Endspiel

In einem interessanten Interview mit den Tagesthemen erklärt Paul Krugman anschaulich das Dilemma der Politik, vor allem der deutschen.

Entweder wird Deutschland zustimmen müssen, alle Mittel zu ergreifen, um den Euro zu retten. Oder aber man lässt den Euro scheitern. Beide Szenarien sind unrealistisch, und doch wird eines von beiden eintreten.

Er beneide Merkel nicht um ihre Rolle. Dass das erste Szenario – „alle Mittel“ – unrealistisch ist, liegt in der deutschen Innenpolitik. Der deutschen Bevölkerung ist immer wieder versprochen worden, es gehe nur bis hierher und nicht weiter, es werde nicht mehr Geld benötigt und so weiter. In der üblich bizarren Krisenlogik ist das immer wieder ein Grund, warum die Rettungsmaßnahmen nicht reichen: Weil sie endlich sind, wird ihr Ende auch für möglich gehalten und eingepreist.

Ich glaube aber, es gibt einen dritte Möglichkeit, und sie wird seit einem knappen Jahr aktiv vorbereitet. Ich glaube, dass Griechenlands Ausscheiden aus dem Euro – der Grexit –, zwar als wirtschaftlich bedeutend teurere Variante erkannt aber als politische Notwendigkeit betrachtet wird. Merkel muss einen Schwenk zu wie auch immer benannten Euro-Bonds vollziehen, und das kann sie innenpolitisch nur überleben, wenn sie glaubhaft machen kann, wie nah Europa dem Abgrund ist. Das geht nur, wenn Spanien oder gar Italien offensichtlich zu fallen drohen. Und die Spekulation gegen diese Staaten erreicht man am dramatischsten mit dem Grexit (und dem dann wohl zwingend folgenden Ausscheiden Portugals). Um den Euro zu retten muss Merkel ihn sehr viel stärker aufs Spiel setzen. Ich finde diese Überlegungen riskant, finde es überflüssig und bedauerlich – weil es einfacher und viel effektiver gewesen wäre, der Bevölkerung von Anfang an die Wahrheit zum Beispiel über gemeinschaftliche Schulden zu sagen – aber verständlich. Es ist für mich darüber hinaus die einzige Erklärung dafür, dass in Griechenland, aber auch in Spanien, Programme durchgesetzt wurden, von denen jeder zu jeder Zeit wusste und auch gesagt hat, dass sie niemals ausreichen würden.

Anders als vor diesem Hintergrund sind für mich auch die unsäglichen Äußerungen des bayrischen Finanzministers Markus Söder im Gespräch in der BamS nicht zu verstehen.

Ich verteidige ja nicht nur „die Griechen“ in Deutschland, sondern immer wieder sowohl öffentlich als auch privat „die Deutschen“ in Griechenland. Ich tue beides gleich ungern, weil es regelmäßig dazu führt, dass ich Politiker verteidigen muss, deren Politik ich für falsch halte. Aber das ändert ja zum Beispiel nichts daran, dass Wolfgang Schäuble natürlich ein überzeugter Europäer und Demokrat ist, selbst wenn er sich manchmal wünscht, in Griechenland würde zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade keine Wahl anstehen. Wie dem auch sei.

An Athen muss ein Exempel statuiert werden, dass diese Eurozone auch Zähne zeigen kann.

Selbst ein provinziell veranlagter Politiker im Landtagswahlkampf weiß, was er damit provoziert. Die Terminologie ist völlig überflüssig, und sie wird in Griechenland natürlich die erwünschte Reaktion hervorrufen: Den Hinweis auf die Namen der Orte, an denen zuletzt Deutsche Exempel statuiert haben. Söder will das offensichtlich. Ich glaube nicht, dass man dazu etwas sagen muss.

10 Antworten auf „Endspiel“

  1. Das ganz grosse Getöse aus Bayern – das sind eben noch echte Maulhelden. Die wissen ganz genau, dass sie populistische Forderungen stellen können und sich hinterher verstecken können: Nicht koalitionsfähig etc. Macht sich gut im bayrischen Wahlkampf, Auswirkungen auf das Ansehen Deutschlands im Ausland sind nur Kollateralschäden.

    Ich sehe immer seltener Fernsehnachrichten – wenn ich die entsprechenden Gesichter nur sehe, weiss ich schon, welche Verbalinkontinenz gleich kommt (egal ob Söder, Merk, Dobrindt, Ramsauer, Aigner, Seehofer), das macht mich nur unnötig aggressiv.

  2. Söder und Co. sind nicht fähig, dieses Land zu führen. Wer den Ausgang einer Landtagswahl zum Maß aller europäischen Dinge macht, sollte im Bierzelt bleiben.

    Ich bin mir darüber hinaus nicht sicher, ob es wirklich schon so weit ist, dass wir von einem „Endspiel“ reden müssen. Erstens ist es kein „Spiel“, zweitens gibt es keine Sieger.

    Es wäre schon viel geholfen, wenn etwas mehr Ruhe einkehren würde. Die Politik, so sie denn verantwortungsvoll sein will, muss einen Weg finden zwischen Hinhaltetaktik und Schnappatmung (CSU). Und es müsste deutlich werden, dass die Politik entscheidet – und nicht die „Märkte“.

    Die derzeitige Konstruktion des Euro muss dringend überarbeitet werden. Aber schaut man sich z.B. einmal die Schuldensituation der USA (Bund ebenso wie Staaten) an, kann man über das von manchen ach so gern beschworene Untergangs-Szenario nur den Kopf schütteln.

