Was wir schreiben, wenn wir vermuten, Jörg K. wäre unschuldig

Die Unschuldsvermutung ist eine großartige Errungenschaft: Bis zum Beweis des Gegenteils muss das Rechtssystem jeden Verdächtigen behandeln, als wäre er unschuldig. Das System, wie gesagt. Menschen können das praktisch nicht. Unser Gehirn ist nicht dafür gebaut, jemanden zu verdächtigen und gleichzeitig für unschuldig zu halten. Wer deshalb liest, dass ein bekannter Fernsehmoderator wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung in Untersuchungshaft genommen wurde, der wird ihn verdächtigen. Das heißt: Er wird ihm eine Schuld unterstellen. Vielleicht zu recht. Aber noch müssen wir der Fairness halber davon ausgehen, dass sich diese Geschichte ganz anders drehen kann. Dass K. unschuldig ist. Aber natürlich zeigt die Geschichte des zu unrecht wegen Vergewaltigung angeklagten TV-Moderators Andreas Türck, dass auch eine widerlegte Anschuldigung die Karriere eines Fernsehmannes zerstören kann.
Das also war die Situation der beteiligten Kollegen gestern: Sie hatten die Meldung vorliegen, dass K. wegen des Vorwurfs in Haft genommen wurde – in Haft in diesem Fall, weil er keinen festen Wohnsitz in Deutschland hat (was aus Sicht eines Haftrichters automatisch die Fluchtgefahr erhöht). Denn noch ist Jörg K. unschuldig. Die Untersuchungshaft bedeutet auch nicht, dass der Tatverdacht besonders dringend ist, wie manche Leser glauben. Nach dem Motto: „Sonst würden die ihn doch nicht einsperren!“ Doch, würden sie. Flucht- oder Verdunklungsgefahr sind Haftgründe. Mehr heißt das nicht.

Das ist die Situation, in der die Kollegen gestern quasi kollektiv entschieden haben, dass man diese Meldung, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dann das Ende der Karriere von Jörg K. bedeutet, wenn er unschuldig sein sollte, unbedingt drucken und senden muss. Widersetzt haben sich dem praktisch nur die Kollegen der Tagesschau, und die müssen dafür heute zum Beispiel auf Meedia anhören, sie pflegten eine „Vogel-Strauß-Taktik“. Wörtlich wird dort argumentiert:

„Die Alternative wäre eine Absprache zum kollektiven Nicht-Berichten. Aber dies geht an der Realität vorbei. Ein bekannter Fernsehmann, der in U-Haft sitzt, ist eine Geschichte, die zu gut ist, als dass sie irgendein Medium, eine Boulevardzeitung zumal, liegen lassen würde.“

Kurz gesagt: Wenn sich alle wie Schweine verhalten, muss man sich eben auch wie ein Schwein verhalten. Und wenn die Tagesschau es nicht tut, dann macht sie ihren Job nicht richtig. Dieser Vorwurf ist so unvorstellbar abstrus, dass es mir schwer fällt, den Gedanken überhaupt nachzuvollziehen.
Der Meedia-Artikel von Stefan Winterbauer endet mit folgendem Absatz:

Ein Kommentator im Tagesschau Blog bringt es auf den Punkt: „Als Tagesschau und Tagesthemen genießen Sie höchste Glaubwürdigkeit, Sie sind Vorbild für seriöse Berichterstattung. K. ist durch seine Beiträge ein Gesicht Ihrer Nachrichtensendungen. Dazu nicht irgendeines, sondern eines der bekanntesten. Wenn dieses Gesicht nun überraschend aufgrund von K.s Inhaftierung nicht mehr auf dem Bildschirm zu sehen ist, haben die Zuschauer ein Recht, aus erster Hand zu erfahren, warum. Dazu hätte ich mir eine kurze, präzise, seriöse, zurückhaltende Meldung gewünscht. Eine, die dem Boulevard zeigt, wie es auch geht. Die einen Maßstab setzt.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wenn das eine ernst gemeinte Argumentation sein sollte, ist es atemberaubend. Der Reihe nach wird hier also als wahr hingestellt, dass

– ausgerechnet die Tagesschau – eben weil sie so seriös ist – die Geschichten, die man anständigerweise nicht bringt, bringen soll.
– der Zuschauer ein Recht darauf hat, zu erfahren, warum eines der bekanntesten Gesichter vom Bildschirm verschwindet, und zwar offenbar an dem Tag, an dem das mögliche „Verschwinden“ sich in irgendeiner Art materialisiert.

Wenn also eines der bekanntesten Tagesschau-Gesichter krank wird und deshalb möglicherweise für einige Zeit oder für immer vom Bildschirm verschwindet, dann soll die Tagesschau bitte darüber berichten. Wenn die Gesichter Urlaub machen bitte auch. Und das alles bitte zwischen den sauber abgestimmten Berichten über all das, worüber die Boulevard-Medien in Bezug zumindest auf ARD-Moderatoren gerade herziehen. Hat nicht Jens Riewa mal gesagt, diese oder jene Schlagersängerin wäre eine „Granate im Bett“? Das zum Beispiel hätte man doch in der Tagesschau aufgreifen und in eine viel seriösere Nachricht umformulieren müssen, oder nicht?

Wenig überraschend ist die Antwort: nein, hätte man nicht.

In diesem Fall hat eine Medienmeute zu Ungunsten eines Kollegen ziemlich schändlich versagt. Wenn sich herausstellt, dass Jörg K. schuldig ist, dann gäbe es noch eine Menge Möglichkeiten, über den Fall zu berichten. Aber wenn sich der Fall Türck wiederholen sollte, dann hätte die Branche einmal mehr einem Kollegen aus einem niedrigen Reflex heraus das Leben zerstört. Weil man eben dabei sein wollte, als es alle gemacht haben. Das ist die eine Sache. Sie ist tatsächlich Realität, aber richtig ist sie deshalb noch lange nicht.

Dafür auch noch zu argumentieren und den wenigen redlichen Kollegen, die den Schmutz nicht mitmachen, Versagen vorzuwerfen, ist abenteuerlich. Winterbauer argumentiert

Aber spätestens, als K.s Anwalt sich öffentlich zur Sache geäußert hat, war der Fall ein Thema für jedes Medium.

