Wir werden von Idioten regiert. Das verlangt das Gesetz

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat gerade auf SpOn erklärt, warum ein Student, der das Spar-Programm der Troika als Antwort auf die Herausforderungen der Wirtschaft in Südeuropa (einem fiktiven G-Land, was immer das sein kann …) ankreuzt, bereits in einer Einführungsveranstaltung für Makroökonomie „in allen Universitäten der Welt“ mit „falsch“ bewertet würde.

Nun ist unsere Regierung gemeinsam mit der offenbar sedierten Opposition aus SPD und Grünen dabei, einen europäischen Fiskalpakt in Verfassungsrang zu heben, der erstens dieselben Typen, deren Programme schon von Erstsemestern als falsch erkannt werden müssen zu den Oberwächtern unseres Haushaltes macht, ihnen zweitens die Macht gibt, Strafen bis zu 0,1 Prozent unseres BIP zu verhängen, wenn ihnen die Art nicht gefällt, wie wir unser drittens zu hohes Defizit abbauen (aus Gründen, die irgendetwas mit Würfeln oder einer Runde Darts mit verbundenen Augen in einer Kneipe auf Beteigeuze zu tun haben müssen gilt ja eine Grenze von 60 Prozent im Verhältnis zum BIP, die wir sehr locker um mehr als 30 Prozent überbieten).

Zu zweitens: In Deutschland beträgt das BIP etwa 2 800 000 000 000 Euro (2,8 Billionen), ein Tausendstel davon sind immerhin 2,8 Milliarden Euro. Das ist schon auch Geld.

Selbstverständlich kann Deutschland aus diesem Vertrag jederzeit aussteigen, indem es mit verfassungsändernder Mehrheit aus der EU austritt. Da das Volk vorher nicht befragt wurde, wird also zumindest hinterher eine besonders aufregende Form der demokratischen Beteiligung angeboten: Ich nenne sie „Bürgerkrieg“. Ich glaube, das ist auch der offizielle Name.

Wir lassen also nicht nur zu, dass die EU offensichtlich in Theorie und Praxis nicht funktionierende Programme anwendet, die immer nur Sozialabbau bedeuten und den betroffenen Ländern nicht helfen, sondern sie im Gegenteil ins Elend stürzen: Wir machen es zum Gesetz, dass es so sein muss.

10 Antworten auf „Wir werden von Idioten regiert. Das verlangt das Gesetz“

  1. Wie überbieten die 60%-Defizitgrenze nicht nur um 30%, sondern um 30 Prozentpunkte. Das sind 50% bezogen auf die 60%-Grenze. Wer Prozentpunkte und Prozent gleichsetzt, untertreibt die Leistungen der europäischen Sparmeisterregierung, die trotz historischer Niedrigzinsen (und damit gesparter Zinszahlungen), guter Konjunktur und täglich geäußerten Sparbefehlen an andere Nationen nichtmal einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann.

  2. Andererseits ist das natürlich auch Anlass bzw Ausrede zur Fortschreibung der neoliberalen Agenda, denn Sozialausgaben erhöhen die Verschuldung und Besteuerung von Unternehmen gefährdet ja das Wachstum™ und wenn sich die Schulden nicht verringern und sich das BIP nicht vergrößert, muss Deutschland Strafe zahlen. Schöner hätte sich das auch der Herr Westerwelle nicht ausdenken können… :/

  3. @mikis: Meines Erachtens nach sind die 127 Milliarden Euro, für die Deutschland im Rahmen des Rettungsschirms garantiert und die 70 Milliarden des Soffin nicht mit in den Schuldenstand eingerechnet. Inklusive diesen Verpflichtungen komme ich auf 89% (zzgl. den für 2012 geplanten Schulden wären wir dann bei mehr als 90%).

    Es sei denn natürlich, man glaubt, dass Griechenland, Irland und Portugal all ihre Kredite zurückzahlen und die vom Soffin unterstützten Banken natürlich die 70 Milliarden gar nicht brauchten. Dann würden die Garantien den Schuldenstand nicht erhöhen.

