit einem griechischen Namen hat im besten Fall nur jeden Tag schlechte Witze gehört, immer und immer wieder, im schlechteren Fall auch Schlimmeres. Als leidlich öffentlicher Grieche war mein Mail-Eingangsfach da wahrscheinlich ziemlich repräsentativ. Ständiger, dauernder Hohn tut weh. Er schmerzt besonders, wenn er auf Lügen beruht, wie in diesem Fall. Auf der Kampagne der BILD-Zeitung zum Beispiel, deren Hetz-Kampagne man in dem Leitsatz zusammenfassen könnte, für die Rettung Griechenlands „sollte uns jeder Euro zu schade sein“. Wie gesagt, man könnte sie so zusammenfassen, wenn die BILD es nicht selbst schon getan hätte. Rolf Kleine hat das so in der BILD geschrieben, nur natürlich in Versalien. Für die Rettung „sollte uns JEDER EURO zu schade sein“.

Rolf Kleine ist der neue Sprecher des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück.

Lammerts Brief, jenes kurze Aufblitzen von Respekt gegenüber den von der BILD längst entmenschlichten „Pleite-Griechen“, für deren Rettung JEDER EURO zu schade sein sollte, kam von einem politisch ziemlich unabhängigen Geist. Denn es war einigermaßen klar, dass deutsche Mandatsträger, die nicht im Gleichschritt mit Springers Propaganda auf die Griechen eindroschen, mit schlechter Presse zu rechnen hatten. FDP-Hinterbänkler wie der im wahren Leben fast karikaturesk unwichtige Frank Schäffler wurden von BILD zu „Finanz-Experten“ aufgeblasen, wenn sie den Verkauf griechischen Territoriums forderten (arme Länder haben in der FDP-Logik offenbar kein Anrecht auf Staatsgebiete), und so hochgeschrieben, dass zum Beispiel Schäffler sich zwischenzeitlich selbst super genug vorkam, um seine ganze Partei per Mitgliederentscheid zum Massenselbstmord aufzufordern (oder so ähnlich, ich will mich da gar nicht genauer dran erinnern). Gleichzeitig waren selbst deutsche Botschafter vor dem Zorn der BILD nicht sicher und wurden niedergeschrieben, wenn sie nett zu Griechen waren.*
So traf es auch Lammert. Natürlich ist es selbst für die BILD-Zeitung schwierig, Menschen dafür zu kritisieren, dass sie andere Menschen wie solche behandeln, selbst wenn es nur Pleite-Griechen sind. Deshalb musste der mit dem Gegenangriff beauftragte Redakteur, der Leiter des Parlamentsbüros Rolf Kleine, zunächst einmal die Realität verändern und behaupten, Norbert Lammert habe sich bei den Pleite-Griechen für die Berichterstattung in deutschen Medien entschuldigt.

Ganz Europa sorgt sich über die desaströse Finanzlage Griechenlands und die Stabilität des Euro – und was macht unser Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU)?

Er entschuldigt sich in einem Brief an den griechischen Parlamentspräsidenten Philippos Petsalnikos für „manche hochmütige Aufforderung deutscher Politiker zur Kurskorrektur“ und „hämische“ Kommentare „in deutschen Medien“.

ABER WEN MEINT ER DA BLOSS?

Doch wohl nicht etwa die Forderung von Politikern in BILD-Interviews, dass Griechenland auch Staatseigentum privatisieren solle – zum Beispiel Inseln?

Und später im selben Text

Und zum Lob für die Griechen. Lammert schreibt („Sehr geehrter Herr Präsident“): „Mir imponiert der Ernst und der Mut, mit dem verantwortliche Politiker in Ihrem Land nun an jahrelang verschobene und verdrängte Probleme herangehen.“

Damit meint er wohl: Korruption, unglaublichen Schlendrian und die Verschwendung von Milliardenbeträgen…

Selbst die Anrede „Sehr geehrter Herr Präsident“ für einen griechischen Parlamentspräsidenten ist Kleine offensichtlich zuviel des Respekts für einen dieser … dieser … wie würde Kleine sie nennen? Was genau denkt man über die Menschen eines natürlich armen aber doch immerhin demokratischen europäischen Landes, wenn man der Meinung ist, der Parlamentspräsident verdiene eigentlich die Anrede „Sehr geehrter Herr Präsident“ nicht? Ich will mich nicht in einer Klammer in einem einzelnen Text verhaken, aber ehrlich: Was genau ist an dieser Haltung nicht schlicht und einfach Hetze?

Aber was genau erwarte ich von einem der Autoren des Instant-Klassikers des modernen Hetzjournalismus mit dem Titel „Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen… und die Akropolis gleich mit!“ Doch, auch dieser Text ist von Kleine als einem von drei unterzeichnenden Autoren. Er enthält auch die Sätze „Ihr kriegt Kohle. Wir kriegen Korfu.“

Dieser Rolf Kleine ist jetzt Sprecher von Peer Steinbrück.

Die Botschaft seines Briefs an Lammert damals jedenfalls war klar: Wer als Politiker in Deutschland damals auch nur so viel Respekt für einen Griechen zeigt, dass er ihn mit seinem korrekten Titel anspricht anstatt mit „Pleite-Grieche“, der wird von den Meinungs-Schlägern der BILD-Kommentarspalte niedergemacht und muss mit ihrer Feindschaft rechnen. Es reichte ihnen einfach nicht, einen Hetzmob gegen die Pleite-Griechen aufzuführen, sie mussten auch noch die Ersthelfer bedrohen, die wenigstens ein bisschen Linderung bringen wollten. Jeder Hauch, jeder Anschein von Respekt für diese … diese Art Wesen, die ein Pleite-Grieche noch ist, musste unterbunden werden. Und diesen Job übernahm hier Rolf Kleine.