Die „öffentliche“ Einlassung von K.s Anwalt war die Aussage, dass die Vorwürfe gegen seinen Mandanten frei erfunden sind. Nach Winterbauers Logik würde es in Zukunft also reichen, dass irgendein Mensch aus welchen Gründen auch immer einen juristisch relevanten Vorwurf gegen einen Prominenten erhebt. Dann ruft man dessen Anwalt an, und sobald er das dementiert hat man eine Geschichte. Das wäre natürlich für großartige Headlines gut: „Bundeskanzlerin bestreitet, den Eisbären Knut entführt zu haben!“ Aber journalistischen Grundsätzen entspricht es deshalb noch lange nicht.

Was auch immer in der Beziehung von Jörg K. schiefgelaufen ist, natürlich hat niemand von uns „ein Recht darauf“, es zu erfahren. Im Gegenteil: Jörg K. und seine Freundin haben zunächst einmal ein Recht darauf, dass es ihre Sache bleibt. Und wenn ihnen dieses Recht von den Medien genommen wird, wäre es die Aufgabe von Medienjournalisten, das anzuprangern. Oder, sagen wir es so: Dem wäre viel hinzuzufügen gewesen.

Nachtrag: Und was ich hier kompliziert und weitschweifig zu erklären versucht habe, bringt Stefan Niggemeier in klaren, geraden Sätzen aufs, na, Dings, nicht Papier halt. Deshalb empfehle ich es erst ganz am Ende meines Textes: Von Unschulds- und anderen Vermutungen.

72 Antworten auf „Was wir schreiben, wenn wir vermuten, Jörg K. wäre unschuldig“

  1. Siehe Michael Jackson. Abartige Skandalgeilheit. „Im Zweifel für den Angeklagten“ ist tatsächlich ein Prinzip, das man sich immer wieder bewusst machen sollte.

  2. Winterbauers ständige Nörgelei ist seit jeher nur höchst schwer zu ertragen, ein Prädikat das übrigens viele Schreiber der Fachpresse verdienen, bei Winterbauer ist es nur besonders auffallend ausgeprägt. Ist – meiner Meinung nach – keine Charakter-, sondern eher eine Frage der Fertigkeiten: Es war schon immer viel leichter, jemanden seitenlang in Grund und Boden zu schreiben als ihn in nur einem Satz zu loben.

    Tja, und wegen Kachelmann: Wenn nicht binnen Wochenfrist eine hieb- und stichfeste Rehabilitation daherkommt, dann wird er nie wieder die Leiter rauf- und runterkraxeln.

    Schade, ich mochte den immer gerne …

  3. Lieber Michalis,

    da kann ich Dir diesmal nicht folgen. Bist Du wirklich der Ansicht, dass Verdachtsberichterstattung grundsätzlich zu unterbleiben hat? Dass über Ermittlungen, Strafverfahren, Verhaftungen grundsätzlich nichts geschrieben oder gesendet werden darf? Du schreibst: „Wenn sich herausstellt, dass Jörg K. schuldig ist, dann gäbe es noch eine Menge Möglichkeiten, über den Fall zu berichten.“ Findest Du wirklich, dass also auch niemals über Prozesse, sondern erst über Urteile berichtet werden sollte? Willst Du also den Lesern damit auch alle Gerichtsreportagen bis nach der jeweiligen Urteilsverkündung vorenthalten? Denn das würde Deine Argumentation ja logischerweise im Endeffekt bedeuten.

    Natürlich, die Medien müssen verantwortungsvoll mit einer solchen Situation umgehen – sicher anders, als es viele Kollegen im Fall Türck getan haben. Das ist aber, soweit ich das beurteilen kann, im Fall Kachelmann auch geschehen. Es wurde überall darauf hingewiesen, dass allein die Fluchtgefahr der Haftgrund ist. Und die Anwälte Kachelmanns und Sprecher seiner Firma wurden überall zitiert. Von einer Vorverurteilung kann also keine Rede sein.

    Dass Du verlangst, die Medien sollten zu Ermittlungen gegen oder Verhaftungen von Prominenten (seien sie nun Politiker, Unternehmer, Showbizleute oder meteorologische Autodidakten) grundsätzlich schweigen, das kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.

    Die Verhaftung eines prominenten Fernsehmannes, daran gibt es nun wirklich ganz und gar nichts zu deuteln, ist eine Nachricht. Und so sollte sie von uns Journalisten auch behandelt werden. Übrigens auch von der Tagesschau.

    Herzlichen Gruß,
    Jens

  4. Lieber Jens,

    ich würde doch gern deuteln: Die Verhaftung eines prominenten Fernsehmannes ist eine Nachricht, aber nur nach den Gesetzen des Marktes, nicht nach journalistischen Grundsätzen. Ich weiß, dass es die allermeisten Kollegen nicht tun, aber es wäre im Prinzip abzuwägen das öffentliche Interesse daran, vom Verdacht der Vergewaltigung gegen eine relative Person der Zeitgeschichte zu erfahren (und lebensnah muss man sagen: natürlich gibt es das Interesse), der Privatsphäre dieser Person und dem potenziellen Schaden, den die Berichterstattung hervorruft. Genau wie Hamburger Lokalzeitungen bis heute nicht über die Höhe der Beute von Taxi- oder Tanstellenräubern berichten, um niemanden zur Nachahmung zu animieren, muss es auch bei anderen „Nachrichten“ eine Abwägung geben, welche Information im Öffentlichen Interesse so viel höher steht, dass deswegen negative Folgen in Kauf genommen werden müssen.

    Der bloße Verdacht gegen einen Fernsehansager rechtfertigt nicht, sein öffentliches Leben zu zerstören. Da widerspreche ich dir völlig. Natürlich lässt sich die Nachricht gut verkaufen, aber das ist keine journalistische Kategorie. Natürlich gibt es ein Interesse in der Öffentlichkeit, aber das ist keine journalistische Kategorie. Das Öffentliche Interesse ist das Interesse der Gesellschaft daran, unter offenen, transparenten Bedingungen zu leben. Diese Bedingungen verschlechtern sich kein bisschen, wenn wir von dem Fall K. erst während eines öffentlichen Gerichtsprozesses erfahren.

