Täglich Brot

In seinem überwältigenden, großartigen Buch Schulden – Die ersten 5000 Jahredemonstriert der Anthropologe David Graeber in einem winzigen Abschnitt die bizarre Absurdität der aktuellen Situation, in der Staaten ihre Bürger durch Schulden bei von denselben Bürgern geretteten Banken in den Hunger treiben: Er zitiert das wahrscheinlich meist gesprochene Nachtgebet der westlichen Welt – „und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ (und er beweist im Rest des Buches, dass damit sehr wohl auch Geldschulden gemeint sind).

Davon sind wir weit entfernt. Aber leider sind auch ganz andere, noch viel weniger missverständliche Sätze in diesem Gebet nicht mehr selbstverständlich metaphorisch gemeint: „Unser täglich Brot gib uns heute“ ist eine Bitte, die viele Griechen im Moment tatsächlich nur noch an den lieben Gott stelle können. Sie sind auf Hilfe angewiesen.

Achilles Kamberis ist es gewohnt, Menschen zu versorgen. Er betreibt im nordhessischen Wolfhagen das Restaurant „Kreta“ – und hat eine Aktion ins Leben gerufen, mit der griechische Gastronomen eine Suppenküche im Athener Stadtteil Kipseli unterstützen.

Seine Rechnung ist einfach: Es gibt 10.000 griechische Lokale in Deutschland, wenn nur 1000 mitmachen und 100 Euro geben, wären das 100.000 Euro.

Und auch hier zeigt sich wie an anderen Stellen in dieser Krise, dass die Kirchen eine große Rolle bei der Verteilung von Geld und Gütern spielen können: Weil es etablierte Hilfswege nicht gibt (wer hätte das alles vor zwei Jahren erwartet?), müssen die einspringen, die da sind – und das sind eben die Kirchen. Die Suppenküche von Kipseli, die täglich 150 Essen ausgibt, wird betrieben von Pater Emanuel Nirakis. Die Spendengelder aus Deutschland überbringt ihm der Dekan des Kirchenkreises Wolfhagen, Gernot Gerlach.

Die Aktion hat den als URL sperrigen Namen „Hilfe gegen den Hunger in Griechenland“. Ich bin dankbar für die wohlwollende Beachtung. Sie erinnert einmal mehr daran, dass das die Grundlage unserer Gesellschaft ist: Wer Not sieht und helfen kann, der muss es auch tun.

Täglich Brot.

5 Antworten auf „Täglich Brot“

  1. Steve Keen (http://www.debtdeflation.com/blogs/) hält einen Schuldenerlass (allerdings jetzt nicht speziell auf Griechenland bezogen) generell für geboten um die Krise zu überwinden statt sie, wie das aktuell geschieht, zu vertiefen. Das Problem dabei ist jedoch, dass sich so ein Schuldenerlass heute nicht so einfach realisieren lässt, wie das früher der Fall war. Das liegt daran, dass bei der Privatschuldenblase alle irgendwie betroffen sind und man deswegen nicht einfach, so wie früher, einer Seite den schwarzen Peter zuschieben kann. Es ist allerdings möglich und auch realistisch, nur muss man sich bei der Ausgestaltung ein paar Gedanken mehr machen, als aktuell so üblich ist.

  2. Schuldenerlass heißt ja nicht, dass einfach alle Schulden weg sind. Irgendwer muss immer zahlen, in diesem Fall dann die Gläubiger. Und am Ende sicherlich weniger die Finanzhaie als die Steuerzahler.

    Egal wie: die Kreditvergabe muss den Finanzhaien entzogen werden. Man sollte nicht alle politischen Anstrengungen und Verrenkungen dafür verwenden, die „Märkte“ zu beruhigen. Man sollte vor allem die „Märkte“ entmachten.

  3. Hervorragende Idee von Achilles Kamberis. Und die Idee, am 26.8. in einem Restaurant essen zu gehen, ist ebenso gut, Spenden, es vielen erzählen, die es nicht wissen, usw.
    In pseudo-ironischen Zeiten wäre das Anlaß gewesen, höhnische Kommentare zu verfassen, oder die „Gutmenschen“-Keule zu schwingen. Wenn alle, die über 15 Jahre, ohne ja je Namen zu nennen, also wirklich zu kritisieren, von „linken Gutmenschen“ gefaselt haben, für alles aber der 10. Wiederholung 10 Euro spenden würden, kämen tatsächlich Rekordbeträge zusammen…
    Bitter, dass man oft erst Jahre nach solchem Geseier (hier vieler postmoderner Kulturleute, von da schwappte es in die Alltagssprache und diente zur Verhöhnung jedweden Gefühls) merkt, welche Folgen etwas hat. Deshalb ärgert mich das so.
    Wenn alles egal wird….quasselt man eben unter anderem auch selbstherrlichen Unsinn über Griechenland, verharmlost die Not, lobt Merkel, findet es letztlich „unerheblich“, was geschieht, usw. Diese Form ist weit schwieriger zu kritisieren als etwa Focus- oder Bild-Titel, weil man sofort „be cool, babe“ oder „Gutmensch!“ draufhämmern kann. Wurde wirklich ein Teufelskreise, über die Jahre.

    Vielleicht ändert sich das nun alles sehr schnell, wer weiß. Ich hab einer Apothekerin in einem Touristenort geschrieben, die antwortete, bei ihr sei die Not noch (!) nicht so extrem wie in den großen Städten.
    Es ist, dank des Internet z.B., recht leicht, von Menschen direkt zu hören, wie es grade ist.
    Und wer nicht viel Geld hat, ich hab z.B. nicht viel, kann immer etwas tun, so hab ich der Frau angeboten, eine meiner (leider nicht „vintage“…..) E-Gitarren zu versteigern. Fast denk ich, in kleinen Orten wäre es, mal angenommen, die herrschende Propaganda wäre doch zu durchbrechen, leicht, wirkliche Hilfe zustande zu bringen. Kennt Ihr „quer“ vom BR? Hab ich früher oft geschaut – einen Beitrag dort, und es würden wirklich viele Leute was tun. Grade schnell nachgeschaut, in dem Magazin gab es u.a. im Mai 2011 schon einen Beitrag dieser Art, entfernt ähnlich einer Hilfsaktion – youtube.com/watch?v=ELWyK6ZY6Uk

    Heute ist es dringender (soweit ich davon was weiß), und so ein Beitrag würde anders gemacht werden.

  4. @theo

    Es hilft ungemein, sich immer mal wieder klar zu machen, worum es geht. Es geht um Schuldner, die ihre Schulden nicht bezahlen können und um Gläubiger, die leichtfertig ihr Geld verliehen haben. Das ist eine uralte Geschichte, die immer nach demselben Muster verläuft. Und es läuft immer auf einen Schuldenerlass in irgendeiner Form heraus. Das Geld ist weg und der Gläubiger muss das irgendwie verarbeiten. Es hilft nichts, den Schuldner in den Schuldturm zu stecken oder sich neues Geld zu drucken. Die Kohle ist futsch. Das ist der einfache, verständliche Kern der immer alten Geschichte.

    Nordeuropa kann sich aussuchen, ob die Lösung in einem weiteren Schuldenerlass besteht oder in direkten Transferzahlungen oder in einer Inflationierung der bestehenden Schulden. Mehr ist nicht drin.

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