Rolf Kleine ist der neue Sprecher des Kanzlerkandidaten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, und damit auch einer seiner wichtigsten Berater. Ganz offensichtlich hat die Panik Peer Steinbrück in dieser Phase des Wahlkampfes ergriffen, in dem es für ihn eher schlecht läuft, und er hat sich einen – wie sagt man? Haudegen? Mann fürs Grobe? Kommunikationsexperten? – jedenfalls Rolf Kleine ins Team geholt, obwohl das, wofür Kleine zum Beispiel in Fragen der Euro-Rettung steht, in Inhalt und Form nicht mit dem übereinstimmt, was Sozialdemokraten in diesem Land sonst so tun. Für Peer Steinbrück darf man ganz offensichtlich ein Schwein sein, so lange man sein Schwein ist. Ich finde diesen Zynismus unerträglich.

Jetzt kommt der Satz, für den ich aus der SPD ausgetreten bin:

Ich möchte nicht, dass Peer Steinbrück Bundeskanzler wird – weil ich ihn wegen der zynischen, „der Zweck heiligt die Mittel“-pragmatischen, die sozialdemokratischen Tugenden verachtenden Entscheidungen, die er hier unter Druck trifft, für ungeeignet halte, das Land zu führen.

Selbstverständlich würde ich von jedem Genossen, der so etwas denkt erwarten, dass er es zumindest bis nach der Wahl bitte höchstens im kleinen Kreis äußert. Öffentlich wäre so ein Satz, von einem Genossen ausgesprochen oder wie hier öffentlich geschrieben, aus meiner Sicht parteischädigend. Das gehört sich nicht. Es ist unsolidarisch. Ich würde einen solchen Genossen zur Ordnung rufen und ihn bitten, bis nach der Wahl einfach ein bisschen still zu sein. Alle anderen Genossen arbeiten so hart an dem Erfolg, dass es unfair ist, ihn durch solche Alleingänge zu beschädigen. Das finde ich tatsächlich. Und halte mich selbst nicht dran.

Denn in diesem ganz bestimmten Fall kann ich nicht schweigen. Ich kämpfe seit Jahren öffentlich gegen Typen wie Rolf Kleine. Ich kann nicht monatelang darüber schweigen, dass ein Mann, der dann auch mit meiner Unterstützung Kanzler der Bundesrepublik werden will, sich einen Mann ins Team holt, der genau das tut, was ich bekämpfe.

Deshalb bin ich aus der Partei ausgetreten, die ich nach wie vor für das Beste halte, was diesem Land politisch in den letzten 150 Jahren passiert ist. Die SPD ist Teil des demokratischen Rückenmarks dieses Landes, mit hunderttausenden großartigen Genossen, die für ein einziges Ziel in die Partei eingetreten sind, nämlich daran zu arbeiten, dass dieses wunderbare Land immer noch besser wird. Und in 150 Jahren stand diese Partei am Ende doch immer auf der richtigen Seite, auch das ist etwas, das man erstmal schaffen muss. Die Ziele der Sozialdemokratie sind gleichzeitig visionär und an den Realitäten orientiert, und deshalb in jeder Zeit wieder aufs Neue geeignet, die Veränderung hin zum Besseren zu unterstützen. Außerdem muss man sich ja irgendwo engagieren, nur meckern hilft ja nicht, und da kann man es wirklich schlechter treffen als bei der SPD (hatte ich Frank Schäffler erwähnt?). So viel dazu.

Das ist mein Dilemma. Ich kann nicht schweigen an diesem Punkt. Seit dem öffentlichen Ausbruch der griechischen Krise arbeite ich politisch engagiert und sehr öffentlich daran, die deutsch-griechischen Beziehungen zu erhalten, zu retten und neu aufzubauen, vor allem dadurch, dass ich die Lügen, die absichtlichen und unabsichtlichen Fehler und Fehlinformationen bekämpfe, mit denen im Großen wie im Kleinen das, womit ich mich als geborener Europäer verbunden fühle, zerstört wird. Rolf Kleine ist in dieser Auseinandersetzung genau die andere Seite. Ich werde keine Sekunde lang mit ihm gemeinsam Wahlkampf für einen Mann machen, der glaubt, dass es okay ist, Rolf Kleine zu einem wichtigen Mitglied im Team zu machen. Ich könnte das vor mir selbst nicht rechtfertigen. Aus einem einzigen Grund: Es wäre falsch.

Gleichzeitig möchte ich aber auch sagen, was dieser Text alles nicht ist: Er ist kein Hinweis auf eine Stimmungslage irgendwo innerhalb der Partei in Hinblick auf den Kandidaten Peer Steinbrück. Die einzige Stimmung, die er zeigt, ist meine.

Ich bin mir außerdem sicher, dass es viele geben wird, die mich erstens für naiv und zweitens für einen beleidigten Griechen halten werden. Das bleibt ihnen überlassen, aber meine Erfahrung sagt mir ganz persönlich, dass der weit, weit, weit überwiegende Teil von Politik in meiner ehemaligen Partei von Menschen mit klaren Werten und klaren Grenzen gemacht wird, die eben nicht alles mitmachen, nur um Macht zu erlangen oder zu erhalten. Und ja, es ist ein Zufall, dass es gerade mein politisches Thema der letzten Jahre ist, bei dem Kleine sich aus meiner Sicht zu einem in Inhalt und Form unsäglichen Hetzer aufgeschwungen hat, aber ich finde nichts falsches daran, dass ich als Deutsch-Grieche die deutschgriechischen Beziehungen zu meinem Thema gemacht habe. Ich finde es auch nicht zu viel verlangt, dass ein SPD-Kanzlerkandidat eben keinen Hetzer zum Sprecher macht. Man schränkt die Auswahl nicht unerträglich ein, wenn man verlangt, dass ein potenzieller Regierungssprecher wenigstens den Parlamentspräsidenten befreundeter Staaten nicht absprechen sollte, dass man sie mit „Sehr geehrter Herr“ anspricht (sofern sie Männer sind).