    Verdachtsberichterstattung ist nicht in jedem Fall falsch. Wenn gegen einen Abgeordneten wegen eines Anfangsverdachts ermittelt wird, dann muss das Thema der Berichterstattung sein, weil das Öffentliche Interesse an dem Fall ungleich höher ist – die Gesetzgebung ist möglicherweise direkt betroffen. Aber hier?

    Nach deiner Definition ist natürlich auch ein Sex-Video von Paris Hilton eine Nachricht. Und, nochmal, das ist sie nur nach Marktgesichtspunkten. Und die mögen erdrückend stark sein, aber ihnen nachgeben heißt in diesem wie in vielen anderen Fällen trotzdem, einem Menschen unrecht zu tun (ich möchte hier gar nicht den Eindruck erwecken, dass ich das in meiner nun doch schon ein paar Jahre andauernden Karriere nie getan hätte. Es fände sich sicher ein Fall irgendwo). Richtig perfide finde ich in diesem Fall vor allem, den Kollegen bei der Tagesschau, die ganz einfach alles richtig gemacht haben, handwerkliche Fehler zu unterstellen. Und das ist falsch. Die Fehler machen in dem Fall alle anderen, ganz einfach für Geld.

    Liebe Grüße aus der Schanze, danke für deinen Kommentar und auf hoffentlich bald mal,

    mp

  5. @ Mikis: Okay, bedingt kann ich Dir folgen – wenn Du den Unterschied zwischen (womöglich bloß voyeuristischem) Interesse der Öffentlichkeit und öffentlichem Interesse betonst.

    Andererseits ist diese Argumentation meines Erachtens nicht wirklich stichhaltig. Der Tod prominenter Schauspieler wird ja auch in der Tagesschau vermeldet – ein wirkliches öffentliches Interesse gibt es daran aber ja wohl (nach der von Dir genannten Definition) auch nicht, oder? Insofern ist diese definitorische Aufteilung wirklichkeitsfremd und nicht alltagstauglich.

    Die andere Frage ist, wo Du die Grenze ansetzt, ab der Berichterstattung Deines Erachtens statthaft wäre. Im Kommentar schreibst Du jetzt, dass man während eines „öffentlichen Gerichtsprozesses“ berichten dürfe. Zu Beginn eines Prozesses gilt aber immer noch die Unschuldsvermutung. Insofern widersprichst Du Deiner These aus dem Blogeintrag, wonach erst berichtet werden soll, wenn klar sei, dass K. schuldig ist. Schwierig, schwierig, gell? 😉

    Paris Hilton läuft in meinem Fernseher übrigens weder mit täglichen Wettervorhersagen noch mit Sex-Videos vor oder nach den Tagesthemen. Sie moderiert auch keine öffentlich-rechtlichen Talkshows. Und das ist auch gut so.

    Bald ein Schanzen-Bierchen!

    Saludos,
    Jens

  6. Ich stimme diesem Artikel zu, alleine schon, weil ich mich noch gut an den Fall Türck erinnern kann. Viele Zeitungen haben ihn schon vor und während des Prozesses durch den Dreck geschrieben, und als sich dann herausstellte, dass er unschuldig war, hat es kaum für ’ne größere Meldung gereicht, wenn ich mich recht erinnere.
    Ich sehe auch Parallelen zu der Story um die HIV-infizierte Popsängerin, obwohl man da anfangs ihren Namen noch geheim halten konnte.

    Warum ging das da eigentlich? Ich meine, auch wenn’s noch so kurz war.

  7. @heiko: in dem Fall hatte ausgerechnet der Staatsanwalt den Namen verraten. Und es ging um gefährliche Körperverletzung durch ungeschützten Sex.

    @Jens: natürlich gibt es öffentliches Interesse an dem leben und sterben von prominenten, aber wir reden hier über den Verdacht einer Vergewaltigung, für die er im Falle seiner schuld sicher zu recht geächtet würde, aber es bleibt im Falle seiner Unschuld zu viel kleben. Gerichtsprozesse nehmen dieses übel ja auch nur zugunsten einer transparenten Rechtsprechung in Kauf, und nur, weil sie der Ort und die zeit sind, an der auch die Verteidigung gehört wird.

    Entschuldigt die iPhone-Rechtschreibung. Bin unterwegs.

  8. Zur Erläuterung für die, die den Kodex nicht auswendig kennen:

    Richtlinie 8.1 – Nennung von Namen/Abbildungen
    (1) Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (s. auch Ziffer 13 des Pressekodex) veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Mit Rücksicht auf ihre Zukunft genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen.

  9. Ich vermag nicht zu erkennen, warum eine Berichterstattung über Hernn K. tabuisiert gehört und kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man für die eigene Branche Schutzmechanismen einfordert, die man bei Politikern, Showsternchen oder ähnlichen Prominenten nicht unbedingt für erforderlich hält. Ich konnte aus dem öffentlich-rechtlichen Medien keine Sensationsgeilheit entdecken. Eine Berichterstattung, dass es einen verdacht gibt, impliziert nicht, dass dieser berechtigt ist.

  10. @Jens Wie du es schon gut erkannt hast: es ist immer eine Einzelfallentscheidung. Im Fall Türk und auch in diesem Fall geht es um Mensch, die „von der Öffentlichkeit und in ihr (teilweise) leben“. Im Fall Zumwinkel und anderen, ähnlich gelagerten Fällen geht es um Personen, deren Person nicht öffentlicher Gegenstand ist. Der Fall Tauss ist den Medien zum Beispiel ähnlich (gewollt) Misslungen wie die beiden hier schon erwähnten.

  11. Ich meine die Nachricht „K. am Flughafen verhaftet“ – ja. Über alles weitere, wie Gegenstand, Einzelheiten, Beteiligte dürfte frühestens nach dem Haftprüfungstermin berichtet werden. Erst dann ist eine Festnahme be-/überprüft, bzw der Beschuldigte konnte Stellung zu dem Vorwürfen nehmen. Ansonsten, sollte der Beschuldigte freigesprochen werden, hohe Schadensersatzforderungen.

