Liebe Piraten, wie mache ich das jetzt mit meinem Ebook?

Ich schleppe seit einiger Zeit eine Mischung aus Unwohlsein und Freude über die breite Diskussion um die Piraten mit mir herum, und im Moment kumuliert sie in meinem Kopf zu einem Haufen, den ich gerne abtragen würde. Das hat drei Gründe:

Zum ersten bin ich selbst politisch auf einer hyperlokalen Ebene aktiv – im SPD-Distrikt (der Hamburger Name für „Ortsverein“) Altona-Altstadt – und freue mich gleich dreifach über die Piraten. Sie schaffen es offensichtlich, Nichtwähler wieder für Politik zu interessieren, sie reißen Diskussionsfelder auf, die von vielen langjährigen Mitgliedern der anderen Parteien oft gar nicht als solche verstanden werden (nämlich den Unmut mit der Parteiendemokratie selbst) und sie haben es geschafft, dass in den Diskussionen um Netzfreiheit, Urheberrechte und andere Aspekte der neuen digitalen Öffentlichkeit eine weitere, gewichtige Stimme teilnimmt. Ich freue mich also, dass es die Piraten gibt und darüber, dass sie etwas sagen. Allerdings lässt mich das, was sie sagen und was sie nicht sagen, meist vollkommen ratlos zurück.

Das liegt daran, dass sie zu den Fragen, die sich mir aktuell stellen, entweder nichts zu sagen haben oder es gut verstecken. Dabei sind Fragen dabei, auf die sie Antworten geben können sollten.

Ich habe ein kleines Buch geschrieben, natürlich über Griechenland. Es wird als Ebook erscheinen, (übrigens unter dem Titel „Hände weg von Griechenland“) in einer Reihe von kurzen Ebooks zu Sachthemen. Ich werde dafür hier noch ausgiebig werben, aber für mich war das Besondere eben, dass es in Zukunft möglicherweise einen Markt gibt für Sachbücher, die nur ein Drittel bis die Hälfte eines „normalen“ Buches lang sind. Ich habe viel zu oft Bücher gelesen, die gut angefangen haben, und beim fünften Kapitel stellte man fest, dass die Idee des Autors nur für vier Kapitel gereicht hat. Aber bisher musste man als Autor dann eben noch so viel Zeug dazuschreiben, bis es sich gelohnt hat, das ganze Ding zwischen Buchdeckel zu packen. Ich hoffe, das ist in Zukunft anders. Aber meine Frage ist: Die Piraten fordern, ich solle das „nichtkommerzielle“ kopieren meines Werkes als natürlich betrachten und mir andere Geschäftsmodelle suchen, als das Buch einfach zu verkaufen. Ich zitiere aus den Zielen auf der Webseite der Partei:

Wir sind der Überzeugung, dass die nichtkommerzielle Vervielfältigung und Nutzung von Werken als natürlich betrachtet werden sollte und die Interessen der Urheber entgegen anders lautender Behauptungen von bestimmten Interessengruppen nicht negativ tangiert. Es konnte in der Vergangenheit kein solcher Zusammenhang schlüssig belegt werden. In der Tat existiert eine Vielzahl von innovativen Geschäftskonzepten, welche die freie Verfügbarkeit bewusst zu ihrem Vorteil nutzen und Urheber unabhängiger von bestehenden Marktstrukturen machen können.

Das lässt mich einigermaßen ratlos zurück. Nochmal, ich bin eigentlich eine Art Sympathisant. Mir liegt viel an der ständigen Weiterentwicklung der Demokratie und der gesellschaftlichen Teilhabe. Ich habe sogar den Eindruck, ich trage meinen Teil dazu bei. Ich finde die Behauptung, es herrsche „im Internet“ eine „Kostenlos-Kultur“ falsch und albern. Aber nachdem die Piraten in Deutschland und überall sonst, wo es sie gibt, seit Jahren diese Diskussion führen, ist das der Stand ihrer Forderungen? Ihre Forderung ist, ich soll mir gefälligst was Neues ausdenken?

Nicht ganz. In den Politik-FAQ findet man noch das hier:

Wie sollen die Künstler dann an ihr Geld kommen? – Die müssen ja auch irgendwie leben.

Unter anderem wird die Idee der „Kulturflatrate“ diskutiert. Zusätzlich bieten Konzerte, Fanartikel, Spenden und staatliche Kunstförderung weitere Einnahmemöglichkeiten. Auch andere Modelle werden hier diskutiert.
Die Schallplatte kostete in den 80ern 18 DM, die CD kostete in den 90ern 29,90 DM, heute kostet ein Lied 99 ct. Im gleichen Zeitraum sind die Vervielfältigungskosten hingegen exorbitant gesunken.