  3. @ Dieses Phänomen gilt längst nicht mehr nur für Fernseh-„Politiker“, sondern für nahezu das gesamte nonfiktionale ÖR-Programm.

    Ich weiß vorher schon genau, welche Kuschel-Fragen „Journalisten“ der Größten uckermärkischen Blei-Mutti aller Zeiten stellen werden; und wie sie dann ihre kümmerliche „Courage“ mobilisieren, um etwa bei Gysi oder Wagenknecht „hart“ nachzufragen.

    Print: hier reicht es völlig aus, Überschrift und Autorennamen zu lesen – das spart enorm Zeit!

    Witzloses, abgeschmacktes Schmierentheater allerorten… (Wasser beim Verdunsten zu beobachten bietet deutlich mehr suspense.)

  4. Ich glaube am Anfang war es so das man die Griechen einfach nur als Abschreck-Beispiel aufbauen wollte.So nach dem Motto „Schaut her Europäer,dies machen wir mit jedem der nicht kuscht.“

    Inzwischen glaube Ich aber das es nur noch darum geht den Populismus in Nationalismus und Rassismus umzubauen.Eurobonds werden nicht mehr helfen.Südeuropa ist inzwischen ökonomisch komplett zusammen gebrochen und auch Deutschland wird sich nicht mehr mit „Exporten nach China“ retten können.Auch aus Fernost kommen nur noch wirtschaftliche Schreckensmeldungen.Die chinesischen Jubelmeldungen sind nur gefälschte Statistik (laut eigenen Regierungsmitgliedern) und Indien ist offiziell in der Rezession.

    Jetzt und in den nächsten Monaten geht es nur noch um Schuldzuweisungen und den richtigen Sündenbock zu finden.

  5. „Ich glaube nicht, dass man dazu etwas sagen muss.“

    Doch. Doch. Man muss etwas dazu sagen.

    Denn in manchen Medien wurde das mit dem „Exempel statuieren“ als innenpolitisches Sommerloch-Wischi-Waschi abgetan. Er ziele ja EIGENTLICH „nur“ Stammtisch-Wählerstimmen ab.

    Aha. Wie ist die Stimmung denn so an den Stammtischen, nach zwei Jahren Springer und Co. Propaganda? Wollen die wirklich mittlerweile Blut sehen? Wird er jetzt als Held gefeiert oder wird er abgewatscht?

    Einer hat ihn auf jeden Fall abgewatscht: Aussenminister Westerwelle. Yes! Sir!
    DER Westerwelle, der sich in der „Bunten“ der (schwäbischen?) Hausfrau präsentiert. Nach Bayreuth. Auf dem Obersalzberg. Mit Schäferhund namens Fritz.

    http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/herzblatt-geschichten/herzblatt-geschichten-ganz-fern-vom-kitsch-11844268.html

    Alles Herzblattgeschichten.

  6. Das ist immerhin ein plausibler Versuch, hinter den mörderisch-absurden Vorgängen die Rationalität einer politischen Strategie zu identifizieren. Vielleicht muß man hoffen, daß es tatsächlich so ist und nicht nur taktische Cleverness, die nicht weiterweiß, aber raffiniert Zug um Zug im Nirgendwo macht.
    Aber ist das wirklich mehr als nur ein halbwegs polierter unter den Scherben ? Welchem Kalkül verdankt sich die Aufnahme Griechenlands in die EZ ? Wenn die Fälscherei ein offenes Geheimnis war ? Daß dieselben Akteure, die damals dachten, daß es schon irgendwie gehen werde, jetzt so raffiniert um die Ecke denken können sollen, frage ich mich, ob das plausibel ist. Natürlich können es Schläfer gewesen sein, die geweckt wurden – oder mit anderem befaßte ‚Lenker‘, die immer nur von Brandherd zu Wassereinbruch zu Sturmschaden laufen. Dann kann aber nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Quartal schon wieder eine ganz andere Strategie verfolgt werden …

  7. Nachtrag: Das ganze Retten und Konsolidieren schleppt ja nicht nur Unaufrichtigkeit gegenüber dem deutschen Michel mit sich, sondern schon die Verweigerung der Realität – wenn man weder die chaotisch ungebremste Kreditinflation vor der Krise noch die systematische Befreiung der größten Profiteure von Beiträgen zum Funktionieren des Staates zur Kenntnis nimmt, bleibt einem nur noch die akrobatische Höchstleistung beim Bändigen des entstehenden Chaos. Als ob sich die Offiziere der Titanic als hervorragende Eisschwimmer entpuppten, die auch gleich noch zehn Frauen und Kinder retteten.

  8. Wenn das Verhalten der griechischen Regierung rationaler und situationsadäquater wäre, würde man die Auflagen akzeptieren statt sich zu winden und Drama zu machen.

    Das deutsche Vabanquespiel kann nur gewonnen werden. Entweder wird Griechenland ausscheiden, was es dann allein seinem eigenen Handeln zu verdanken hat, oder es gibt eine Art Eurobonds aber dann dreimal genäht in Sachen ordnungs- und haushaltspolitischer Durchgriff Europas. Wenn Griechenland das nicht will, steht ihm sein wirtschaftspolitischer Suizid natürlich offen.

    Ein Exempel zu statuieren, nun das erledigt die griechische Politik ganz allein durch ihr Drama, ihr gläubiges Nuckeln an Krugmans Keynesianermasche und ihr irrationales Herbeireden des Grexits nach dem „Dann gehn wir halt bankrott“ Motto. Die Märkte haben schon Recht, wenn sie Griechenland als Junk raten. Das hat sich das Land selbst verdient durch seine politische Führung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.