  12. Was Herr Pantelouris schreibt, ist in so ziemlich jeder Hinsicht falsch. Solche Blogeinträge sind rufschädigend für den Journalismus. Wie kann ein ehemaliger Magazinredakteur die Behauptung aufstellen, dass es einen Haftbefehl ohne „dringenden Tatverdacht“ geben könnte? Das ist juristischer Bullshit und bezeichnend für die ganze Argumentationskette. Zum Mitschreiben: Inhaftiert wird man in Deutschland nur, wenn die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf einen Haftbefehl stellt UND ein Gericht diesen aufgrund dringenden Tatverdachts auch ausstellt. Dafür gibt es also zunächst gute Gründe, die selbstverständlich in einer Hauptverhandlung geklärt werden, bevor es zu einem Urteil kommt. Prozesse sind in Deutschland öffentlich, und – ob es Herrn Pantelouris passt oder nicht – die Berichterstattung über öffentliche Personen ist gesetzlich gebilligt. Die Einschätzung von Stefan Winterbauer, der hier im Blog kritisiert wird, ist natürlich absolut zutreffend. Ich kapiere das nicht: Ganz Deutschland diskutiert über den Fall Kachelmann, und Herr Pantelouris würde all das gern wegzensieren. Damit steht er außerhalb der Leitmedien wie Spiegel & Co. Wer so denkt, sollte sich vielleicht einen anderen Job suchen, denn mit Journalismus hat eine solche Einstellung m.E. nichts zu tun.

  13. Lieber Georg Altrogge,

    ich habe großen Respekt davor, dass Sie sich vor Ihre Mitarbeiter stellen. Chapeau dafür. Aber da Sie hier so überreißen, muss ich es doch sagen: Meine Argumentation ist die auf der Grundlage des Pressekodex, die von Stefan Winterbauer nicht. Die Berichterstattung über Jörg K. ist unjournalistisch, meine Kritik daran nicht. Wenn Sie behaupten, ich müsste meinen Job wechseln, weil ich die Einhaltung journalistischer Grundlagen einfordere, disqualifizieren Sie sich selbst. Es ist absurd. Weil Sie den Kodex offensichtlich nicht kennen, noch einmal in den Worten des Presserates:

    Zitat Anfang: Ziffer 8 – Persönlichkeitsrechte

    Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

    Richtlinie 8.1 bis 8.8

    Richtlinie 8.1 – Nennung von Namen/Abbildungen
    (1) Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (s. auch Ziffer 13 des Pressekodex) veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Mit Rücksicht auf ihre Zukunft genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen. Zitat Ende.

    Die Medien haben dagegen ohne jeden Zweifel verstoßen, Ihr Mitarbeiter versucht, das intellektuell zu rechtfertigen und Sie entblöden sich nicht, mir nahezulegen, ich solle meinen Beruf wechseln? Puh, was soll ich sagen? Muss ich es aussprechen?

    Niemand hat Sie gezwungen, hier persönlich zu werden und mir zu sagen, ich hätte meinen Beruf verfehlt. Ich werde darauf nicht eingehen, aber ich habe nicht den Eindruck, dass Sie damit der Sache des Journalismus einen Dienst erweisen.

    Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht,

    mp

  14. Ich hätte ein paar Einwände Euer Ehren.

    Zum einen hat die Tagesschau sehr wohl hin und wieder über ihr Personal berichtet. So hat sie z.B. 1995 die Erkrankung ihres Chefsprechers Werner Veigel zu einer Meldung gemacht, die mit dem Satz endete: „Die Erkrankung unseres Kollegen ist für uns alle ein schwerer Schlag“. Ich erinnere mich deswegen so gut, weil mich das damals ziemlich befremdet hat, besonders der Schluss. Nun kann man natürlich argumentieren, eine Erkrankung ist nichts Kriminelles und der gute Veigel war schon recht alt, so dass seiner Karriere nicht mehr viel zustoßen konnte. Aber wer darüber berichtet, darf sich zumindest nicht wundern, wenn gefragt wird, warum er zu K. nichts sagt. Um nicht missverstanden zu werden: Ich finde es in Ordnung, dass die Tagesschau zu K. nichts macht, nur hätte sie zu Veigel auch die Klappe halten sollen. Und ich fürchte, der Unterschied hat weniger mit Lernfähigkeit zu tun und mehr mit Geschäftsinteressen.

    Zum anderen ist mir Deine Argumentation zu abstrakt und damit ein wenig lebensfremd. Mit dem Argument: „Wer weiß, ob sich hinterher nicht alles ganz anders darstellt“ kann man so ziemlich jede Berichterstattung unterbinden. Da hilft auch der Hinweis auf die Einzelfallabwägung nicht. Von interessierter Stelle heißt es immer: „Du hast falsch abgewogen“ – garantiert.

    Dazu zwei Beispiele: 1999 erließ die Staatsanwaltschaft Augsburg Haftbefehl gegen den ehemaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und brachte damit die CDU-Spendenaffäre ins Rollen. Kiep war damals sieben Jahre aus dem Amt, er hätte also eher wie Jörg K. behandelt werden müssen. Hätte die Journallie mit der Berichterstattung bis zum Prozess oder gar dessen Ende gewartet, wäre die ganze Affäre womöglich nie aufgedeckt worden. Denn Kiep wurde nicht wegen der für die CDU hinterzogenen Million verurteilt, sondern wegen eines privaten Steuerdelikts. Dass die Geschichte eine solche Wucht entfaltet, war, als der Haftbefehl erlassen wurde, natürlich nicht absehbar und konnte in der journalistischen Abwägung keine Rolle spielen.

    Etwa ein Jahr später blickte ganz Deutschland auf Sebnitz in Sachsen, weil dort angeblich ein Ausländerjunge von Rechtsradikalen in einem öffentlichen Freibad unter den Augen der Badegäste ersäuft worden war. Wie wir wissen, stimmte das nicht. Das Kind hatte einen Herzfehler und war daran im Gedränge gestorben. Aber fast alle glaubten seiner Mutter und interpretierten begierig jede Aktion der Staatsanwaltschaft als weitere Erhärtung des Verdachts oder vielmehr als Bestätigung des bereits gefällten eigenen Urteils. Wer zurückhaltend berichtete und darauf hinwies, dass der Verdacht doch vage sei, setze sich sofort dem Verdacht aus, er verharmlose Neonazis oder habe irgendeine unzulässige Sympathie für Ossis.