Das ist es, was ihnen bisher eingefallen ist? Und was mache ich jetzt? Ich hätte an diesem Punkt längst zwei Dutzend konkrete, miteinander konkurrierende Ideen in der Diskussion erwartet. Bei einem Thema, das offensichtlich ein Kernthema dieser (in Schweden) 2006 gegründeten Partei ist? Das ist echt wenig!

Ich weiß, es steht die Forderung im Raum, einen Runden Tisch mit Urhebern, Verwertern usw. einzuberufen, der Ideen entwickeln soll. Aber hier, ganz konkret in meinem Fall als Urheber bin ich schockiert, wie wenig konkret die Vorschläge bisher sind. Und das ist erst der Anfang.

In meinem Buch geht es um die Frage, ob unter dem Deckmantel der Krise nicht eigentlich die europäische Demokratie abgeschafft wird. In Griechenland ist es so weit, dass die Bürger durch Wahlen keinen Einfluss mehr auf die Politik haben, weil sich die Politiker längst in Verträgen auf eine bestimmte Politik haben verpflichten lassen. Die Gründe dafür sind wirtschaftliche (d.h., Banken, die auf ihr Geld warten). Das ist die Abschaffung von Demokratie, und sie wird von den Regierungen der starken Nationen in Europa gefördert und gefordert. Eine gefährliche Entwicklung. Zu den Piraten findet sich dazu natürlich nichts, wie überhaupt zur Eurokrise, wie überhaupt zu Europa. Ich frage mich, wie lange man sich als junge Partei Zeit nehmen kann oder sogar muss, bis man eine Meinung dazu hat? Die Piraten haben immerhin zwei schwedische Abgeordnete im Europaparlament sitzen.

Und ist es nicht eigentlich so, dass man als tiefenvernetzte Piratenpartei viel schneller die Meinungen der Mitglieder zu einer Parteilinie zusammenfassen kann? Warum dauert es bei den Piraten dann so lang, bis sie mal ein konkretes politisches Ziel benennen? Würde eine politische Festlegung, was man eigentlich im Einzelnen zu Themen denkt nicht auch die unsäglichen Nazidiskussionen ein für alle Mal beenden? Ich glaube nämlich kein bisschen, dass die Partei irgendwo rechtsradikal ist, aber man müsste sich da mal drauf einigen, damit die versprengten Rechtsradikalen austreten oder rausgeworfen werden können. Auf der anderen Seite: Mein unangenehmer Eindruck ist, dass die Freiheit der Piraten bisher auch die Freiheit einschließt, sich für alles gleichzeitig oder entsprechend für gar nichts zu entscheiden. Und „alles gleichzeitig“ schließt eben auch rechtsradikales mit ein. Gar nichts schließt gar nichts aus. Jede Entscheidung für etwas ist schließlich auch eine Entscheidung gegen alles andere, vor allem in der Politik, wo die Abstimmung über einen Antrag letztlich das Werkzeug ist, und Zustimmung oder Ablehnung die einzig möglichen Antworten, auch wenn das unerträglich brutal wirkt angesichts von Diskussionen, innerlichen und äußeren, die in Wahrheit 51 zu 49 stehen und kaum guten Gewissens mit ja oder nein entschieden werden können. Am Ende muss abgestimmt werden. Willkommen im wahren Leben.

Aber das sind offensichtlich die konkreten Probleme einer Partei, die in Wahrheit in ihrer Entwicklung weit hinter ihrem Erfolg zurückbleibt (zum Teil aus meiner Sicht eben gerade auch deshalb, weil sie so unkonkret ist ist und deshalb so viel Fantasie zulässt. Die Piraten sind für jeden das, was er denkt, dass sie es sind) und noch lange nicht im Parteisein angekommen ist. Das wird sich irgendwann alles finden. Wenn wir uns also für einen Augenblick vorstellen, die Partei würde diese Phase relativ gut überstehen und irgendwann tatsächlich Grundsätzliches zur Politik des Landes und Europas beisteuern können. Den Grundsatz der Transparenz zum Beispiel. Wäre größere Transparenz nicht ein riesiger Fortschritt für Europa?