Es tut mir wahnsinnig weh, mein politisches Engagement in der SPD zu beenden. Ich habe viel Zeit und Kraft hinein investiert. Ich habe großartige Menschen aus allen Bereichen des Lebens kennengelernt, wo gibt es das denn sonst noch? Ich musste jetzt gleichzeitig als Distriktsvorsitzender des schönsten Hamburger Distriktes zurücktreten, Altona-Altstadt, einem Distrikt mit einer großen und stolzen sozialdemokratischen Tradition. Ich lasse also auch organisatorisch eine Lücke, die nun andere schließen müssen, die selbst schon genug zu tun hatten. Auch das schmerzt und tut mir leid. Aber ich habe Grenzen.

Lieber wäre mir gewesen, Peer Steinbrück hätte welche.

*Lustige Geschichte: In der Tiefgarage des Hauses, in dem der griechische Botschafter in Berlin lebt, fotografierte in der Zwischenzeit ein BILD-Mitarbeiter geparkte Luxusautos in der Hoffnung, eins davon gehöre dem Botschafter. Da könnte man doch noch eine Verschwendungsgeschichte draus machen! Leider gehörten die dann alle einem Händler, der auch im Gebäude wohnte.

160 Antworten auf „Für diesen Text bin ich aus der SPD ausgetreten“

  1. Du schreibst hier, was ich bei der SPD in den letzten Jahren häufiger beobachtet habe: Es wird nicht mehr das getan, was man für RICHTIG hält, sonder das, was man für POPULÄR hält.

    Ich glaube, die Genossen haben einfach zu viel Angst vor schlechter Presse.

    Und genau deswegen hat es Peer Steinbrück weder verdient, Bundeskanzler zu werden, noch ist er der richtige Kandidat.

  2. Respekt! Nicht für den Partei-Austritt; das kann ich nicht ermessen, das können nur Sie. Respekt für die klaren und einfachen Worte zu einem respektablen Standpunkt. Sie sprechen von Grenzen, die überschritten worden sind.
    Was Sie meinen, sind nicht nur Grenzen, es sind rote Linien, die massenhaft in der Griechenland-Causa in Medien wie in der Politik überschritten worden sind. Und was die SPD angeht: Es ist die überhitzte Entscheidung eines sich in die Ecke gedrängt wähnenden waidwunden Kandidaten. Er holt das Kantholz raus, das zu ihm passt. Hier haben sich offenbar zwei gefunden.
    Interessant ist, dass Sie diesen Text an einem Tag schreiben, der eine Art Schicksalstag der Deutschen aus jüngerer Vergangenheit darstellt: am 17. Juni; ausgerechnet 60 Jahre nach dem Volksaufstand in der DDR, der diesen Tag zum „Tag der Deutschen Einheit“ werden ließ, obwohl er in Wirklichkeit ein Tag der deutschen Unfreiheit gewesen ist.

    Die Demütigungen, von denen Sie schreiben, kennen auch Menschen aus dem Osten Deutschlands, sie kennen die herablassende Großmäuligkeit eines in siegreicher Rhetorik losgelassenen Manchester-Kapitalismus, der durch die Treuhand-Anstalt ein Land dem Erdboden gleichgemacht hat und die Menschen darin in Generalverdacht genommen hat, dass sie es selbst zu verantworten hätten, wo sie gelandet sind.

    Das blöde daran war nur: Hier wurde vergessen, wer die Deutsche Einheit ermöglicht hat – genau diese Menschen mit ihren Massenaustritten aus der DDR im Sommer und Herbst 1989. Sie taten das Richtige zum richtigen Zeitpunkt. Insofern haben Sie vielleicht auch das Richtige zum richtigen Zeitpunkt getan, denn Sie haben einen Standpunkt und vertreten ihn auch. Respekt!

  3. Guter Text. Bin z.Zt. im Ausland und bekomme wenig mit. Dass Peer Steinbrück sich so einen Sprecher wählte, war mir bisher unbekannt und ist sehr enttäuschend.

  4. Sehr geehrter Herr Pantelouris,

    ich zolle Ihnen mit größter Wertschätzung meinen Respekt dafür, dass Sie sich treu bleiben und ihren moralischen Kompass wahren und ihn nicht so achtlos über Bord geworfen haben, wie es leider viel zu viele in unserer Gesellschaft zu tun pflegen.

    Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass der Trauer alsbald neue Energie und Motivation für neue Aufgaben entwächst, denn Stärke, Charakterstärke benötigen Sie nicht. Sie haben ihn bewiesen!

    „Wer einen Charakter hat, braucht keine Prinzipien.“
    Dr. Julius Wagner von Jauregg

  5. Jetzt kommt der Satz, für den ich aus der SPD ausgetreten bin:
    Ich möchte nicht, dass Peer Steinbrück Bundeskanzler wird

    Möchte er doch offensichtlich auch nicht, und ist trotzdem nach meinem letzten Informationsstand noch drin.

  6. Die Sache mit dem Parteiaustritt kann ich gut nachvollziehen (im Zuge der Sarazzin-Geschichte war ich selbst einmal fast soweit). Was mir missfällt, ist, dass Sie den gleichen Fehler begehen wie die Mehrheit der Gesellschaft auch – Sie stellen Personen über Themen! Ich will nicht, dass Peer Steinbrück Bundeskanzler wird, damit wir sagen können: Endlich wieder ein SPD-Kanzler. Ich hätte mir auch einen anderen Kandidaten gewünscht. Aber unser Kandidat ist nunmal P. S., und ich will, dass er Kanzler wird. Nicht für sein Ego -oder meines-, sondern damit das Land besser regiert wird, für Mindestlöhne, Mietpreisbremse, Abschaffung des Kooperationsverbotes, Schaffung einer Ehe für alle etc. pp.