    Weitere Beispiel gibt es genügend. Was sich sagen will: Wie sich eine Story entwickelt, ist an deren Beginn ganz oft nicht abzusehen. Man kann also furchtbar viel falsch machen. Der Hinweis auf die Interessenabwägung ist da ungefähr so hilfreich, wie die Hinweise von Kurienkardinälen zur Lösung von Eheproblemen oder wie der Wunsch unserer Bundeskanzlerin, eine Sache doch bitte immer vom Ende her zu denken.

  15. Wen interessiert der Wetterfrosch? Mich nicht und viele andere auch nicht. Es gibt so viele Sachen welche wichtiger wären. Das „Gelaber“ hier steht im Zusammenhang mit dem falschen Menschen. Es gibt Wichtigeres.

  16. Sie haben so was von Recht. Es passt in diese Zeit und ich finde es gut, dass Sie sich nicht damit abfinden. Es erinnert mich, wie so oft, an „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von Böll.

    Auch 30 Jahre später hat sich daran nicht viel verändert. Vielen Dank für diese Erkenntnis an meinen damaligen Deutschlehrer… Und wo ich gerade bei diesem Thema bin…: Heißt es nicht: „Hinterlasse einen Kommentar“?

    *lol*

  17. Die zitierten Worte des Presserates sind eindeutig – und entsprechend ist auch die Argumentation und Schlussfolgerung von Michalis Pantelouris richtig.

    Da der Pressekodex jedoch eine Geisteshaltung ist und kein bindendes Gesetz (Zitat aus der Präambel: „Die publizistischen Grundsätze konkretisieren die Berufsethik der Presse. Sie umfasst die Pflicht, im Rahmen der Verfassung und der verfassungskonformen Gesetze das Ansehen der Presse zu wahren und für die Freiheit der Presse einzustehen.“), kann sich jeder dieser Moral anschließen oder es bleiben lassen. Ich persönlich schließe mich dem ausdrücklich an.

    So bleiben Anmerkungen zu zwei Vorschreibern:

    Zunächst zu Ihnen, Herr Altrogge – und hier muss ich leider ein wenig mehr schreiben, als mir eigentlich lieb ist: Ihre deftige Rethorik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ihre Argumente (auch jenseits des Pressekodex-Themas) dünn sind.

    Erstes Beispiel: „Prozesse sind in Deutschland öffentlich, und – ob es Herrn Pantelouris passt oder nicht – die Berichterstattung über öffentliche Personen ist gesetzlich gebilligt“, schreiben Sie. Dazu muss ich bemerken, dass ich persönlich noch nichts von einem Prozess im Falle des K. weiß. Mag sein, dass Sie über bessere Quellen verfügen. Aber ich würde doch eher vermuten, dass Sie in Ihrer Vorverurteilung doch der Realität ein Stück voraus sind. Ich entnehme jedenfalls aktuell der Presse, dass Herr K. dem Haftrichter vorgeführt wird. Und das ist kein Prozessauftakt. Was Sie also schreiben ist falsch. Und dass sollte einem guten Journalisten nicht passieren.

    Weiterhin schreiben Sie: „Ich kapiere das nicht: Ganz Deutschland diskutiert über den Fall Kachelmann, und Herr Pantelouris würde all das gern wegzensieren. Damit steht er außerhalb der Leitmedien wie Spiegel & Co.“ Ich kann aber keine Aufforderung nach Zensur in dem Blog-Eintrag von Michalis Pantelouris entdecken. Sie schreiben also schon wieder etwas falsches – und ich behaupte, bewusst – weil Sie ihren Diskussionsgegner so diffamieren wollen. Das ist (leider) in der Politik ein gängiges rethorische Mittel. Im Journalismus sollte es nichts zu suchen haben – und ich würde mir wünschen, dass entsprechende Reden öfter von Journalisten als billige Rethorik entlarvt würden. (Leider kommen die Politiker oft genug damit durch).

    Wenn Sie also keine weiteren Fakten zu bieten als den Verweis auf die „Leitmedien Spiegel & Co“, möchte ich nur kurz darauf verweisen, dass vor nicht all zu langer Zeit Stefan Niggemeier sehr schön und richtig über „Lafontaine & das Medien-Perpetuum-Mobile“ geschrieben hat. (Link: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/lafontaine-das-medien-perpetuum-mobile/) Darin zeigt er auf, wie die Leitmedien genüsslich sich gegenseitig als Beleg für die Richtigkeit der eigenen Berichterstattung anführen – ohne den Lesern wirkliche Fakten zu präsentieren. Zitat aus dem Artikel: „Aber das erleichtert die journalistische Arbeit natürlich ungemein, wenn sich Stimmigkeit oder Plausibilität als neues publizistisches Kritierium durchsetzt: Endlich nicht mehr recherchieren müssen, was war, sondern nur noch, was gewesen sein könnte.“

    Den Fakten sollte im Journalismus jedoch immer noch eine Hauptrolle gebühren – besonders bei den Nachrichten. Sehen wir die von Ihnen ins Feld geführte Berichterstattung kurz an. Das Leitmedium Spiegel online bewirbt seine derzeit veröffentlichte Nachricht über Herrn K. im Teaser so: „Jörg Kachelmann beteuert seine Unschuld, doch der Vorwurf wiegt schwer …“ und beginnt den Text mit den Worten: „Mannheim – Es steht Aussage gegen Aussage …“ Beide Formulierungen weisen darauf hin, dass es keine Fakten gibt (jenseits der Verhaftung), die eine journalistisch saubere Berichterstattung ermöglichen oder rechtfertigen. Es wird auch in Spiegel online sclichtweg spekuliert. Damit ist der Ihren Worten mitschwingende Verweis auf die seriöse Berichterstattung durch Leitmedien entkräftet. Eine unangemessene Berichterstattung wird nicht besser, wenn sie von allen/vielen praktiziert wird. Es zeigt höchstens, wie schlecht der Standard in der Berichterstattung derzeit ist.