  4. Es wird nicht viel helfen, wie wir wohl alle annehmen, aber im Gegensatz zur sedierten (genaue Beschreibung!) Opposition von rot-grün, die allerdings 1998-2005 nun nicht so regierten, als wären sie gegen den Fiskalpakt, hat die in sich zerstrittene Linkspartei Klage beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Man möchte zuerst per „einstweiliger Verfügung“ verhindern, daß alles leise während der EM und im möglicherweise einsetzenden Jubeltaumel danach durchgeschubst wird, nehme ich an, weiß es natürlich nicht genau.

    Das ändert aber wenig daran, daß wir seit 20 oder mehr Jahren auf Verfassungsgerichts-Strohhalme hoffen müssen, weil ein aktiver Widerstand gegen solche absurden Pakte inexistent ist. Zwar ändert sich seit 1-2 Jahren langsam was, aber es kommt mir in hunderten Gesprächen so vor, als wäre das politische Wissen, etwa um Griechenland, EU, Eurozone, Neoliberalismus usw. erstaunlich gering. Ich will gar nicht sowas meinenglauben, aber ich hör es ständig, Beispiele aus dieser Woche erspare ich lieber.
    Was für gute comments zum guten Artikel hier von Dieter und Johannes !

  5. Thomas Fricke, Chefökonom bei der Financial Times Deutschland, schreibt:

    „Vielleicht wäre Frau Merkelopoulos nach ein paar Monaten in Athen auch ziemlich genervt von den Deutschen, die ständig jammern, wie viel sie als deutsche Steuerzahler an die Griechen zahlen. Zumindest, wenn sie beim griechischen Finanzminister mal nachfragt und dann feststellen muss, dass der deutsche Kollege bislang ja nur Kredite vergeben (und nichts verschenkt) hat, die er sich auch noch ordentlich verzinsen lässt. Weshalb der griechische Steuerzahler dreistellige Millionenbeträge nach Deutschland geschickt hat, nicht umgekehrt. Da würden Sie Frau Merkelopoulos aber mal kennenlernen…“

    http://wirtschaftswunder.ftd.de/2012/06/22/die-kolumne-entsendet-merkel-nach-athen/

  6. Interessant ist an dem Peter Bofinger Artikel auch der Umstand, dass beide Antwortmöglichkeiten bei der Eingangsfragen falsch sind, aber nur eine an den Universitäten laut Peter Bofinger als falsch betrachtet wird. Das erklärt auch, warum wir von Idioten regiert werden – wir werden auch von Idioten an den Universitäten unterrichtet.

    Das erkennt man auch daran, dass der Mann die Chuzpe hat, die Pseudoreligion, die die Wirtschaftwissenschaften bislang darstellen, mit den Naturwissenschaften gleichzustellen, indem er das Bild der „ökonomischen Schwerkraft“ (Geld fällt nach unten?) bemüht, und uns glauben machen will, die Wirtschaftswissenschaften verfügten über eine den Naturwissenschaften vergleichbaren Prognosefähigkeiten.

    Wer sich jedoch die Mühe macht, mal Wirtschaftsprognosen im Nachhinein zu überprüfen, wird sehr oft feststellen, dass die Prognosen selten in irgendeinem Zusammenhang mit den realen Zahlen stehen. Ganz große Entwicklungen, wie z.B. die Finanzkrise, wurden ebenso komplett übersehen.

    Wenn Peter Bofinger feststellt, dass die Austeritätpolitik Griechenland nur geschadet hat, dann braucht es 2012 dazu aber keinen Abschluss in den Wirtschaftswissenschaften sondern nur das aufmerksame Verfolgen der Nachrichten.