    Mit Rolf Kleine habe ich genauso Probleme wie Sie (wenn auch wahrscheinlich nicht in gleichem Ausmaß). Aber das hindert mich nicht daran, für eine bessere Politik in diesem Land zu kämpfen, und dass der Kandidat eben gerade Steinbrück heißt, ist dabei nur nebensächlich!

  7. Respekt für diesen Text und diesen Schritt.
    Ich muss dennoch in einem Punkt widersprechen:

    „Und in 150 Jahren stand diese Partei am Ende doch immer auf der richtigen Seite, auch das ist etwas, das man erstmal schaffen muss. “

    In einem Punkt glaube ich das nicht. Im historischen Moment 1989 hätte ein SPD-Kanzler mindestens gezaudert, was die Rhetorik des Kanzlerkandidaten 1990 (Oskar Lafontaine) noch inne hatte. Das mag am gemeinsamen Grundsatzpapier zwischen SPD und SED von 1987 gelegen haben. Vielleicht stand die SPD in diesem Fall auf der falschen Seite, vielleicht nur nicht auf der richtigen. Für die Folgen hätte das keine Auswirkung.

    Nota bene: Auch 1982 ist die Partei dem Vorsitzenden nicht gefolgt, was 2x8jährige Opposition zur Folge hatte (1×8 für 1982 und 1×8 für 1989). Das hatte beides nichts mit Umfragen und mangelndem Mut zu tun, sondern mit politischer Fehleinschätzung.

  8. Es wäre bereits legitim, aus der SPD auszutreten,weil Kleine zu denen gehört, die Sarrazins antisemitisches Gestammel („Juden-Gen“) um jeden Preis verteidigt und das auch noch mit der verfassungsmäßig garantierten Meinungsfreiheit begründet haben. Diese Partei ist keiner Mitarbeit von Demokraten mehr würdig.

  9. @ Christopher Gordjy:

    Sie machen sich das sehr einfach. Denn dummerweise steht mit Peer Steinbrück die SPD nun mal für eine Politik, die recht zweifelhaft ist. Und es ist nicht zu sehen, dass das bei einer eventuellen Wahl Steinbrücks dieser plötzlich von den Punkten abweicht, die er jetzt rausgehauen hat.

    Und das ist das Problem: Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik. Das heißt, sollte Steinbrück Kanzler werden, wird er auch versuchen, das alles so durchzusetzen (mit welchen Koalitionspartner er es auch immer zu tun bekäme).
    Ich kann die Entscheidung von Michalis Pantelouris sehr gut nachvollziehen. Und ja, auch ich möchte nicht, dass Peer Steinbrück Bundeskanzler wird. Denn ich möchte eine Alternative zu Angela Merkel!

  10. Es gibt keine SPD der kleinen Leute oder der internationalen Solidarität mehr.Wer hat denn HARTZ4 eingeführt?Noch nicht einmal die Linke beschäftigt sich mit den sozial wichtigsten Dingen.

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    http://www.t-online.de/wirtschaft/altersvorsorge/id_63799994/rente-deutschland-jeder-zweite-rentner-lebt-von-weniger-als-hartz-iv.html

    Jeder zweite Rentner lebt von weniger als Hartz IV
    11.06.2013, 10:38 Uhr | AFP, dpa, dpa-AFX, t-online.de
    Die Gefahr, im Alter zu verarmen, wird in Deutschland offenbar immer größer. Von der gesetzlichen Rente allein können viele Ruheständler hierzulande ihr Leben kaum noch finanzieren. Die jüngste Jahresstatistik der Deutschen Rentenversicherung zeigt: Fast jede zweite Rente betrug im vergangenen Jahr weniger als 700 Euro und lag damit unter Hartz-IV-Niveau, wie die „Bild“-Zeitung berichtet. Hunderttausende Rentner arbeiten als Minijobber auch im Ruhestand weiter.
    ———————————————————

    Oder wieso hört man davon ^^^nichts?

    Warum sollte sich die SPD mit den Griechen oder uns Spaniern solidarisch erklären wenn sie selber den Krieg gegen die sozial Schwachen im eigenen Land angefangen hat?

  11. „Deshalb bin ich aus der Partei ausgetreten, die ich nach wie vor für das Beste halte, was diesem Land politisch in den letzten 150 Jahren passiert ist.“

    Die Agenda-SPD, die Millionen in sklavenähnliche, würdelose Existenz gezwungen hat. Das BESTE des BESTEN für dieses Land!

  12. Starker Text.

    Ich bin kein Grieche und habe auch keine griechische Verwandtschaft, aber selbst ich bin total genervt von dieser bodenlosen Hetze – als ob die Griechen das Recht auf Mensch sein verwirkt hätten. Aber die Einteilung in „wir hier, wir Guten“ und „die da, die Schlechten“ war schon immer das Einfachste, was den Menschen einfiel, um die eigene Selbstgefälligkeit zu pushen.

  13. Μπράβο φίλε! Σωστός!! Μακάρι περισσότεροι να είχαν τέτοια αρχίδια!!

    Ένας μουσικός από Στουτγάρδη.

  14. Der Artikel spricht mir aus dem Herzen, man muss nicht Grieche sein, um solche Verhaltensweisen sch… zu finden.
    Kleiner Einwurf: mit Bela Anda hatten Sie kein Problem? Der war ja auch etwas geschmeidiger.

  15. Späte Einsicht ! Die SPD ist sicherlich nicht das Rückenmark. Die SPD ist maximal die Leber und die Lunge. (Brand und Schmidt).