Ich bin sicher, das instinktiv erst einmal jeder zustimmen würde, dass mehr Transparenz für die Politik und für Europa eine gute Sache wäre. Und bei der ersten Nachfrage, in welchem Bereich eigentlich, kämen die meisten von uns ins Straucheln. Was genau ist eigentlich intransparent in Europa? In Deutschland? In der Politik? Wer von uns bekommt eigentlich welche Information nicht? Oder ist es nicht so, dass uns die meisten Informationen einfach gar nicht interessieren? Auf meiner hyperlokalen Ebene der Politik ist es so: Das Problem der Verwaltung eines Bezirks wie Hamburg-Altona (mit 250.000 Einwohnern) ist oft weniger, dass Informationen nicht herausgegeben werden. Es ist eher so, dass zu den allermeisten öffentlichen Veranstaltungen kaum jemand kommt, dass die öffentlichen Papiere on- wie offline praktisch niemand liest und dass es echtes Interesse erst sehr spät im Prozess gibt, wenn die wichtigsten Entscheidungen längst getroffen sind. Das ist verständlich: Wer will sich endlose Anhörungen antun zu Bauvorhaben, die erst in zehn Jahren einmal fertig sein werden? Wer will all die öffentlichen Ankündigungen lesen einfach nur deshalb, weil möglicherweise irgendwann irgendwo etwas dabei ist, mit dem man zutiefst unzufrieden wäre? Transparenz an sich ist sicher richtig, aber wertvoll wird sie ja erst, wenn sie tatsächlich jemand nutzt und all das überprüft, das da transparent gemacht wird.

Das, was die Piraten aus meiner Sicht sein könnten ist also Anstoß geben zu einer neuen Kultur des Teilnehmens an politischen Prozessen. Ein neuer Anlauf in Demokratie, der Versuch, die „etablierten Parteien“ ein Stück weit aus den eingefahrenen Bahnen zu befreien. Das ist der Teil, den ich uneingeschränkt begrüße. Bizarrerweise finde ich die aus meiner Sicht großartigsten Vertreter dieser Kultur allerdings bunt gemischt überall, bisher wegen der kurzen Biografie der Partei natürlich am wenigsten auffällig bei den Piraten. Ich erlebe Menschen, die Jahre und Jahrzehnte lang in Gremien wie dem Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Naturschutz der Bezirksversammlung Altona sitzen und einen guten Job machen, für den sie weder Ruhm noch Anerkennung ernten (aber für drei Stunden plus Vorbereitung gerade mal 21 Euro Aufwandsentschädigung). Es gibt sie unter der Flagge jeder etablierten Partei und auch als Parteilose. Sie sind diejenigen, die tatsächlich mitbekommen, was passiert – weil sie da sind. Sie sind diejenigen, die Transparenz erst wertvoll machen. Sie sind die, die das Versprechen der Piraten wahrmachen. Und sie sind gleichzeitig die, gegen die die Piraten ihre Erfolge einfahren und gegen die sie auch Stimmung machen, nämlich „die Politik“.

In Wahrheit glaube ich, dass die Piraten im Verlaufe ihrer Parteiwerdung ihren Appeal verlieren werden. Und angesichts der Vielfalt von politischer Meinung, die im Moment noch innerhalb der Piraten vertreten wird, angesichts der Tatsache, dass sich dort offenbar bis nach weit rechts verschiedenste Gesinnungen tummeln, bin ich mir auch nicht sicher, ob sich das Projekt als Partei tatsächlich schlau konstituiert hat. Ich glaube, in Wahrheit braucht es für die drei Kernforderungen Transparenz, Teilhabe und eine zeitgemäße Umsetzung von Rechten in der digitalen Welt wahrscheinlich nicht eine Partei, sondern alle. Piraten in allen Parteien sozusagen. Für mich sind die Piraten, wenn ich ehrlich bin, eher eine kulturelle Strömung als eine politische, und so lange sie sich politisch nicht festlegen lassen wollen, so lange sie zu Europa nichts und selbst zum Urheberrecht nichts wirklich zielführendes zu sagen haben, wird das so bleiben. Wenn von den Piraten ein formulierter Vorschlag für neue Urheberrechtsgesetze kommt, wird man sehen, wie weit die Ideen in der Realität tragen.

Ich kann nicht sagen, was danach kommt. Ich halte es nicht einmal für sicher, dass danach etwas kommt. Aber ich hoffe ehrlich, dass die Kultur bleibt und Einzug findet in die Arbeit derjenigen, die sie machen, Piraten oder nicht. Denn selbst wenn man die rechten Spinner und diejenigen abzieht, die nur mal spaßig auf der Erfolgswelle mitschwimmen wollen, sollten da immer noch tausende Piraten, die ernsthaft um eine bessere Demokratie bemüht sind. Ich hoffe, sie bleiben dabei. Auch wenn das zwangsläufig irgendwann heißt, ehrenamtlich elend lange Sitzungen in eher nicht spaßorientierten Ausschüssen hinter sich zu bringen. Wenn dem aber auch nur ansatzweise so sein sollte, dann hätten die Piraten als einzige den Trend zu immer weniger politischer Beteiligung gebrochen, und allein diese Aussicht muss es wert sein, dass die anderen Parteien sie mit offenen Armen willkommen heißen.