    Und damit der Schlusspunkt zu Ihnen, Herr Altrogge. Als etablierter Kollege erwarte ich von Ihnen mehr Sachlichkeit in solch einer Diskussion – ihre markigen Worte und ihre aggressive Tonlage halte ich in dieser Diskussion für nicht angemessen.

    Nun endlich – und ganz kurz – zu royse und seiner Anmerkung: „Aber fast alle glaubten seiner Mutter und interpretierten begierig jede Aktion der Staatsanwaltschaft als weitere Erhärtung des Verdachts oder vielmehr als Bestätigung des bereits gefällten eigenen Urteils. Wer zurückhaltend berichtete und darauf hinwies, dass der Verdacht doch vage sei, setze sich sofort dem Verdacht aus, er verharmlose Neonazis oder habe irgendeine unzulässige Sympathie für Ossis.“

    Ich erinnere mich an den Fall und stimme den Worten zu. Auch hier zeigt sicher wieder, dass eine Berichterstattung, die auf Vermutungen basiert, nicht gut sein kann. Journalistisch verfasste Texte müssen auf überprüfbaren Tatsachen basieren. Dass das damals nicht gut gelaufen ist, lasse ich nicht als Rechtfertigung dafür gelten, dass im Falle des K. schon wieder journalisitsch etwas gewaltig schief geht.

  18. Es ist sehr interessant, den Alpha- und Beta-Tieren der Branche hier zu folgen.

    Als Marketing- und Kommunikationsmensch war mir der Text des hier zitierten Kodex nicht im Wortlaut geläufig. Jetzt schon.

    Da ich den Fall ohne den kommerziellen Druck Ihrer Branche im Nacken zu haben, beurteilen kann, muss ich hier allen Recht geben, die das Vorgehen im Falle Kachelmann kritisieren.

    Erschrocken hat mich der Diskussionsbeitrag des Herrn Altrogge. Man spürt den immensen Druck, der auf der gesamten Branche lastet. Es fehlt jegliche Souveränität im Denken und Handeln.

    Kompliment an die Antworten auf Herrn Altrogge. In vielen Blogs wäre das Niveau noch viel schneller, noch viel tiefer gesunken.

  19. Als Quasi Laie finde ich diese Diskussion sehr interessant. Sie bringt recht deutlich ans Licht wie sehr die Qualität von Journalismus in den letzten Jahren auf Druck vom Markt nachgelassen hat.

    Ich bin kurz davor meine Zeitungen abzubestellen da in letzter Zeit nicht mehr unabhängug berichtet wird z.B. beim Thema dielinke etc.. sondern Meinung gemacht wird und unverhohlen Verkauf über Journalistische Prinzipien gesetzt wird. Daher mein Dank an Herrn Pantelouris der dies hier so schön auf den Punkt bringt.
    Zu Herrn K. sei gesagt das es auch anders geht. Vor nicht allzu langer Zeit wurde ein Schauspieler verhaftet ohne das sein Name genannt wurde. Nach der Verurteilung klkann man dann ja Roß und Reiter nennen, es gilt ja als bewiesen.
    R.W.

  20. In all den Kommentaren und Blogs ist noch niemand auf die eigentlich naheliegendste Idee gekommen, daß im Unschuldsfall Kachelmanns die Schuld an seinem Karriere-Aus eben nicht bei irgendwelchen Konkurrenzmedien, sondern bei der Täterin zu suchen ist!

    Hier wäre dann eine angemssene Bestrafung vonnöten. Plus volle Kompenastion aller Verdienst- und Karriereausfälle. Leider wird zu oft Mißbrauch mit dem Mißbrauch betrieben, aber dann die Täterinnen aus dem Fokus genommen.

  21. Vorab ein Kompliment für die ruhige und sachliche Argumentation des Artikels. Und ein Kompliment an das Team der Tagesschau.

    Es mag in vielen Fällen durchaus bereits der Anfangsverdacht interessant und für die Öffentlichkeit wichtig sein, wie etwa Zumwinkel und Verdachtsmomente die sich auf das Amt eines Politikers beziehen. Ob nun ein Herr Seehofer, gerade ein uneheliches Kind gezeugt hat oder Herr K. Probleme in seiner Beziehung hat, ist wohl immer noch eine Privatangelegenheit. Im Fall K. steht wohl momentan Aussage gegen Aussage….

    Außer der Sensations-Geilheit der Öffentlichkeit gibt es wohl bisher keinen Grund dafür, Herr K. durch den Kakao zu ziehen.

    Michael Liebert

  22. @Stefan Schulze: der Gedanke ist nahe liegend, aber Meiner Meinung nach falsch, weil er die ohnehin hohe hürde einer Anzeige für die Opfer von Vergewaltigungen erhöht. Zur Gefahr „mir glaubt keiner“ kommt für Opfer prominenter Täter plötzlich das Risiko hoher Schadensersatzforderungen hinzu, falls sie ihren Fall nicht abschließend beweisen können. Und das nur, weil Medien ihren eigenen Kodex missachten? Das kann keine Lösung sein.

    Bitte entschuldigen Sie die Handy-Rechtschreibung.

  23. Guter Text, danke.

    Ich fürchte aber, der allgemeine Aufschrei kommt zu spät und zu leise.
    Selbst bei der Tagesschau wird man wohl angesichts der geifernden Übermacht zusammenzucken und das nächste Mal auch gleich mitberichten.
    Dass Meedia als Speerspitze einen derartigen Kommentar loslässt, zeigt, wie sicher sich die hemdsärmeligen Protagonisten der Medienbranche inzwischen fühlen.
    Und das Handeln unseres sich selbst vereinheitlichenden Medienbetriebs: Hektisch, atemlos und vom Herdentrieb geprägt.

    Und ob K. tatsächlich Dreck am Stecken hat? Ist doch schon egal.

  24. @Georg Altrogge: Puh, was für ein schlimmer Kommentar. Man kann ja in der Sache streiten, auch scharf, aber jemandem, der anderer Meinung ist, nahezulegen, er soll den Beruf wechseln, und als Grund dafür zu sagen, er stehe „außerhalb der Leitmedien wie Spiegel & Co“, das ist wirklich eine außerordentliche Kombination aus Dreistigkeit und Dummheit.

    Georg Altrogge. Lemming aus Leidenschaft.