  16. Werter Herr Pantelouris,

    wirklich? Es brauchte erst die Personalie des antigriechischen Demagogen Rolf Kleine, dass Sie aus der SPD austreten?
    Verglichen mit den sonstigen Werten der ASozialdemokraten, die Sie offenbar bis dahin teilten – was ich weitaus bedenklicher finde -, ist Kleine eigentlich eine Lappalie.

    Offenbar war es Ihnen nicht genug, dass Ihre Partei eine korrupte, wirtschaftliche Anbiederungspolitik betrieb, die ihrer eigenen Stammwählerschaft und damit gerade denen, die ohnehin keine Lobby in Berlin haben, den Boden unter den Füßen wegzog und sie für die nächsten Dekaden stigmatisierte.

    Es reichte anscheinend auch nicht, dass ein Wolfgang Clement ungestraft seiner eigenen Partei in den Rücken fallen und sie dann nach seinem Verbleib auch noch am Nasenring durch die Arena ziehen durfte.

    Offenbar konnten Sie sich auch mit den rassistischen Werten eines Thilo Sarrazin identifizieren, dessen Gedankengut in einer SPD des Otto Wels niemals einen Platz gehabt hätte, heute aber offenbar schon.

    Auch dass die SPD nicht längst von sich aus die Mitgliedschaft eines paranoid-faschistoiden Polizeistaatlers wie Rainer Wendt beendet hat, verrät viel über das Weltbild der Sozialdemokraten im 21. Jahrhundert, und anscheinend konnten Sie sich auch damit identifizieren, denn Wendt erntete aus SPD-Kreisen nie öffentlich Widerspruch, obwohl der Kontext durchaus wahrgenommen wurde und der Partei schadete (sofern man sie noch an Grundwerten wie Freiheitlichkeit maß).

    Das alles wäre für echte Demokraten längst Grund genug gewesen, der SPD lange den Rücken zu kehren.

    Für Sie aber brauchte es ROLF KLEINE?

  17. Ein guter Text aber er könnte härter sein.

    Es ist erschütternd, wie viele BILD Leute in der Politik ankommen. BILD Leute sollten mindestens ignoriert, besser noch bekämpft werden, denn dieser Personenkreis wird von den politisch Agierenden zu ernst genommen.

    Man hört auch viel zu oft „wie BILD berichtet …. “ (siehe weiter oben) und macht aus einer Lüge einen seriös scheinenden Bericht. D.h. BILD wird höher gewichtet, als die Artikel es wert sind.

    Daraus folgt dann eine Politiker Hörigkeit, in dem Sinne, dass man ja darauf achten muss, wie man in der BILD rüber kommt. Diese Politiker versuchen dann BILD konform zu werden oder sich BILD Schmutz in die eigenen Reihen zu stellen, um ungeschoren davon zu kommen!

    Das ist so unwürdig, was dabei raus kommt.

  18. Die SPD ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die großen Zeiten, wo man den Mut hatte sich gegen die Nazis zu stellen sind vorbei.
    Steinbrück und die SPD wissen, dass ihnen nur ein Kraftakt zum Wahlsieg verhilft, doch der wird nicht kommen, da die Basis durch Schröders Politik weggelaufen ist.
    Steinbrück hat sich gerade durch den PR-Bildtypen mit dem Teufel eingelassen. Doch dieser Teufel wird ihn zum Sieg führen, jedoch zu welchem Preis?
    Gestern war in den Medien ein emotionaler Steinbrück zu sehen, der auch seine Frau mit in den Wahlkampf zog. Und siehe da … die Sympathiewerte stiegen. Wer hat ihm wohl geraten Emotionen zu zeigen? Wer hat ihn wohl veranlasst seine Frau mit in den Wahlkampf zu ziehen?

  19. @Jose:
    Das geht jetzt am thema vorbei, daher will ich nur einmal kurz antworten. Du zitierst nun ausgerechnet ein BILD-Zitat, das kann nicht gutgehen. Dabei haben wir doch gelernt, dass die BILD nur Mist schreibt, 😉

    Dass jeder zweite Rentner weniger als Hartz IV bekommt, ist nicht verwunderlich, denn meistens bekommt dessen Partner deutlich mehr. Verwechsle nicht Rentner mit ganzen Haushalten! Genauer steht’s hier: http://www.statistiker-blog.de/archives/wie-bild-einen-skandal-zusammenschreibt/3908.html

    Noch eins zu Hartz IV: Da wurde vieles falsch gemacht, und es ist nicht so sozial abgelaufen, wie es unter der SPD hätte sein sollen. Aber grundsätzlich war es richtig, das System zu reformieren. War denn die alte Sozialhilfe besser? War es denn gut, dass man Jobangebote beliebig ausschlagen konnte, wenn man dort weniger als vorher verdient hätte?

    Mit Hartz IV hat die SPD immerhin gezeigt, dass sie den Sozialstaat reformieren will, selbst wenn es schmerzt und sie viele Wähler vergrault. Im Zweifel verlieren sie eine Wahl, als dass ewiger Reformstau entsteht. Das unterscheidet sie von den Linken, die lieber weiter auf Dauer Geld ausgeben will, egal woher, und von der CDU, die den Sozialstaat abschaffen will. Daher liebe ich die SPD.

    Mit Rolf Kleine habe ich allerdings auch ein sehr, sehr großes Problem.