    Aber Peter Bofinger hat auch einen „bescheidenen Weg“ aus der Krise: das Festhalten an den laut Peter Bofinger im Artikel als „falsch“ bezeichneten prozyklischen Sparprogrammen. Das schafft wirklich auch nur ein Ökonom, dass er sich in zwei aufeinanderfolgenden Absätzen elementar widerspricht. Nun soll bereits der Verzicht auf eine Ausweitung der Sparprogramme Griechenlands Situation verbessern.

    Bei solchen „Sachverständigen“ im „Sachverständigenrat“ muss man sich über die Politik der Regierung Merkel nicht wundern.

  7. Hier noch eine kleine Ergänzung, die ich ähnlich und ausführlicher auch Yanis Varoufakis in seinem blog geschrieben hatte. Auf diesen ARD-Artikel, der wie üblich klingt, man warnt (hier van Rompuy) Griechenland…. http://www.tagesschau.de/ausland/sparprogramm102.html

    wurden reihenweise solche comments veröffentlicht…

    – – – – –
    „Sozialhilfe aus Deutschland?

    Der Deutsche Steuerzahle muss nicht nur in Eigner Heimat, Sozialhilfe Zahlen sondern auch noch an Länder die nicht Wirtschaften können, oh je wo kommen wir da hin wenn der Art jeder Land so eine Forderung stellt,
    ich empfinde das langsam Lächerlich, und unverschämt über so etwas überhaupt zu Diskussion ins Welt zu setzen, am besten wäre das die Griechen Ihre Drachmen wieder bekommen, und das eine ende Diskussion antritt “ Griechenland “

    ———

    Es gibt viele solcher „comments“ unter unzähligen ARD-Beiträgen. Manche weit dreister, wenn auch sprachlich mit weniger Fehlern (und darum geht es nicht hier).

    Nicht veröffentlicht wurde, dabei handelt es sich ausschließlich um Infos von Yanis Varoufakis eine Antwort von mir auf einen user, der 130 Milliarden Hilfe an Griechenland erwähnt hatte, was ein Schritt zu auf „die Griechen“ wäre, und ihnen nützen würde:

    – – – – – –

    „Die“ Griechen werden in keiner Weise profitieren, und es ist kein Schritt auf sie zu. Sie sind einfach, und das ist nur zu verständlich, medial falsch informiert.
    Was passiert mit den 4,2 Milliarden Euro, die Griechenland jetzt wieder „bekam“? Das Geld kommt von der ESFS und wird sofort komplett an die Europäische Zentralbank überwiesen. „Die Griechen“ bekommen gar nichts davon. Diese Politik der Troika, Frau Merkels oder vom EU-Ratspräsident ist entweder eine von Zynikern, die wissen, daß so kein Erfolg kommen kann – oder von Dilettanten. Merkels Austeritätspolitik ist gescheitert.

    Wer ein wenig Hintergrundwissen erwerben möchte, der sei der englisch-sprachige blog vom Ökonomen Yanis Varoufakis ans Herz gelegt, oder „Der globale Minotaurus“. Viel zu lernen!

    Aktuell können nicht wenige griechische Krebs-Patienten ihre Medikamente nicht mehr bezahlen. Quellen finden sie auf englisch überall leicht: etwa hier: digitaljournal.com/article/325955. Leider wenig auf deutsch.

    – – – – – – – – – –

    Wie gesagt – das ist fast wortwörtlich, was Yanis Varoufakis, ökonomisch geschult und natürlich besser, sagt. Und wurde wegzensiert von ARD online.
    Schon seltsam, oder? Mir ist normalerweise völlig egal, ob irgendein comment von mir zensiert würde (kommt fast nie vor), aber hier ist es sehr seltsam. Und ärgert mich schwarz. Habe nachgefragt, Antwort steht aus.

  8. Heute abend, am schwarzen Freitag, nach der Abstimmung für den Fiskalpakt, wird das Merkel mit den Ackermännern die Orgie feiern. „Nehmt mich, gebt mir Tiernamen, nennt mich Erika“, da kocht die Stimmung hoch, wenn sie sich den Hosenanzug vom Leib reisst…..;-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.