  25. Was soll der arme Niggemeier denn zum Fall Kachelmann schreiben? Dass er im Knast sitzt wegen des Verdachtes auf Vergewaltigung, weiß schon jeder. Wie kann er also am Medienhype partizipieren? Er schreibt, die Medien hätten darüber nicht schreiben dürfen. Originelle Ansicht eines Medienjournalisten.

  26. Vergewaltigung ist keine Privatangelegenheit. Würde Otto Normalarbeitnehmer in U-Haft genommen, würde das sein Umfeld auch mitbekommen. Bei seinen Kollegen, Verwandten und Bekannten würde sich das in Windeseile herumsprechen. Alle würden sich fragen, ob es ihm zuzutrauen wäre.

  27. Übrigens: Was ich unter #31 schrieb, hinterließ ich auch auf Herrn Niggemeiers Blog. Er hat es vorgezogen, das nicht in seiner nach unten offenen Kommentarspalte erscheinen zu lassen.

  28. @Korinthenkacker
    Auch wenn es so wäre, bedeutet es doch nicht zwingend, dass nur deshalb darüber berichtet werden MUSS nur weil der Beschuldigte eine Person des öffentlichen Interesses ist.
    Ich finde die Kritik an der Tagesschau lächerlich.

  29. @Korinthenkacker: erster Hinweis: Ich habe keine Ahnung wie. Das ist der Text aus dem Template, und er gehört noch zu den verständlicheren. Zweitens: Es geht nicht um Privatsache oder nicht. Es geht um die Verbreitung in den Massenmedien. Dazwischen gibt es eine Menge Abstufungen, und ein Verdächtiger hat nicht automatisch alle Rechte verloren, nur weil er prominent ist. So wird der Fall aber von fast allen Medien behandelt.

  30. „All the News that’s fit to print“ sagt die „New York Times“.
    Ich sage, die Nachricht über Kachelmanns U-Haft darf und soll gedruckt werden. Ein „Muss“ sehe ich nicht.
    Wen die Sache nicht interessiert, der soll die Berichte ignorieren.

  31. Das ist wohl Real-Satire: die Typen haben das Google-Adword gekauft. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.

  32. nimm lachen, sonst reichen die tränen nicht.

    wirklich gearscht ist in diesem fall ja auch die exfreundin von K.
    es sollten einfach alle vermutungsnachrichten wenigstens mit einem „bestätigungsflag“ versehn werden damit man sie nachträglich korrigiern kann.
    so nach dem motto: „K. * vergewaltigung angeklagt [if K.FLAG==1 then *=zu unrecht]
    zurzeit wird auf ewigkeiten ein k. googlen diese geschichte in den top10 anzeigen.

  33. Noch einmal ganz kurz zur Klärung:
    Die U-haft darf nur angeordnet werden, wenn zum einen dringender Tatverdacht besteht (weit überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigten die ihm vorgeworfene Tat begangen hat) UND zusätzlich ein besonderer Haftgrund besteht (Ausnahme hinsichtlich des Erfordernisses eines Haftgrundes: § 112 III StPO, hier nicht einschlägig).
    Zum eigentlichen Thema bleibt nur zu sagen, dass die – in diesem Fall wohl nicht ganz unproblematische – Anordnung der U-Haft schon in der (Rechts-)Praxis recht häufig den Charakter oder zumindest die Wirkung einer Vorverurteilung hat. Die mediale Rezeption macht es (auch in Fällen ohne prominente Beteiligung) nicht besser.

    Im übrigen und allgemeinen scheint es den Medien überhaupt unheimlich schwer zu fallen über Straftaten von Prominenten oder aber prominente Straftaten (iSv „Aufregerthemen“ wie Jugendgewalt, sexuelle Nötigung etc.) maßvoll, informiert, neutral und emotionslos (im besten Sinne) zu berichten.
    Mithin bin ich dankbar für jedes Medium, dass sich die Berichterstattung verkniffen hat, insbesondere da sich mir ein Mehrwert, den solche Berichterstattung angeblich hat und der die Problematik der (medialen) Vorverurteilung aufwiegen könnte, nicht erschließt.

  34. Darf man den Namen Tauss in die Runde werfen?
    Immunität aufgehoben, Hausdurchsuchung, Fund von Kinderpornografie, tagelange Berichterstattung in ALLEN(!) Medien, wilde Verschwörungstheorien, denen viele Glauben schenken. Sollte man darüber berichten? Falls ja, wie? Bei allen Sexualdelikten ist die Öffentlichkeit besonders erotisiert. Sie geilt sich regelrecht daran auf, wenn irgendjemand Schweinkram angestellt haben soll.
    Tauss ist heute Galionsfigur der Piratenpartei, in der viele aus der Unschuldsvermutung auf Unschuld schließen.
    Die Medien kann man kritisieren, so viel man will. Es wird sich nichts ändern. Was sich wirklich ändern müsste, ist die Vorverurteilung, aber auch der voreilige gesellschaftliche Freispruch aufgrund irgendwelcher Sympathien. Ich werfe mich nicht schützend vor Kachelmann und ich werfe mich nicht vor Tauss. Ich stürze mich auch nicht auf sie.
    Natürlich gibt es auch Fälle, in denen Nicht-Prominente über Wochen durch die BILD geschleift werden. Sehr beliebt: S-Bahn-Schubser. Vielleicht sind private Hintergründe hier ja manchmal hilfreich, um Diskussionen anstoßen zu können, um Ursachenbekämpfung betreiben zu können, vielleicht kann die öffentliche Beleuchtung helfen, Straftaten künftig zu verhindern und Missstände zu beheben. Beleuchtung: ja. Hinrichtung: nein.

  35. OFF TOPIC

    @ mikis:

    Gehen Sie wie folgt vor, um „Hinterlasse ein Kommentar“ zu verbessern:

    Im Dashboard unter „Design“ auf „Editor“ klicken. Auf der nächsten Seite rechts in der Spalte der „Theme Files“ die Datei „Kommentare“ (comments.php) auswählen.

    In der Datei comments.php nach „Hinterlasse ein Kommentar“ suchen, den Fehler korrigieren und die Datei aktualisieren.

    Wenn Sie „Hinterlasse ein Kommentar“ nicht finden, suchen Sie nach „Leave a Reply“ und ersetzen Sie dies.