  20. Ich finde es auch nicht zu viel verlangt, dass ein SPD-Kanzlerkandidat eben keinen Hetzer zum Sprecher macht.

    Das finde ich auch.
    Ich dachte mich tritt ein Pferd, als ich die Meldung und dann ein paar Hintergründe zu diesem Mann gelesen hatte…

  21. @ JJ Preston on 18. Juni 2013 at 08:49. #
    Zum „paranoid-faschistoiden Polizeistaatlers wie Rainer Wendt“ hab ich grad zufällig noch was im Zwischenspeicher:
    Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Wendt meinte in der Sendung „ZDF-login“, eine Kennzeichnung der Beamten bei Einsätzen sei abzulehnen und er wehre sich gegen diese Art der Vorverurteilung seiner Kollegen: „[…]Wir sind gegen einen Generalverdacht gegen alle Polizisten und Polizistinnen, die sozusagen eine Kennzeichnung deshalb trage müssen, weil sie ja potentielle Straftäter sind. Ich halte das für ne Unverschämtheit, das den Polizeikräften zu unterstellen“ […]

    (ZDF: Hat-die-Polizei-ein-gewaltiges-Problem? Bei Minute 2:00.)

  22. richtig so! Die popularistische Anti-Griechenland-Hetze, in die durchaus auch „seriöse“ Medien und hochgelobte Satiresendungen (heute-show) vergnüglich einstimmen, ist einfach unerträglich.

    Zus SPD allgemein sag ich mal lieber nichts… Aber Sarrazin scheint sich da ja auch noch wohl zu fühlen, oder?

    Schlimm finde ich, dass selbst ehemals wirklich seriöse Sender sich auf Blödzeitungsniveau begeben (z.B. „Augstein und Blome“ auf Phoenix – dumpfer geht’s nicht!)

  23. Die SPD stand immer auf der richtigen Seite? lolwut?
    Da fallen mir ohne nachdenken sogar zwei fatale Fehlentscheidungen ein, an denen ich so gar überhaupt nichts soziales finden kann:
    Hartz IV und der Kosovokrieg

  24. Sicher war Steinbrück schlecht beraten, als er sich Rolf Kleine aussuchte.

    Ganz arm fand ich auch, dass Steinbrück den „Gummistiefeltourismus“ oder so ähnlich verurteilte, wo doch Merkel im Gegensatz zu Steinbrücks Vorbild gar keine anhatte. Er mache mit Hochwasser keinen Wahlkampf, muss sich aber eben vor die Presse stellen und genau dies tun. Dann lieber Gummistiefel.

    Übertrieben finde ich allerdings, aus der SPD auszutreten wegen einem Sprecher, an den sich (wie heute an Sarrazin) 2014 kein Mensch mehr erinnern wird.
    Dieser Schritt ist zwar konsequent und nachvollziehbar, aber zu kurz gedacht.

  25. @Kuli

    Dass jemand keine Arbeitsangebote mehr ausschlagen kann, hätte man auch ohne die Hartz-Gesetze haben können.

    @topic

    Na ja, wie die Sozialdemokraten eben so sind. Kriege, Hartz IV, Sarrazin, Deregulierung der Finanzmafia usw. sind kein Problem. Bei Rolf Kleine aber hört der Spaß auf. Das kaputte Wertesystem haben aber natürlich die anderen.

  26. Sehr geehrter Herr Pantelouris,

    ich bin CSU-Mitglied und werde mich daher weder über Herrn Steinbrück noch die SPD äußern. Ich stimme dem, was Sie über den Herrn Kleine und die Vier-Buchstaben-Postille (deren Namen ich nicht nennen mag) zu 100% zu. Einer meiner besten Freunde ist Grieche und hat ein Speiselokal in Fürth. Das, was er sich von „lieben“ Gästen anhören musste, war schlicht dumm und übel beleidigend. Aufgestachelt wurden die Menschen durch genau diese Postille und das populistische Geschreibsel des Herrn Kleine. Ich hoffe, Sie haben mit Ihrer Arbeit für die Griechisch-Deutsche Freundschaft Erfolg haben. Meine Unterstützung haben Sie.

  27. Ich habe nur bis zu der Stelle gelesen, wo Sie sagen: „Ich habe die SPD für das Beste gehalten, was diesem Land in den letzten 150 Jahren passiert ist“. Bezüglich der schlimmen Hetze in der Bildzeitung kann ich Ihnen nur beipflichten, aber die Blauäugigkeit, die einen solchen Satz, wie den oben hervorbringt, kann ich nicht ertragen.

  28. Hier mißverstehen viele Kommentaoren Ursache und Wirkung. Wenn ein SPD Mitglied „frei dreht“, dann ist es für eine Partei schwer dieses zu „entfernen“. Zumal wenn es sich evtl. auch noch Parteiintern „verdient“ gemacht hat. Auf der anderen Seite bewußt so eine Person in das Wahlkampfteam zu holen, ist eine gewollte Entscheidung der Parteispitze. Insofern kann ich dieser Argumentation folgen.

    Auch wenn *ich* als Mitglied schon bei Hartz IV oder spätestens seit dem Nichtrauswurf des Rassisten Sarrazin (http://www.tagesspiegel.de/berlin/rassismus-vorwuerfe-un-ruegen-deutschland-wegen-sarrazin/8082520.html) ausgetreten wäre.

    Aber ich bin keines. Finde diese Entwicklung der SPD für unser politisches System aber auch sehr bedenklich.

  29. Respekt. Und wohl bedacht. Ich hab auch gedacht, mich trifft der Schlag, dass nun ausgerechnet ein BILD-Mann Pressesprecher und Berater wird. Was er geschrieben hat, wusste ich gar nicht. Abscheulich.

  30. Sehr geehrter Herr Pantelouris,

    selbstverständlich war und ist die Hetze gegen ein ganzes Volk zutiefst unfair.

    Doch möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf einen anderen interessanten Punkt lenken. Sie schreiben u. a.: „…arme Länder haben (…) offenbar kein Anrecht auf Staatsgebiete.“ — „Arm“ beschreibt einen Zustand. Das Wort sagt nichts darüber, wie ich diesen Zustand erreicht habe.