Ich hätte aber trotzdem gerne Geld für mein Buch. Das war echt Arbeit.

70 Antworten auf „Liebe Piraten, wie mache ich das jetzt mit meinem Ebook?“

  1. Hallo Jan Richter,
    Es geht doch um den dezenten Unterschied dass ein digitales Buch binnen Sekunden beliebig oft verfielfältigt werden kann. Eine ganz andere Qualität aus das ausleihen/verkaufen eines klassischen Buches.

    Das Kopieren ganzer Papierbücher ist wohl eher selten, eher deren auszugsweise Konvertierung ins von Guttenbergsche 😉

    Allerdings bleibt anzuerkennen dass die Preise für digitale Bücher zu hoch sind, statt dessen sollte billiger mehr Stückzahl verkauft werden. Immerhin haben günstige Preise (damals dank laxem Urheberrecht) die Deutsche Industrialisierung massiv angeschoben…

  2. Willst du mit deinem Buch maximalen Profit machen oder willst du, dass es von möglichst vielen gelesen wird?

  3. Hagen: Ich finde es schade, dass das die Frage sein soll. Bei mir ist das einfach, weil ich von diesem Buch nicht leben muss und es ein Thema betrifft, das mir viel bedeutet. Mir kann das Geld in dem Fall egal sein. Aber das darf ja nicht der Normalfall sein. Warum sollte sich ein Musiker diese Frage stellen? Sollte sich ein Klempner die Frage stellen, ob er das Klo lieber schnell oder gut reparieren soll? Es geht darum, dass angemessen bezahlt wird.

  4. „Ich hätte aber trotzdem gerne Geld für mein Buch. Das war echt Arbeit.“
    Niemand hat Dich beauftragt, zu einem Thema, zu dem wirklich schon alles gesagt ist (aber noch nicht von jedem), ein Buch zu schreiben. Es gibt keinen Markt, aber Du erwartest jetzt Geld, weil Du Dir Arbeit gemacht hast. Und weil der Markt nicht da sein wird, wirst Du schlechte Verkaufszahlen haben, egal ob als Papierbuch, eBook, kostenloser Download. Und jetzt schiebst Du die Schuld daran quasi vorab an die Piratenpartei. Das ist absurd.
    Ich mache etwas absolut überflüssiges ist halt nun mal die Definition von brotloser Kunst.

    Hier muss ich wirklich eine Lanze für Verlage brechen: Wenn die etwas nicht als Papier veröffentlichen (und in Deutschland wird gegenüber allen anderen Ländern extrem viel gedruckt, in den USA nur noch Bestseller), dann haben die das schon als Schrott/Liebhaberei/Unnütz aussortiert. Heute meint jeder, seine geistigen Ergüsse als eBook zu veröffentlichen und dann zu jammern, warum er dafür kein Geld bekommt.

    Angebot und Nachfrage regeln (auch den Kunst-) Markt, nicht die Herstellungskosten.

  5. Zu Europa haben die NRW-Piraten Mitte April einen EINSTIMMIGEN Beschluss gefasst, in dem sie den ESM ablehnen. Leider nahmen nur ein paar Blogs davon Notiz

    http://c-hofmann.blogspot.de/2012/04/piratenpartei-nrw-lehnt-esm-vertrag.html

    Man klagt offenbar lieber über mangelnde Inhalte als die Inhalte, wenn sie denn endlich da sind, zur Kenntnis zu nehmen!

    Was dein Buch angeht: ob es gekauft werden wird, liegt gewiss wesentlich am Preis. Ein Kurz-E-Book zu verlagsüblichen Preisen wäre wohl kaum ein Erfolg, aber im Preis-Segment bis 3 Euro (in dem viele Kindle-Bücher vermarktet werden) hätte es durchaus Chancen – entsprechende Werbung/Bekanntmachung durch dich voraus gesetzt.

    Ich sehe die piratische Vorstellungen zur digitalen Kopie im wesentlichen als Impuls, das Teilen & Downloaden zu entkriminalisieren (es ist definitiv eine miese Entwicklung, dass es für Musik-Verwerter derzeit oft lukrativer ist, Abmahnungen zu versenden, als ihre Musik bequem als Einzeltitel preiswert zu vermarkten). Gleichzeitig scheint es aber auch breiter Konsens zu sein, dass die Urheber für ihre Arbeit bezahlt werden sollen, sofern es Nachfrage gibt.