    So müsste es funktionieren. Falls nicht, geben Sie mir einfach Zugriff auf Ihre Blog-Administration. Ich erledige das dann schon für Sie. Hab sowas schon -zigmal gemacht.

  36. Die Diskussion hier (die ich übrigens ganz bemerkenswert finde) ist geprägt von dem Wunsch ehrlicher und aufrichtiger Journalisten, ihre Arbeit möge aufklären, aufdecken, entlarven – aber dabei niemandem weh tun. Brutalstmögliche Aufklärung ohne blaue Flecken. Das ist der nachvollziehbare Wunsch, endlich die Quadratur des Kreises hinzukriegen. Oder den Politiker, Wirtschaftsmann oder Kollegen (!) zum Bier an den Tresen, nachdem man dessen Korruption aufgedeckt, bekannt gemacht und ihn um seinen Job gebracht hat.

    Das Problem: Es fehlt ein wirkungsvolles (d. h. auch in Medien einsetzbares) Werkzeug, um ehemalige Verdächtige zu rehabilitieren, wenn sich deren Unschuld herausgestellt hat. Und der hier geäußerte Vorschlag, den Urheber einer Verleumdung richtig dranzukriegen, ist nachvollziehbar, kann die negativen Folgen der erfolgten Verleumdung aber nicht wettmachen.
    Es gibt viele Gründe, warum Rehabilitation in der modernen Gesellschaft aus Gesellschaft, Politik, Medien und Eitelkeit nicht funktioniert.

    Ein Grund: Es fehlt – auch in den Redaktionen! – die Bereitschaft, Fehler einzuräumen und Fehleinschätzungen einzugestehen. Es fehlt den Medien – sogar der Untergruppe der öffentlich-rechtlichen – ein Konsens, ein gemeinsamer Kurs, wie man als Berichterstatter mit Verdachtsberichterstattung umgeht. Tagesschau/Tagesthemen haben es in Sachen K. anders gemacht, als der NDR nur drei Tage später in Sachen R. – das ist ein Befund, keine Kritik.

    Was nicht geht: den Postboten Z. zu outen, weil der „Person der Zeitgeschichte“, „Repräsentant des öffentlichen Lebens“ und sonst noch was ist – den Redaktions-Kollegen K. aber nicht, weil „der ist ja nur einer von uns und sonst kennt den auch keiner“.

  37. @Vollzugsteilnehmer: Wow! Es geht! Hammer! Danke! Und ich habe dabei noch einen Satz entdeckt, der offenbar erscheinen würde, wenn ich die Kommentare schließen würde: „Wie die Gas Stationen in Texas nach 22 Uhr, diese Kommentare sind geschlossen.“ Auch nicht schlecht. Das mit dem „Kommentare wegtreten“ vor dem ersten Kommentar habe ich allerdings gelassen. Das liebe ich.

  38. @Vollzugsteilnehmer: Jetzt wäre mal ein Lob für das Korrigieren der Kommentarfunktion angebracht, zur Not reicht ein @ 44: Nicht schlecht, Herr Specht!

    @Christoph Holstein: Vielen Dank für den weisen Kommentar! Zwei kleine Anmerkungen: Ich bin voll für blaue Flecken, aber wir reden hier über schwerste Verletzungen auf Verdacht, fürchte ich. Und es gibt einen Konsens, den Pressekodex, in dem ja auch die Ausnahmen für Mandatsträger u.ä. geregelt sind. Dass sich in diesem Fall kaum jemand daran gehalten hat, ist eine Sache und sicher kein Grund zum Jubeln. Dass es aber Journalisten gibt, die hinterher diejenigen, die sich an den Kodex halten oder für ihn argumentieren für schlechte Journalisten halten ist ein echtes Elend. Da ist, meiner Meinung nach, kein neuer Konsens nötig oder realistisch, sondern schlicht die Rückkehr zum Handwerk notwendig.

  39. Trotzdem, verehrter „mikis“, teile ich Ihre Ansichten in diesem Falle nicht. Man darf berichten, ich meine sogar, man soll über Kachelmanns Inhaftierung berichten. „Müssen“ muss man allerdings nicht. Der „Tagesschau“ jedoch hätte eine kurze und sachliche Meldung (gegen Ende der Sendung kurz vor der „Wetterkarte“) gut zu Gesicht gestanden.

  40. Lieber Korinthenkacker, ich habe bemerkt, dass Sie nicht meiner Meinung sind, ich respektiere das und bin sehr, sehr glücklich darüber, was für eine angenehme Diskussionskultur hier herrscht. Wir werden nie alle einer Meinung sein, aber das Niveau, auf dem hier gestritten wird, finde ich großartig.

    Zur Sache: Ich bin selbst Journalist durch und durch und ich verstehe den Reflex absolut zu sagen: Wenn ein solcher Promi in U-Haft geht ist das immer eine Nachricht. Aber ich glaube, das definiert die Bedeutung von Nachricht um. Denn es ist nicht nur deshalb etwas berichtenswert, weil es eine Sensation ist. Das Wesen von Journalismus ist mehr als nur das Verkaufen von Zeitungen und das Erlangen von Aufmerksamkeit. Ich verstehe unser Gewerbe eher (und jetzt kommt ein Bild, das sicher schief ist und das mir dann alle um die Ohren hauen werden) als die Lieferung der Nahrung für den gesellschaftlichen Diskurs. Dabei ist Klatsch natürlich wichtig, als Soul Food, als Junk. Essen muss nicht immer ökotrophologisch gesund und wertvoll sein. Aber auch Junkfood muss gewissen Standards in Bezug auf Sicherheit und Hygiene entsprechen. Es darf nicht giftig sein, egal, wie gut es schmeckt und wie oft es sich verkaufen ließe. Dafür sind Standards da. und die Nachricht von der Inhaftierung eines Wettermannes aufgrund eines Tatverdachtes hatte noch nicht den Standard, den sie hätte haben müssen, bevor man darüber berichtet.
    Und selbst wenn wir uns darüber nie einig werden sollten: Schön, dass Sie da sind! Die Diskussion ist wahrscheinlich der Weg ist das Ziel. Oder so.

    lg, mp

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