    Jeder, der eine sachliche (!) Diskussion fordert, warum Griechenland „arm“ ist, wird sofort in die Ecke der erwähnten Hetzer („Bild“ etc.) gedrängt. Sie, Herr Pantelouris, sind sicher ein unschuldiges Opfer der Anti-Griechenland-Hetze, aber ist Griechenland wirklich unschuldiges Opfer seiner „Armut“?

  31. @JJ Preston: „Auch dass die SPD nicht längst von sich aus die Mitgliedschaft eines paranoid-faschistoiden Polizeistaatlers wie Rainer Wendt beendet hat…“

    Hm, ist das nicht ein bisschen viel verlangt von der SPD, die CDU-Mitgliedschaft von diesem Typen zu beenden? Ich mein‘ ja nur 😉 Oder liegt es daran, dass SPD/CDU kaum noch zu unterschieden sind?

  32. Genau DAS: ein Blödzeitungshetzer als Sprecher & Berater der SPD – bringt das Fass für mich zum Überlaufen. Inzwischen bin ich 67 Jahre alt, habe mein ganzes Leben SPD gewählt; nun ist Schluss. Aus. Tschüss.
    .
    Dass Steinbrück so dusslig („ahnungslos“ wäre ein zu harmloser Adjektiv) sein würde, solchen Typen auszuwählen, himmelhilf! (Oder ist er erpressbar und er „konnte das Angebot nicht ablehnen“?)

  33. Wenn man ein Problem analysiert, sollte man den Ursprung/die Ursache näher betrachten und sich nicht an den Auswirkungen=Akteuren aufreiben.
    Es ist doch vollkommen egal, wer mit wem koaliert und dann in der Regierungsverantwortung ist, wenn das System krank ist.
    Unsere derzeitige Staatsform geht von vollkommen realitätsfremden „idealen Akteuren“ aus und diese Bürde ist für einen Menschen einfach zu groß, da muss man auch mal realistisch sein. So verführt man ihn lediglich „Macht zu missbrauchen“ und man kann das gut vergleichen, als ob man einem trockenen Alkoholiker immer wieder den Whiskey unter die Nase hält.

    In der Schule oder im Studium lernte man ja beim Thema Staatslehre&Bundesrepublik Deutschland die „Gewaltenteilung“ mit ihren drei unabhängigen und sich gegenseitig kontrollierenden Zweige der Exekutive, Legislative und Judikative und man verglich‘ dazu dann auch noch schön andere Staatsformen und arbeitete die Unterschiede heraus.

    Das lernen die Kids auch heute noch, wo selbst die Bundeszentrale der politischen Bildung nicht mehr von einer „Gewaltenteilung“ spricht, sondern von einer „Gewaltenverschränkung“ (Machtbegrenzung durch Kontrolle und Verschränkung) und es tauchen Termini wie „checks and balances“ auf, wo ich mich nur Frage „checken die das nicht, dass da keine Balance mehr da ist?“

    Um es kurz zu fassen, das Bundesverfassungsgericht hierbei auch bewusst mal ausgeklammert, da es ja die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und damit die Legislative in erster Linie kontrolliert und bisschen eine Sonderstellung hat, aber es gibt de facto KEINE deutsche Justiz außerhalb der Exekutive.

    Die Justizministerien (Politiker) sind Teile der Regierungen und die Gerichte (Judikative) und Staatsanwaltschaften (Exekutive) laufen verwaltungstechnisch und auch disziplinarisch als Geschäftsbereiche der Justizministerien.
    Die jeweiligen Justizminister bestimmen die berufliche Laufbahn der Richter, entscheiden über Beförderungen und die Staatsanwälte sind sogar direkt ihm gegenüber weisungsgebunden.

    Wer jetzt noch denkt, dass Richter nur ihrem Gewissen und dem Recht unterworfen sind, der sollte einfach mal googlen, sich z.B. den Fall Gustl Mollath anschauen um zu „erkennen“ wie gefährlich dieser „sorry“ Scheissdreck ist, denn man da verzapft hat.

    Kleiner Blick auf die Seite des Bundesgeneralanwalts:

    „Die beamtenrechtlichen Bestimmungen sehen vor, dass er sich in Erfüllung seiner Aufgaben in fortdauernder Übereinstimmung mit den für ihn einschlägigen grundlegenden kriminalpolitischen Ansichten und Zielsetzungen der Regierung befindet. Er kann jederzeit ohne nähere Begründung in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.“ (http://www.generalbundesanwalt.de/de/stellung.php)

    Gut, dass da kein Druck ist und man sowohl belastend aus auch entlastend ermitteln und dann anklagen kann. Ich sag nur NSU-Prozess…

    Leider kommt auch die sog. „vierte Gewalt“ nicht ihrer zugedachten Funktion nach, sondern präsentiert sich als Propagandaorgan von jeweiligen Interessengruppen.

    Wie soll man in so ein System „Gerechtigkeit“ hineinbekommen, wenn die Profiteure auf „Machterhalt“ aus sind und es keine Kontrolleure gibt. Ich hab keine Ahnung, aber ich glaube nicht, dass das so ein Prozess alleine durch Einsicht o.ä. beginnen wird, denn wer gibt schon freiwillig Macht ab, gefährdet seinen Status quo und setzt sich einer strafrechtlichen Verfolgung oder zu befürchtenden Konsequenzen freiwillig aus?