    Wie aber nun? Ich setze da auf Bequemlichkeit und Einsicht der Interessenten: wer wird denn ein Buch auf irgendwelchen evtl. Viren/Trojaner-verseuchten Portalen downloaden, wenn es auch bequem, preiswert und gesellschaftlich akzeptiert über sichere und attraktive Wege zu haben ist? Doch nur jene, die es sich sowiese nie kaufen würden….(und gegen die hätte ich als Autorin nicht wirklich was: sind ein paar Leser mehr…).

    Die Kreativität, sich was auszudenken, um den kostenpflichtigen Erwerb zu promoten, wäre doch eigentlich der Job der Verwerter bzw. der Autoren, wenn sie es selber machen. Doch mir scheint, viele verwenden statt dessen ihre ganze Kraft darauf, den Status der alten Printwelt mit aller Kraft „in Digitalien“ zu verteidigen – ein Armutszeugnis!

  6. Bei gedruckten Büchern (im weiteren: Buch) haben sich über die Jahre Preise gebildet. Aufgrund der Kosten und Gewinnerzielungsabsichten einerseits und dem Wert und Mitteln andererseits. Die Kosten für die Erstellung und den Satz des Inhalts unterscheiden sich nicht signifikant, ob Buch oder eBook. Für die Herstellung des Buches, die Lagerung, den Transport, den Regalplatz im Handel entstehen Kosten, die weit höher sind, als die vergleichbaren Kosten eines eBooks. Es besteht bei Büchern auch das Risiko, das Exemplare beschädigt, verloren oder gestohlen werden. Oder eher selten, dass eine Auflage nicht (mehr) verkauft werden darf. Und ich muss einen Batch, eine Charge, eine Auflage auf einmal finanzieren. Dafür kann ich mir ein Buch ins Regal stellen, verleihen und auch weiterverkaufen (ich habe viele Bücher, die ich für die Uni brauchte gebraucht gekauft und viele neue und gebrauchte wieder verkauft).

    Ins Regal stellen, verleihen oder weiterverkaufen kann ich (die meisten) eBooks nicht. Bei vielen Marktplätzen sind sie sogar an ein „Wiedergabegerät“ gekoppelt. In führenden Marktplätzen kann man nicht einmal einzelne Abschnitte in eBooks markieren und kopieren, um sie zu zitieren. Es wurden sogar schon gekaufte und bezahlte eBooks den Kunden vom Reader gelöscht, weil der Verkäufer Probleme mit der Lizenz hatte.

    Meiner Meinung nach muss der Preis für eBooks deshalb auch deutlich günstiger sein, als der eines Buches. Ich finde Dein Buch zu teuer. Die Steve Jobs Biografie von Walter Isaacson beispielsweise kostete in Deutschland € 24,90, sowohl als Buch, als auch als eBook. Eigentlich unfassbar. Das englische Original-eBook hat bei iTunes € 9,99 gekostet – das war es mir wert.

    eBooks könnten leicht die Vorteile, die in ihrer Beschaffenheit liegen, auch nutzen. Warum kann ein eBook nicht über die Zeit billiger werden? Oder beim gleichbleibenden Preis laufend aktualisiert werden? Warum muss ich für die erweiterte Neuauflage i.d.R. das eBook nochmal vollständig bezahlen? usw. usf.

  7. Ich finde, Hagens Frage hat durchaus ihre Berechtigung. Denn die Antwort ist eine Vorentscheidung über sinnvolle Vermarktungsstrategien. Wenn man sich für maximalen Profit als Ziel entscheidet, dann sollte man vielleicht davon Abstand nehmen, sich als Urheber zu betätigen, sondern stattdessen lieber einem einträglicheren Gewerbe nachgehen, z.B. Immobilienmakler.
    Michalis, Sie widersprechen sicher der Polarisierung zwischen diesen beiden Alternativen Profitmaximierung/Reichweite. Ihnen schwebt vor, dass man sich nicht dazwischen entscheiden muss. Ich sehe bei Urhebern zwei Positionierungen zu dieser Frage:
    1. Entscheidung für maximale Reichweite, verbunden mit dem Wunsch, dass man von seinem Schaffen leben können sollte. Ich nenne die Position Sendungsbewusstsein. Denn der wirtschaftliche Ertrag dient dem Urheber dazu, weitere Werke zu schaffen (und davon zu leben) – und das ist es, was er eigentlich will.
    2. Entscheidung für maximale Reichweite, verbunden mit dem Anspruch, dass je größer die Reichweite, desto größer auch der verdiente (gerechte) Profit. Ich nenne die Position Vereinigungstheorie. Sie hängt eng zusammen mit einer Vorstellung von Leistungsgerechtigkeit (größere Leistung = mehr Geld) und Leistungsmessung durch den Markt (größere Nachfrage = mehr Leistung). Außer Acht bleibt dabei, dass die Nachfrage von verschiedenen Faktoren bestimmt wird, darunter etwa Preis und Werbung, so dass sich der Profit NIE linear zur Reichweite entwickelt.
    Die dritte mögliche Positionierung ist mir bei Urhebern unbekannt, ich kann sie mir eigentlich auch nur bei Verwertern vorstellen, womöglich noch bei Urhebern mit Verwerterperspektive:
    3. Entscheidung für maximalen Profit, selbst auf Kosten der Reichweite. Das gilt etwa für die Anfertigung von Einzelstücken oder streng begrenzten Produktmengen. Wenn man das als Ziel definiert, dann gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sein Produkt vor digitaler Vervielfältigung zu schützen. Was es nicht gibt, ist die Möglichkeit zum Schutz vor digitaler Vervielfältigung bei gleichzeitiger Orientierung auf einen digitalen Massenmarkt. Das wäre nur auf Kosten radikaler On- und Offline-Überwachung realisierbar.

  8. „Niemand hat Dich beauftragt, zu einem Thema, zu dem wirklich schon alles gesagt ist (aber noch nicht von jedem), ein Buch zu schreiben. Es gibt keinen Markt, aber Du erwartest jetzt Geld, weil Du Dir Arbeit gemacht hast.“

    was soll das ? er will sein buch verkaufen, er muss sich doch trotzdem dem markt stellen, was soll der unsinn ? keiner kauft ein buch, WEIL es TRADITIONELL verlegt worden ist. käufer braucht(e) man auch in der „analogen“ welt.

    aber uns urhebern soll ein vertriebsweg aufgezwungen werden, weil, „alte“ geschäftsmodelle nur um den preis der totalen überwachung funktionieren würden.
    dabei kann ich zb meine musik schon jetzt völlig easy über iTunes vertreiben. ich kann heute mittag auf meiner gitarre klimpern, und übermorgen ist das im iTunes shop….
    keiner wird daran gehindert bücher zu schreiben, musik zu machen und dies zum download frei zu geben.
    WO IST DAS PROBLEM ?

    die ganze urheberdebatte geht vielmehr darum, dass etliche nutzer produkte nutzen wollen, ohne dafür zu bezahlen. vielen fehlt der respekt vor kreativen produkten, und das verlogene dabei ist, dass dies noch unter dem fadenscheinigen argument passiert, die urheber von den fesseln der „contentmafia“ zu befreien.
    was für eine verlogene szenerie, aber „theoretische phrasendrescherei“ kennen wir ja schon von den etablierten parteien….insofern nicht wirklich neues, leider

  9. SvenR:

    eBooks könnten leicht die Vorteile, die in ihrer Beschaffenheit liegen, auch nutzen. Warum kann ein eBook nicht über die Zeit billiger werden?

    Weil die Buchpreisbindung in Deutschland auch für E-Books gilt.

    Oder beim gleichbleibenden Preis laufend aktualisiert werden?

    Genau das mache ich, und viele andere Independent-Autoren aus dem Sachbuchbereich ebenso.

  10. @ebookautorin: Da sieht man wieder einmal, wie einstmals gut gemeinte und gemachte Gesetze mit der Zeit zu echten Ärgernissen werden können…

  11. @ebookautorin: Ich hab‘ noch mal ein wenig recherchiert. Erstens ist die Preisbindung für eBooks nicht so glasklar geregelt, wie der Börsenverein des Buchhandels es behauptet. Zweitens sagt selbst der Börsenverein, das eBooks mit Multimediainhalten gar nicht der Buchpreisbindung unterliegen (zwinker). Drittens kann man selbstverständlich den Preis eines Buches im Laufe der Zeit verändern. Das Buch muss nur überall den gleichen Preis haben.