    „Gewaltenverschmelzung“ wäre aus meiner Sicht die noch treffendere Bezeichnung. In diesem Sinne…

  34. Aus meiner Sicht hat die SPD schlicht und einfach ausgedient:
    Während diese Partei früher einmal für Sozialdemokratie stand, erscheint sie mir inzwischen nur noch als unnützes Relikt, ohne wirkliches Profil und mit dem einzigen Ziel, irgendwie mitzuregieren, egal, welche Politik dabei herauskommt.
    Es ist doch allein schon bezeichnend genug, dass die SPD heutzutage lieber mit der CDU koaliert als es auch nur in Erwägung zu ziehen, ein Bündnis einzugehen, an dem die Linke beteiligt ist. Auch wenn ich verstehen kann, dass es Gründe gibt, wieso böses Blut zwischen Linker und SPD herrscht, sollte es in der Politik doch in erster Linie um Themen gehen und in dieser Hinsicht ist die Linke doch um einiges näher am Konzept Sozialdemokratie als die CDU.
    Wenn es nicht so vollkommen abwegig wäre (und doch sieht es genau danach aus), würde ich vermuten, dass die SPD es sich zum Ziel gesetzt hat, die Rolle des kleinen Bruders der CDU zu übernehmen, in der die FDP gerade gescheitert ist.
    In jedem Fall ist die zweite große Volkspartei inzwischen nur noch die größte der „anderen Parteien“ (=nicht CDU), aber schon jetzt längst nicht mehr in der Lage aus eigener Kraft an einer Regierung teilzuhaben und wie es aussieht, ist der Fall noch lange nicht vorbei.

    Aus meiner Sicht ist das größte Problem der SPD, dass sie einfach nicht schnell genug stirbt, denn in ihrer aktuellen Ausprägung sehe ich sie nur noch als politisches Hindernis:
    Um eine eigene Regierung zu stellen, ist die SPD zu schwach und als Anführer des linken bzw. nicht-konservativen Lagers ist sie auch ungeeignet, denn sie sucht sich ihre Verbündeten offenbar nach Sympathie anstelle von Themen.
    Letztendlich ist es die Positionierung der SPD, die eine Regierung ohne CDU in der nächsten Legislaturperiode unmöglich machen könnte.
    Vermutliches Ergebnis: „Große Koalition“ mit einer so schwachen SPD, dass der Begriff schon fast unpassend klingt.

    Wie kann diese Situation für das förderlich sein, wofür die SPD früher einmal stand und vor Allem, wie kann ungeachtet dessen, die SPD genau dieses Ergebnis ansteuern?!

  35. @bee: “ Sarrazins antisemitisches Gestammel („Juden-Gen“)“
    .
    Haben Sie das aus der Blödzeitung?

  36. Eine folgerichtige und ehrvolle Entscheidung.
    Die Verfehlungen der SPD in den 150 Jahren ihres Bestehens begannen allerdings schon mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914.

    Aber immerhin kannst auch Du jetzt die folgende Frage richtig beantworten:
    Wer hat uns verraten?

  37. Ein guter Text. Und eine respektable Entscheidung. Auch wenn ich es nur bedauern kann, dass die SPD (wieder einmal) einen klugen Kopf verloren hat.

    Auch wenn diese Partei – wofür Du sie mit Recht hältst – die beste aller in Deutschland existierenden Parteien sein, so hat sie doch immer wieder schreiende Fehler gemacht. Lassen wir mal 1914, das ist lange her, aber nach 1949 gibt es genügend Stoff, der ihr vorzuwerfen wäre: Mancher Marxist verzeiht schon Godesberg (1959) nicht. Dann die Notstandsgesetze (1968), die RAF-Hatz (1972), den Extremistenbeschluss (1973), Atomkraft, NATO-Doppelbeschluss, Art. 16 GG (1993) und zuletzt Agenda 2010 (2003).

    Die Frage, der sich jeder stellen muss, der sich politisch engagiert oder zugehörig fühlt, ist: Wie viel Zynismus, Machtstreben, Opportunismus und Lüge kann ich ertragen? Und wo? Oder wo am Wenigsten?

    Steinbrück und Kleine werden irgendwann auf dem Müllhaufen der Geschichte landen. Michalis Pantelouris kommt dann vielleicht wieder in die SPD zurück.

  38. Danke! Guter Artikel.

    BILD = rassistisch, menschenverachtend, frauenfeindlich, beladen von Vorurteilen und Klischees.

  39. Sie haben Recht.
    Viel zu sehr überlassen wir anderen den Hetzern und Nörglern den Platz.
    Darum hier mal ganz deutlich: es gibt auch uns andere. Die den Menschen in Griechenland gerne helfen, die genau das als den großen Vorteil einer europäischen Gemeinschaft sehen. Die ihnen jeden Euro *gönnen*, der hilft, das Land wieder auf die Beine zu bringen.

  40. Das Maß ist voll. Eigentlich schon länger. Aber indem Steinbrück einen solchen Hetzer zu seinem Sprecher macht, kann ich endgültig nicht mehr mit der SPD sein.

    Nach 30 Jahren endet somit auch meine Mitgliedschaft.

  41. Toller Text. Es ist tatsächlich ein Teufelskreis. Solche Äußerungen der Politik schüren auch den Hass in der einfachen Bevölkerung. Wir leben in einer staatlichen Gemeinschaft und sollten einander helfen. In Medienberichten werden Deutsche von Griechen ebenfalls arg beschimpft. Und als „einfacher“, nicht politischer Mensch steht man da und sagt: „Hey. Es fließt doch so viel Geld nach Griechenland. Warum schimpft man trotzdem so auf uns?!“ Und so dreht sich das im Kreis. Und im Grunde ist es die Pokitik, die letztlich alle im Regen stehen lässt. Wir sollten einander nicht hassen. Das fällt natürlich manchen, ohnehin bereits dünnhäutigen, Menschen schwer. Gerade im Hinblick auf das, was gerade in Deutschland los ist. Der Osten des Landes säuft im Wahrsten Sinne des Wortes ab und man hat nicht das Gefühl, dass hier mal Hilfe kommt. Auch dies ist aber natürlich nur Politik….

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