  12. Günter Bach schreibt: „“Ich hätte aber trotzdem gerne Geld für mein Buch. Das war echt Arbeit.”
    Niemand hat Dich beauftragt, zu einem Thema, zu dem wirklich schon alles gesagt ist (aber noch nicht von jedem), ein Buch zu schreiben. Es gibt keinen Markt, aber Du erwartest jetzt Geld, weil Du Dir Arbeit gemacht hast. Und weil der Markt nicht da sein wird, wirst Du schlechte Verkaufszahlen haben, egal ob als Papierbuch, eBook, kostenloser Download. Und jetzt schiebst Du die Schuld daran quasi vorab an die Piratenpartei. Das ist absurd.“

    Ich verdiene mein Geld mit Schreiben, ich schreibe Sicherheitsgutachten. Ich werde dafür beauftragt. Vorher. Nie würde ich mit einem Gutachten beginnen, ohne dafür beauftragt zu sein. Ich kann nicht einfach ein Gutachten schreiben und dann zur Firma gehen und sagen: „Hier ist das Gutachten, das war echt Arbeit, gebt mir Geld dafür.“ Die Firma würde mir einen Vogel zeigen.

    In der digitalen Dimension ist das Kopieren und Weitergeben von Dokumenten sehr einfach. Ein PDF, ein MP3 ist mit wenigen Mouseclicks an einen Freund verschickt, ohne das das „Original“ (das in Wirklichkeit schon längst die Kopie einer Kopie einer Kopie ist) deswegen verschwindet. Die Eigenschaft der Realen Welt, dass Dinge nicht mehr da sind, wenn man sie weg gibt, lässt sich nur mit immensem Aufwand nachbilden. Daran sind schon viele gescheitert.
    Die einzige Chance, in der digitalen Welt Geld zu machen, ist den Kauf direkt vom Vertreiber so einfach und komfortabel (und günstig) zu machen, dass keiner da länger darüber nachdenkt. Besonders wenn man Zusatznutzen dazu packt. Man erwirbt eine lebenslange Lizenz und kann das Werk beliebig oft herunter laden ohne sich über eine sichere Speicherung Gedanken machen zu müssen. Und wenn man das Werk weiter empfiehlt, hat jeder die Möglichkeit, genauso einfach so eine Lizenz zu erwerben. Nur dann kann man darauf hoffen, signifikant Geld mit dem Werk zu verdienen.

    Das sind die Gegebenheiten, über die sich jede Schaffende klar sein muss. Ja, das eigene Werk hat einen Wert. Aber der eigene emotionale Wert kann radikal vom tatsächlich erzielbaren Einkommen abweichen, in beide Richtungen. Dumme kleine Musikstücke oder Videos, zur eigenen Freude und zum Wegwerfen produziert haben Millionen gebracht, aufwändig produzierte Stücke sind gefloppt.

    Eines ist klar: wer beginnt über den Wert der eigenen Stücke nachzudenken, fällt leicht in eine Gier-Falle. Das hat doch einen Wert, da muss ich doch Geld dafür bekommen können. Die Gier verstellt nur leider den Blick auf die Realität: vieles andere ist auch so viel wert und wird großzügig verschenkt. In Blog- und Forums-Kommentaren finden sich Perlen, die die wenigsten Säue zu schätzen wissen. Und nein, ich spreche nicht von meinem Eintrag, der hat mich nur Zeit gekostet und ich denke nicht über seinen Wert nach…

  13. @mikis
    Ich glaube, dass Hagen eine fundamentale Frage in den Raum geworfen hat. Kunst ist nur so viel Wert, wie es der Macher bestimmt und zwar in finanzieller und kultureller Hinsicht. Der Wert, den diesem Werk dann andere beimessen ist der Preis, der sich an der Nachfrage orientiert. Es sind zwei verschiedene Dinge.

  14. @Roland Giersig:
    1. Der Vergleich von Sicherheitsgutachten und Büchern im Allgemeinen ist schon bemerkenswert, allerdings hinkt auch dieser Vergleich. Die Firma hat eventuell gute Gründe dir einen Vogel zu zeigen. Denn wenn sie etwas nicht will, dann will sie es nicht. Genauso hat der Kunde doch das Recht die Werke von Herrn Pantelouris zu schmähen. Oder wurden sie von bösen Mächten dazu verdonnert das Ding zu kaufen? Wenn man den Vergleich zu Ende denkt bleiben dem Autor dann zwei Möglichkeiten über: entweder er verschenkt sein Werk oder er lässt sich, wie bei Sicherheitsgutachten, von Unternehmen und oder privaten Förderern Geld geben. Was das zur Folge hätte, mag man sich gar nicht ausmalen.
    2. Dann von einer Gier-Falle der Autoren zu sprechen finde ich ebenso dreist, wie verlogen. Blog-Einträge, die „Perlen“, wie sie sie nennen, werden eben bewusst verschenkt. Und wenn Herr Pantelouris sich entscheidet sein Werk für Geld mit einem Verlag anzubieten ist das doch wohl sein mehr als gutes Recht. Gierig sind in meinen Augen wohl eher diejenigen Menschen die sich kostenlos unendlich viele Filme, Bücher, etc. runterladen. Wenn ich das Geschäftsmodell von McDonalds kacke finde, dann boykottiere ich es und klaue nicht 100 Hamburger. Seit wann bestimmt der Kunde, also sie, wieviel etwas Wert ist? Oder lassen sie sich gerne von ihren Unternehmen als gierig beschimpfen, weil sie Geld für ihre Gutachten nehmen?

  15. @Philipp
    Ich bin mir nicht sicher, ob meine Nachricht angekommen ist. Unter Punkt 1. sieht es so aus: „Genauso hat der Kunde doch das Recht die Werke von Herrn Pantelouris zu schmähen.“ Aber vielleicht doch nicht, da unter Punkt 2. steht: „Seit wann bestimmt der Kunde, also sie, wieviel etwas Wert ist?“

    Es ist so: unsere Gesellschaft wäre ohne kulturelle Werke ärmer, wesentlich ärmer. Daher ist die Förderung von Kultur wichtig und richtig. Nur: jedes einzelne der kulturellen Werke ist entbehrlich, das darf man nicht vergessen.

    Um auf die Frage zurück zu kommen: Schon immer bestimmt der Kunde den Wert, das ist ein Grundprinzip der freien Marktwirtschaft! Und das ist mein Punkt, den ich durch den Vergleich mit dem Gutachten herauszuarbeiten versucht habe.

    Kulturförderung sieht sich mit einem Überangebot konfrontiert. Wie soll man das Geld verteilten? Soll jeder kulturell Schaffende etwas bekommen? dann bekommt jeder nur ein paar Cent, zu wenig, um davon leben zu können. Oder man finanziert einige wenige so, dass sie davon leben können. Dann gehen viele leer aus und müssen sich auf dem freien Markt finanzieren. Wo sie das Problem haben, dass der Kunde den Preis bestimmt…

  16. Lieber Autor,

    wenn Du ein Buch schreibst, mit dem Du Geld verdienen möchtest, solltest Du Dich vorher bei einem Verlag erkundigen, ob daran Interesse besteht. Blind darauf losschreiben und sich dann beklagen, dass das Werk kein Bestseller wird, ist kindisch.

    Da sich dafür entschieden wurde, dass das Wirtschaftssystem eine Marktwirtschaft ist, muss Dein Buch eben zu einem Markt passen. Allerdings gibt es inzwischen viele Book on Demand-Verlage, die nun wirklich alles veröffentlichen, ohne vom Autor einen Druckkostenvorschuss zu verlangen.

    Natürlich kannst Du Dich auch dafür entscheiden, ein Buch zu schreiben, wofür es keinen Markt gibt (oder vermutet wird). Dann kannst Du allerdings auch nicht erwarten, damit Geld zu verdienen. Und möglicherweise findest Du auch keinen Verlag und kannst es nur selbst verlegen bzw. kostenlos (oder kostenpflichtig) selbst zum Download anbieten.

    Viele Autoren schreiben Bücher, mit denen sich kein Geld verdienen lässt. Insbesondere Doktoranden müssen ihre Doktorarbeit veröffentlichen, um den Doktorgrad verliehen zu bekommen. Dazu müssen sie oft viel Geld bezahlen, da sie neben Druckkostenvorschuss auch noch Pflichtexemplare an die Bibliothek abliefern müssen.

    Es gibt eben einen Unterschied zwischen Tauschwert und Gebrauchswert. Nur weil ein Buch sich nicht verkaufen lässt, kann es dennoch einen hohen Gebrauchswert haben. Und vieles, was sich verkaufen lässt, hat keinen literarischen oder wissenschaftlichen Wert (z.B. Sarrazin).

    Im Übrigen, auch die Autorin der Harry-Potter-Romane hat blind darauf losgeschrieben und dann erst einen Verlag gesucht. Tatsächlich hat sie sämtliche Verlage in Großbritannien abgeklappert und hat nur Ablehnungen erhalten ,bis schließlich ein kleiner Verlag im Buch Potenzial gesehen und aufgenommen hat. Dass Harry-Potter dann so ein Weltbestseller wurde, konnte aber niemand erwarten. Statt jetzt die reichste Frau Großbritanniens zu sein, hätte sie weiterhin auch eine arme Unbekannte bleiben können.

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